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Porträt

Jung im Herzen

Porträt - Jung im Herzen
Sportlicher RI-Präsident: Holger Knaack © Samuel Zuder

Holger Knaack will Erneuerung für Rotary. Mit der Unterstützung seiner rotarischen Freunde könnte der RI-Präsident 2020/21 es schaffen, frischen Wind in die Organisation zu bringen – und sie für die Zukunft aufzustellen.

Jenny Llakmani 01.07.2020

Rückblende: Holger Knaack ist beim Staubsaugen. Sein RC Herzogtum Lauenburg-Mölln hat gerade den Weihnachtsbasar im Kloster der Ratzeburger Kirche abgeschlossen. Erlös des Verkaufs von Weihnachtsschmuck, Misteln, Kunsthandwerk und Selbstgebackenem: rund 8000 Euro. In diesem Jahr geht das Geld an eine Hilfsorganisation für schwer kranke Kinder. Nun werden die Buden abgebaut, Stühle hochgestellt. Und Holger Knaack schnappt sich den Staubsauger. Seit dem 1. Juli ist er als Präsident von Rotary International im Amt – doch hier, wo alle mit anpacken, merkt man davon nichts. „Er ist einfach ein Freund unter Freunden“, sagt Clubfreundin Barbara Hardkop.

2020, holger knaack, ri-präsident, juli

„Er sieht nicht nur jugendlich aus“, sagt
ein Freund über Holger Knaack, „er ist jugendlich!“ © Samuel Zuder

Man holt die Leute ins Boot. Diese deutsche Redensart half schon öfter zu erklären, wie wichtig es ihm ist, Rotarier „an Bord zu haben“, wenn es um gemeinsame Ziele geht. Und dass er mitrudert, anstatt anderen die Arbeit zu überlassen, gehört dabei selbstverständlich dazu. Doch ebenso wichtig in seiner Arbeitsphilosophie ist für Holger Knaack auch, dass sich harter Einsatz und eine Menge Spaß nicht gegenseitig ausschließen. Und während er sich in diesem Jahr dafür einsetzt, besonders Jüngere ins Boot zu holen – eine seiner Prioritäten – darf man sicher sein, dass er sein Bestes gibt, um dafür zu sorgen, dass es allen Beteiligten auch richtig Spaß macht. „Das ist ein Holger-Prinzip“, weiß sein langjähriger Freund und Clubmitglied Hubertus Eichblatt. Insofern ist Holger Knaack vielleicht kein typischer RI-Präsident. Nicht nur weil er Jeans trägt und dem Tragen von Krawatten tunlichst aus dem Weg geht. Als allererster deutscher Präsident in der Geschichte Rotarys kam er auch eher untraditionell zu dem höchsten Amt dieser Organisation. Er stieg nicht Schritt für Schritt in der Rangordnung von Rotary auf. Klar, er diente als Clubpräsident und dann als Governor. Aber er hatte nur ein internationales Amt als Trainingsleiter ausgeführt, bevor er Mitglied des RI-Zentralvorstands wurde. Und als er auf einem Institut gefragt wurde, welche anderen Distriktämter er ausgeführt hätte, bevor er Governor wurde, war man recht erstaunt über seine Antwort: „Keine“.

Bekannt wurde Holger Knaack indes für sein Engagement im Jugenddienst. Das internationale Youth Exchange Program liegt ihm und seiner Frau Susanne zutiefst am Herzen. Selbst kinderlos, öffneten sie Herz und Haus für Generationen von Au tauschschülern. „Bei Knaacks ist das Haus immer voll mit Gastbesuchern, und besonders jungen Leuten“, betont auch Helmut Knoth, ein anderer alter Freund im Club.

Gemeinsames Ziel

Das Engagement begann 1992 kurz nach seinem Eintritt in den RC Herzogtum Lauenburg-Mölln. Holger Knaack half bei der Organisation eines Jugendcamps für Austauschteilnehmer in Norddeutschland. Er war sofort begeistert. „Das ist etwas, wo dein Herz aufgeht. Wann immer du mit den jungen Leuten sprichst, sagen sie dir: ‚Das war die beste Zeit meines Lebens.‘ Manchmal denke ich, sie sind überrascht über sich selbst, über das, was sie schaffen können, und über die Möglichkeiten, die ihnen durch Rotary offenstehen.“

Und damit öffneten sich auch für ihn neue Möglichkeiten. Erst als Jugenddienstbeauftragter seines Clubs, dann, nach  seiner Amtszeit 2006/07 als Governor des Distriktes 1940, mit dem Vorsitz für den deutschen Multi-District Youth Exchange. Diese Position führte er aus, bis er 2013 in den Board of Directors von RI gewählt wurde. Auf diesem Weg habe er sich immer auf andere Leute verlassen können, betont er. „Man entwickelt gemeinsam eine Vision, und dann macht man sich auf den Weg. Und da gibt es nicht nur den einen, jeder nimmt einen etwas anderen Pfad. Aber das Ziel sollte immer ein gemeinsames sein.“

Es scheint, dass junge Menschen diese Vorgehensweise intuitiv verstehen. „Holger hat eine Vision, und die setzt er um“, meint auch Brittany Arthur, Mitglied des RAC Berlin und des RC Berlin International. „Holger und Susanne haben Dutzende von Jugendaustauschschülern beherbergt und betreut. Glauben Sie, dass sie all das nur getan haben, damit er im Jahr 2020 sagen kann: ‚Wir müssen in die Jugend investieren‘? Nein – so sind sie halt.“

Für Brittany Arthur ist Knaack auch ungewöhnlich in seiner Bereitschaft, in „Potenzial, nicht Erfahrung“ zu investieren. Sie lernte ihn als australische Stipendiatin in Deutschland 2012 bei einem Clubtreffen kennen und erhielt die Einladung, auf einem vom damaligen RI-Präsidenten Sakuji Tanaka 2012 in Berlin veranstalteten Rotary-Friedensforum über ihren persönlichen „Rotary-Moment“ zu sprechen. Und wenn sie gedacht hatte, dass es bei dem einmaligen Engagement blieb, so hatte Knaack andere Ideen. „Er fragte mich, ob ich bei seinem Institut mithelfen wollte, und ich sagte: ,Na klar!‘“ Genauso wie für andere Rotarier zählt auch für sie Knaacks überzeugende Persönlichkeit. „Er ist super witzig und nett, kann aber schnell todernst sein, wenn es um bestimmte Dinge geht. Deshalb ist er eine so interessante Führungspersönlichkeit: Er kann auf so vielen verschiedenen Ebenen präsent sein, wenn man ihn braucht.“

Eingespieltes Team

Holger und Susanne Knaack reisen gern. Doch zu Hause, das ist für sie nicht weit von ihren jeweiligen Geburtsorten entfernt. Beide wurden 1952 geboren, Susanne in Ratzeburg, Holger nicht weit entfernt in der Gemeinde Groß-Grönau. Beide wuchsen ähnlich auf, nämlich direkt über ihren jeweiligen Familienunternehmen. Susannes Vater und Großvater stellten Wurstwaren her, und die Familienbäckerei Knaack wurde bereits 1868 von Holgers Ur-Ur-Urgroßvater gegründet. „Wir wuchsen sehr geliebt und behütet auf“, erinnert sich Holger. „Jeder kümmerte sich um uns, jeder wusste immer, wo wir steckten.“

2020, holger knaack, ri-präsident, juli

Holger und Susanne Knaack lieben es, für sich und ihre Freunde zu kochen; hier stellen sie ein Essen in der Küche von Holgers Schwester zusammen © Samuel Zuder

Auch Hubertus Eichblatt wuchs in Ratzeburg auf, wo seine Schwester und Susanne seit ihrer Kindheit befreundet waren. Beide Elternhäuser waren immer sehr offen, betont er. Und das setzt sich einfach heute fort. Freunde kommen und gehen. Die beiden wohnen in dem Haus von Susannes Großmutter. Gleich nebenan wohnt Susannes Schwester Sabine in dem Haus, in dem beide aufwuchsen. Und als vor einem Jahrzehnt der Ehemann von Holgers Schwester Barbara starb, zog auch sie in eine Wohnung im Obergeschoss. Zusammen verfügen die beiden Häuser über neun Gästezimmer. Und angesichts von Barbaras zwölf Enkeln, den Dutzenden von Austauschschülern und Freunden verwundert es nicht, dass in der Regel mindestens eines der Gästezimmer belegt ist.

Jeden Morgen trifft man sich zum Frühstück in einer gemütlichen Sitzecke mit Blick auf den Küchensee, einem von vier Seen rund um Ratzeburg. Oft wird hier auch gemeinsam zu Mittag gegessen. Und nach dem Kaffee folgt Holgers liebstes Ritual: ein Nickerchen. Dazu rollt er sich auf einem kleinen Sofa zusammen, während Susanne, Barbara und Sabine sich weiter unterhalten. „Er mag unsere Stimmen im Hintergrund, während er sich ausruht“, sagt Sabine.

Das Viererteam teilt sich auch Aufgaben wie Kochen und Einkaufen. Und wenn jemand etwas braucht? „Dann rufst du kurz durchs Haus“, erklärt Holger. „Ich finde, das ist der perfekte Weg, um zusammenzuleben. Das Geheimnis bei allem ist die einfache Frage: Was ist unser Ziel? Und das ist genau unser Ziel: wie wir im Moment leben.“

Große Gastfreundschaft

An einem Samstag im Dezember kochen Holger, Susanne, Barbara und Sabine für ein Abendessen am nächsten Tag mit 23 guten Freunden der Knaacks. Es gibt Boeuf Bourguignon. Zugleich planen sie aber auch schon das Weihnachtsessen, zu dem 15 Gäste kommen werden.

Helmut Knoth nennt die Knaacksche Gastfreundschaft einen „Glücksfall für Rotary“. Mindestens einmal im Jahr trifft man sich zu einer Party in ihrem Garten. „Wenn das Wetter schön ist, gehen wir schwimmen. Im Winter gibt es traditionell einen Empfang zu Holgers Geburtstag. Dann treffen wir uns im Ruderclub und wandern um den See.“ Als Geburtstagsgeschenke spenden die Freunde an die Karl-Adam-Stiftung, die Holger Knaack gründete, um damit den Ratzeburger Ruderclub zu unterstützen. Dieser ist weltberühmt, denn Mitglieder des Clubs stellten den Stamm der deutschen Teams, die bei den Olympischen Spielen 1960, 1968, 2000, 2004 und 2012 Gold errangen. Der Mitgründer und langjährige Trainer des Clubs, ein Oberstudienrat namens Karl Adam, erlangte Weltruhm als „Ruderprofessor“ und Entwickler einer innovativen Rudertechnik, die als die „Ratzeburger Schule“ bekannt wurde.

Das Geheimnis vieler Dinge

Als wir durch das Familienfotoalbum blättern, erzählen die beiden von ihrer Kindheit. Von Ferien an der See. Und vom Sommerhaus mit großem Garten und weiten Wiesen und Wäldern drumherum, wo sie die Wochenenden verbrachten. Eine wunderbare Kindheit.

Holger erzählt auch weiter, dass das Haus seiner Jugend einen halben Kilometer entfernt von dem kleinen Flüsschen Wakenitz stand – der damaligen Grenze zur DDR. „Das war für uns das Ende der Welt“, erinnert er sich. Im Sommer war es für ihn und die anderen Jungs eine besondere Mutprobe, über den Fluss zu schwimmen. Auf der anderen Seite: ein Sumpf, Minenfelder, ein Wachturm und Grenztruppen. Versteht sich von selbst, dass man gleich nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 die „andere Seite“ mit dem Fahrrad erkundete. „Alle Wachtürme standen offen, und natürlich gingen wir hoch.“

Später in seiner Jugend fuhr Holger an Sonn- und Feiertagen Backwaren für seine Familienbäckerei aus. Nach der Schule ging er für zwei Jahre in die Ausbildung in eine andere Bäckerei. „Ich kann also eine ganze Menge leckerer Dinge backen“, freut er sich. „Und es macht mir auch immer noch Spaß.“ Und dann wird er wieder ernst, wenn er erklärt, dass man lieben muss, was man tut. Nur so könne man gut in etwas sein. „Und was immer man auch an Marketing einsetzt, es geht letztlich um Qualität. Qualität bedeutet, sein Produkt zu lieben und es so gut zu machen, wie es nur irgend geht. Und dazu muss man sich Zeit nehmen. Das ist das Geheimnis vieler Dinge.“

Nach der Lehre und einem weiteren Praktikumsjahr in einer Großbäckerei in Stuttgart ging er nach Kiel, um Betriebswirtschaft zu studieren. Und auf der ersten Studentenvollversammlung sah er zum ersten Mal die junge Frau, die er heiraten würde. „Ich sah Susanne am 20. September 1972 – daran erinnere ich mich genau.“ Susanne ist da nicht ganz so sicher, denn er machte auf sie nicht den gleichen ersten Eindruck wie sie auf ihn. Vielleicht lag das daran, dass es in ihrem Studienjahrgang 94 Männer gab – und drei Frauen. Immerhin lernten sie sich danach näher kennen und fuhren an Wochenenden gemeinsam nach Hause, um in ihren jeweiligen Familienunternehmen zu jobben.

1975 machten beide ihren Abschluss und heirateten das Jahr darauf. Beide stiegen nun voll in ihre Familienunternehmen ein. Zu der Zeit gehörten zur Bäckerei Knaack einige Läden und etwa 50 Mitarbeiter. Nachdem er Ende der 70er Jahre das Geschäft von seinem Vater übernahm, beschloss Holger Knaack zu expandieren. Und dazu gehörte als Erstes, dass er genau wissen wollte, woher das von ihm verarbeitete Getreide kam. Und so wandte er sich an seinen Freund Hubertus Eichblatt, der eine Bauernkooperative gegründet hatte. Zugleich arbeitete er mit Günther Fielmann, Europas größtem Optiker, zusammen, der in biologischen Anbau auf seinem Hof Lütjensee investiert hatte. Gemeinsam bauten die beiden ihre eigene Mühle und vertrieben fortan biologisches Mehl für Bio-Backwaren. Das war vor 30  Jahren etwas gänzlich Neues. „Holger war halt immer sehr innovativ“, bemerkt Freund Eichblatt dazu. „Und sehr vorausschauend in diesen Dingen.“

Innovative Praxis

Eine weitere Knaack-Innovation war es, den Backvorgang in den Laden zu verlegen. Davor wurde das Brot fabrikmäßig hergestellt und in die Backshops geliefert. Die neue Idee: der Teig wurde weiterhin in der Fabrik hergestellt, aber dann portioniert und eingefroren an die Läden geliefert, wo die Backwaren schließlich frisch gebacken wurden. Das Konzept hieß „Der frische Bäcker“. Diese Praxis hat sich übrigens heute in ganz Deutschland durchgesetzt.

Knaack erweiterte das Unternehmen, bis es ungefähr 50 Läden umfasste und Hunderte von Mitarbeitern in der Fabrik. Dann erhielt er ein Verkaufsangebot von einem international tätigen Konsortium, welches so gut war, dass er annehmen musste. Immer noch jung, widmete er sich fortan anderen Geschäften. Daneben entdeckte er seine Liebe zum Golf und wurde in kurzer Zeit zum Präsidenten seines Golfclubs gewählt. Mit 30 Jahren wurde er aktives Mitglied von Round Table. Schließlich, im Alter von 39 Jahren, trat er dem Rotary Club in Mölln bei. Dort blieb er, auch als kurz danach ein Club in Ratzeburg gegründet wurde, in den viele seiner Freunde eintraten.

Profunder Einblick

Ratzeburg, eine Stadt mit mittelalterlichem Charme und Stadtkern, mit dem Ratzeburger Dom und Fachwerkhäusern, liegt auf einer Insel, die von vier Seen umrahmt wird. Landstraßen winden sich durch das saftige grüne Land vorbei an Bauernhöfen und Dörfern im traditionellen Backsteinstil. Doch die jungen Menschen, die bei und mit Holger and Susanne lebten, lernten Deutschland auch anders kennen, tiefer und profunder, nicht nur als pittoreske Idylle.

Juraj Dvořák war 1996 einer der ersten Austauschgäste der Knaacks. Nach dem ersten Aufenthalt luden ihn die beiden wieder zu sich ein. Als Dvořáks Vater plötzlich verstarb, wollte er den Besuch absagen. Doch Holger und Susanne ebenso wie seine Mutter überzeugten ihn, dennoch zu kommen und auf diese Weise die schwere Zeit der Trauer zu überwinden.

„Ich blieb einen ganzen Monat bei ihnen“, erinnert er sich. „Das begründete eine tiefe Freundschaft. Wenn ich Holger und Susanne nicht kennengelernt hätte und wenn die beiden mir nicht Mentoren für viele Aspekte meines Lebens gewesen wären, dann hätte ich nie im Leben erreicht, wo ich heute stehe.“ Heute betreibt Dvořák einen erfolgreichen Investmentfonds und ist im Vorstand einer Wiener Bank. „Ich wurde zu jemandem – nicht in Bezug auf materiellen Reichtum, sondern als gesunde Persönlichkeit.“ Holger und er führten viele tiefe Gespräche, sagt er, und betont, dass er jedes Jahr zu einem Besuch zurückkehrt.

„Er vermittelte mir, dass Geld nicht das Wichtigste im Leben ist, dass ich zuerst meine Arbeit und das Leben genießen muss. Er sagte mir, ich solle reisen und die Welt sehen. Und er nahm mich zu vielen Treffen mit seinen Freunden, den Rotariern, mit. Damals verstand ich nicht, warum, aber als ich älter wurde, wurde mir klar, dass dies eine absolut einmalige Chance war zu lernen, wie man sich mit Menschen verhält, die man nicht kennt. Er hat mich erwachsen gemacht. Holger und Susanne haben ein großes Herz und eine tiefe Verantwortung für die Menschen, die sie betreuen. Sie sind einfach anders.“

Großes Vertrauen

In der Tat nehmen die Knaacks ihre Aufgabe als Mentoren sehr ernst. „Das Hauptziel des Jugendaustauschs ist es, in eine andere Kultur einzutauchen, alles über diese Kultur zu lernen, was man kann“, sagt Holger. „Und das Erstaunliche am Jugendaustausch ist, dass Eltern ihre Kinder rund um den Globus schicken und darauf vertrauen, dass die Rotarier sie wie ihre eigenen Kinder behandeln werden. Das ist etwas, das uns einzigartig macht. Keine andere Service-Organisation tut das auf diese Weise.“

Paula Miranda verbrachte die drei ersten Monate ihres Austauschjahres 2008 bei den Knaacks. Sie kam im Januar aus ihrer argentinischen Heimat in Ratzeburg an: „Ich erinnere mich, es war 16 Uhr und bereits dunkel in Deutschland, und ich dachte: Oh mein Gott, wo bin ich? Und sie empfingen mich mit einem warmen deutschen Essen. Und alles war gut.“ 

Als Miranda einen Monat später 19 Jahre alt wurde, organisierten Holger und Susanne eine Geburtstagsfeier mit einigen ihrer neuen Freunde aus der Schule. „Sie organisierten ein Asado-Grillfest, wie wir es in Argentinien machen“, erinnert sie sich. „Sie wollten, dass ich mich wie zu Hause fühle, und das habe ich sehr geschätzt. Ohne sie wäre mein Jahr nicht dasselbe gewesen. Ich liebe sie wirklich.“

Ansteckende Begeisterung

Alois Serwaty, ein Past-Governor des Distrikts 1870, traf die Knaacks vor 25 Jahren zum ersten Mal auf einer deutschen Multi-Distrikt-Jugendaustauschkonferenz. „Holger und Susanne haben eine unkomplizierte und offene Art, die junge Menschen anspricht und motiviert“, sagt er. „Wenn man sie trifft, erkennt man sofort, dass sie junge Menschen mögen. Holgers Einstellung ist, dass Rotary jung bleiben muss und dass die Arbeit für und mit jungen Menschen jung hält.“

Wenn es um das Verhältnis von Rotaractern zu Rotary geht, hört man oft, dass es wichtig ist, sich auf Augenhöhe zu begegnen. „Das soll ausdrücken, dass sich alle gleich auf einer Ebene begegnen“, sagt Susanne. „Es soll keine Unterschiede geben und die Position sollte keine Rolle spielen. Man diskutiert etwas und findet eine Lösung, ohne dass der andere das Gefühl hat, einen Auftrag erhalten zu haben.“

Seinen Freunden und seiner Familie zufolge hat Holger ein echtes Gespür dafür. „Wenn er etwas nicht selbst machen kann, kann er sehr gut delegieren“, lacht Susanne. „Er kann erkennen, wer etwas gut kann. Das ist ein Talent von ihm.“

Ein Beispiel dafür sei die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Rotaractern für das Rotary-Institut in Berlin gewesen. „Sie sagten: ‚Wir machen die Breakout-Sitzungen‘, und statt zu sagen: ‚Das geht nicht‘, sagte er: ‚Gut – macht mal.‘ Er vertraut darauf, dass Menschen erfolgreich sein werden. Aber er ist immer noch im Hintergrund und behält die Dinge im Auge.“ So war es auch bei der Convention in Hamburg. Dort waren Holger Knaack und Andreas von Möller gemeinsam Vorsitzende des Gastgeberausschusses 2019. Und auch dort waren viele Rotaracter an der Organisation beteiligt.

Rotary und Rotaract weiter näher zusammenzubringen ist ein erklärtes Ziel von Holger. „Er ist begeistert von dem, was er erreichen will. Und wenn er sich für etwas begeistert, kann er auch andere begeistern“, sagt Susannes Schwester Sabine.

Im sonnigen Ratzeburger Hotel Seehof sitzt man im Café mit Blick auf den glitzernden Küchensee beim Cappuccino zusammen: Knaacks Freunde Hubertus Eichblatt, Helmut Knoth, Jens-Uwe Janssen und Andreas-Peter Ehlers. Alle sind Mitglieder im RC Herzogtum Lauenburg-Mölln, und auch sie sind sich einig, dass er ein gewisses Genie für das Engagement von Ehrenamtlichen besitzt. Ehlers erinnert sich daran, wie es war, als er während Knaacks Governor-Jahr als Distriktsekretär diente. „Davor hieß es immer: ,Wer kann das übernehmen?‘ Aber Holger sagte ganz konkret: 

‚Hubertus, du bist die perfekte Person, das ist genau das Richtige für dich. Ich würde mich wirklich freuen, wenn du das machst.‘ So, wie er es dir anträgt, kannst du nicht Nein sagen. Und du machst es gerne, denn er gibt dir nicht einfach so ein Aufgabe und geht dann weg. Er kommt in einem Monat zurück und fragt: ‚Hubertus, läuft alles gut? Kann ich bei irgendetwas helfen?‘“ Eichblatt lacht bei dieser Darstellung herzlich und betont weiter, dass Knaack erfolgreich ist, weil seine Begeisterung ansteckend ist – und weil er mit gutem Beispiel vorangeht.

Die Knaacksche Philosophie

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Holger und Susanne Knaack sind gern in der Natur unterwegs. Hier machen sie eine Pause vor dem Ratzeburger Heimatmuseum © Samuel Zuder

Während sie weiter über Knaacks gute Eigenschaften plaudern, wiederholen die Freunde, was viele Leute sagen: dass er nie in schlechter Stimmung ist. Aber als enge Freunde, die sie sind, müssen sie auch darauf bestehen, dass er nicht perfekt ist. „Wir müssen eine Schwäche finden“, sinniert Eichblatt, bevor er sich mit einem gutartigen Charakterfehler zufriedengibt: „Er ist sehr modebewusst. Seine Brille!“ Die Erwähnung der auffälligen Brille sorgt für Heiterkeit. „Er ist der Einzige, der so eine Brille trägt“, sagt Ehlers. „Und wenn sie kaputtgeht, kein Problem: Er hat eine andere!“ „Sie ist sein Markenzeichen“, fügt Knoth hinzu. „Und er trägt nur selten eine Krawatte. Jeans immer. Er sieht jugendlich aus. Er ist jugendlich!“ Die alten Freunde nicken und lachen, während sie ihre Cappuccinos austrinken.

Die Knaacksche Philosophie – dass man, egal wie hart man arbeitet, auch Spaß haben sollte – gilt besonders für Rotary. „Reisen, mit Menschen zu reden, all das macht ihm wirklich Spaß“, sagt Susanne, die selbst Gründungsmitglied des Rotary E-Clubs Hamburg Connect ist. „Rotary macht ihm einfach Spaß – und mir macht es genauso viel Spaß.“

Knaack möchte, dass alle Menschen Freude an Rotary haben – und stolz darauf sind, ein Teil davon zu sein. „Wir alle lieben diese Organisation, und jedem von uns sollte es wichtig sein, Rotary auf jede erdenkliche Weise stärker zu machen“, betont er. „Es ist nicht schwer, mehr zu tun: mehr Engagement im Club, mehr Interesse an den Freunden, mehr Beteiligung an Projekten und Programmen. Fragen Sie sich selbst: Engagiert sich unser Club in der Jugendarbeit? Können wir uns bessere Ideen für die Spendenarbeit einfallen lassen? Und der Club hat auch die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sich die Menschen wohlfühlen, dass sie sich willkommen fühlen und stolz sind. Es muss sich als etwas Besonderes anfühlen, ein Rotarier zu sein.“

Der eigene Club ist wichtig

Mit Blick auf das kommende Jahr stellt er fest, dass ein RI-Präsident zu vielen Veranstaltungen eingeladen wird und zu den meisten von ihnen einen Vertreter schicken muss. Doch Knaack plant, an der Distriktkonferenz 2021 im Distrikt 1940 teilzunehmen, dessen Governor in diesem Jahr, Edgar Friedrich, auch Mitglied des RC Herzogtum Lauenburg-Mölln ist. „Ich denke, man darf für den eigenen Distrikt eine Ausnahme machen, vor allem, wenn der Governor aus dem eigenen Club kommt“, sagt Knaack. „Der eigene Rotary Club ist wirklich wichtig. Welches Amt man auch immer in Rotary bekleidet hat und wie wichtig man mal gewesen ist, letztendlich bist du immer Mitglied deines eigenen Clubs und glücklich, unter diesen Freunden zu sein.“ Und das soll auch dann sein Schlusswort sein: „Deshalb müssen wir uns um unsere Rotary Clubs und unsere Freunde in unseren Clubs kümmern. Am Ende zählt, dass man unter Freunden ist.“

Jenny Llakmani

Jenny Llakmani

ist seit 2006 Redakteurin für die Zeitschrift The Rotarian im RI-Hauptsitz in Evanston/USA. 1988-89 studierte sie an der Universität Freiburg.

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