Lebenswichtige Industriebranche
Alles ist Chemie
In den frühen Jahren des Internets informierte eine populäre Webseite die Menschen über eine gefährliche chemische Substanz: Dihydrogenmonoxid, kurz DHMO. Eindringlich wurde vor ihren oft tödlichen Wirkungen gewarnt: Diese farb-, geschmack- und geruchslose Substanz trage zu Bodenerosion bei und sei ein wesentlicher Bestandteil sauren Regens. Das Einatmen selbst kleiner Mengen von DHMO sei tödlich, im gasförmigen Zustand verursache es bei bloßer Berührung schwere Verbrennungen. Trotz dieser Gefahren könne Dihydrogenmonoxid in vielen Lebensmitteln nachgewiesen werden, sogar in Babynahrung.
Schnell erregten die Warnungen Aufmerksamkeit. Es bildeten sich sogar politische Initiativen, um DHMO zu verbieten. Allein: Es handelte sich bei der DHMO-Warnseite um einen wissenschaftlichen Scherz, um eine Parodie auf die Skandalisierung von chemischen Wirkstoffen durch die Medien. Dihydrogenmonoxid ist nichts anderes als H2O, also gewöhnliches Wasser. Die angegebenen Gefahren mussten aber nicht einmal erfunden werden, denn Wasser hat tatsächlich all diese dramatischen Eigenschaften. Und doch würden wir auf Wasser nicht verzichten wollen.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, welch irrationale Ängste selbst von alltäglichen Dingen ausgelöst werden können, wenn einem die Chemie nicht ganz geheuer ist. Und es zeigt auch, dass Chemie tatsächlich in allem ist.
Die Chemie gehört auf ganz grundlegende Art zu unserem Leben. Sie ist also weder etwas Unnatürliches noch etwas Künstliches. Trotzdem gilt der Zusatz „ohne Chemie“ als Gütesiegel in der Werbesprache – dabei ist es eine inhaltlose Phrase, die den Kunden an der Nase herumführen soll. Wovor sich Verbraucher eigentlich fürchten, sind schädliche Zusatzstoffe, die Gesundheit und Wohlbefinden beeinträchtigen können. Doch dies hat mit der Chemie selbst nichts zu tun. Chemische Produkte leisten zum Teil Erstaunliches, fördern unsere Gesundheit und erhöhen unseren Lebensstandard.
Besonders in Deutschland erbringt die Chemie Höchstleistungen. Mit nur einem Prozent der Weltbevölkerung erreichen wir acht Prozent der weltweiten Chemie-Bruttowertschöpfung. Oder anders ausgedrückt: Deutschland hat die höchste Pro-Kopf-Chemieproduktion der Welt und ist mit Abstand der größte Chemieproduzent in Europa. Deutschland ist also Chemie-Land. Zum Glück! Denn die Chemie steht hierzulande für eine starke Wirtschaftsleistung, gute Arbeit sowie Zukunftsinnovationen zur Lösung globaler Herausforderungen.
Die Chemische Industrie ist nicht nur die drittgrößte Industriebranche in unserem Land, sondern auch Voraussetzung für den Erfolg anderer Branchen. Wo wäre beispielsweise die Autoindustrie ohne synthetische Fasern, Lacke, Kunststoffe oder Hochleistungs-Kautschuk? Ohne die Produkte der Chemieindustrie würde keinAuto vom Band rollen, geschweige denn fahren. Dabei ist die Chemie nicht nur ein Zulieferer, sondern ein Innovationsmotor, der Entwicklungen möglich macht. Etwa wenn Stahlteile immer öfter durch Hightech-Kunststoffe ersetzt werden. Sie sind stabil, aber um 30 bis 50 Prozent leichter als Stahl und senken so den Kraftstoffverbrauch erheblich. Auch sogenannte grüne Reifen, die auf einer neuartigen Kautschuk-Molekülverbindung basieren, sparen Sprit. Und neue Laserlicht-Technologien, bei denen die Lichtstrahlen durch einen Phosphor-Leuchtstoff umgewandelt und mit hoher Präzision auf die Fahrbahn gerichtet werden, machen das Fahren in Dunkelheit noch sicherer. Die Chemie macht es möglich.
Das ist nicht zuletzt dem guten Zusammenhalt zu verdanken. Die Sozialpartnerschaft in der Chemie, also das Modell der Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ist einzigartig – innerhalb und außerhalb Deutschlands. Der beste Beweis: In der Chemie wurde vor 43 Jahren das letzte Mal gestreikt. Seitdem wurde Konfrontation durch Kooperation ersetzt. Interessenunterschiede werden dabei nicht verwischt. In erster Linie geht es aber immer darum, die gemeinsame Sache nach vorne zu bringen: den dauerhaften Erfolg der Branche. 2008 haben wir zum Beispiel als erste Branche in Deutschland ein Abkommen zu Lebensarbeitszeit und Demographie geschlossen. Mit Mechanismen wie Langzeitkonten und einem Demografie-Fonds werden Maßstäbe in der deutschen Wirtschaft gesetzt und die Weichen für Erfolg in einer alternden Gesellschaft gestellt. Unsere starke Sozialpartnerschaft ist gut für die Unternehmen, für die Mitarbeiter und für die Gesellschaft insgesamt.
Auch um Fragen rund um Klimaschutz und Energieversorgung der Zukunft zu beantworten, brauchen wir innovative Lösungen aus der Chemie. Ohne das hochreine Silizium oder faserverstärkte Kunststoffe kann es keine Solarzellen und keine Windräder geben. Ohne Chemie für innovative Speichersysteme fährt kein Elektroauto. Zusätzlich bietet die Chemie auch völlig neue Lösungen für die energetische Zukunft. So arbeitet die Forschung zurzeit unter anderem an der alternativen Nutzung von Flüssigkristallen, die bisher in Displays von Fernsehern, Smartphones oder Tablet-PCs eingesetzt werden. Es werden die ersten Fenster mit Flüssigkristallen entwickelt. Solche „Smart Windows“ können, je nach Sonneneinstrahlung und Temperatur, mehr oder weniger Sonnenenergie ins Haus lassen. Sie helfen im Sommer dabei, die Räume angenehm kühl zu halten und unterstützen im Winter das Heizen. Und das ohne Energieverbrauch. Das geht nur mit einer innovativ aufgestellten Chemieindustrie wie der deutschen.
Deutschland hat das Glück, über eine leistungsfähige Chemieindustrie zu verfügen. Sie ist für unser Land ein wichtiger Wirtschaftszweig und Rückgrat für industrielle Wertschöpfung, bietet gute Arbeit und erarbeitet Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft. Das Siegel „ohne Chemie“ ist also nicht nur irreführend, sondern absolut nicht erstrebenswert. Wir brauchen die Chemie für Wohlstand und eine lebenswerte Zukunft. Alles ist Chemie und ohne Chemie ist alles nichts – besonders in Deutschland.
Schnell erregten die Warnungen Aufmerksamkeit. Es bildeten sich sogar politische Initiativen, um DHMO zu verbieten. Allein: Es handelte sich bei der DHMO-Warnseite um einen wissenschaftlichen Scherz, um eine Parodie auf die Skandalisierung von chemischen Wirkstoffen durch die Medien. Dihydrogenmonoxid ist nichts anderes als H2O, also gewöhnliches Wasser. Die angegebenen Gefahren mussten aber nicht einmal erfunden werden, denn Wasser hat tatsächlich all diese dramatischen Eigenschaften. Und doch würden wir auf Wasser nicht verzichten wollen.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, welch irrationale Ängste selbst von alltäglichen Dingen ausgelöst werden können, wenn einem die Chemie nicht ganz geheuer ist. Und es zeigt auch, dass Chemie tatsächlich in allem ist.
Weder UNNATÜRLICH noch KÜNSTLICH
Wohin wir auch blicken: Alles ist Chemie. Wenn Sie sich die Hände waschen, nutzen Sie Natrium- oder Kaliumsalze in der Seife. Kochen Sie sich einen Pfefferminztee, dann setzen Sie auf die krampflösende Wirkung der ätherischen Öle ebenso wie auf die antimikrobielle und antivirale Wirkung der enthaltenen Flavonoide. Unsere Häuser werden durch Hartschaumplatten aus Polystyrol vor Kälte oder Wärme geschützt und sind dank Putz, Farbe, Lack und anderen chemischen Hilfsmitteln angenehm bewohnbar. Und sollten Sie einmal schwer krank werden, dann gibt es hochentwickelte pharmazeutische Produkte, um Ihnen zu helfen.Die Chemie gehört auf ganz grundlegende Art zu unserem Leben. Sie ist also weder etwas Unnatürliches noch etwas Künstliches. Trotzdem gilt der Zusatz „ohne Chemie“ als Gütesiegel in der Werbesprache – dabei ist es eine inhaltlose Phrase, die den Kunden an der Nase herumführen soll. Wovor sich Verbraucher eigentlich fürchten, sind schädliche Zusatzstoffe, die Gesundheit und Wohlbefinden beeinträchtigen können. Doch dies hat mit der Chemie selbst nichts zu tun. Chemische Produkte leisten zum Teil Erstaunliches, fördern unsere Gesundheit und erhöhen unseren Lebensstandard.
Besonders in Deutschland erbringt die Chemie Höchstleistungen. Mit nur einem Prozent der Weltbevölkerung erreichen wir acht Prozent der weltweiten Chemie-Bruttowertschöpfung. Oder anders ausgedrückt: Deutschland hat die höchste Pro-Kopf-Chemieproduktion der Welt und ist mit Abstand der größte Chemieproduzent in Europa. Deutschland ist also Chemie-Land. Zum Glück! Denn die Chemie steht hierzulande für eine starke Wirtschaftsleistung, gute Arbeit sowie Zukunftsinnovationen zur Lösung globaler Herausforderungen.
Die Chemische Industrie ist nicht nur die drittgrößte Industriebranche in unserem Land, sondern auch Voraussetzung für den Erfolg anderer Branchen. Wo wäre beispielsweise die Autoindustrie ohne synthetische Fasern, Lacke, Kunststoffe oder Hochleistungs-Kautschuk? Ohne die Produkte der Chemieindustrie würde keinAuto vom Band rollen, geschweige denn fahren. Dabei ist die Chemie nicht nur ein Zulieferer, sondern ein Innovationsmotor, der Entwicklungen möglich macht. Etwa wenn Stahlteile immer öfter durch Hightech-Kunststoffe ersetzt werden. Sie sind stabil, aber um 30 bis 50 Prozent leichter als Stahl und senken so den Kraftstoffverbrauch erheblich. Auch sogenannte grüne Reifen, die auf einer neuartigen Kautschuk-Molekülverbindung basieren, sparen Sprit. Und neue Laserlicht-Technologien, bei denen die Lichtstrahlen durch einen Phosphor-Leuchtstoff umgewandelt und mit hoher Präzision auf die Fahrbahn gerichtet werden, machen das Fahren in Dunkelheit noch sicherer. Die Chemie macht es möglich.
ATTRAKTIVE ARBEITSPLÄTZE
Doch die Chemie versorgt in Deutschland nicht nur andere Industriezweige. Sie bietet vielen Menschen attraktive Arbeitsplätze und ist ein Anker des sozialen Ausgleichs in unserer Gesellschaft. Mehr als 430.000 Menschen arbeiten in der Chemischen Industrie, weitere 500.000 bei Zulieferern oder Dienstleistern. Löhne und Gehälter in der Chemiebranche liegen rund 25 Prozent über dem Durchschnitt im verarbeitenden Gewerbe. Die meisten Arbeitsplätze in der Chemie sind zudem anspruchsvoll und verlangen hochqualifizierte Spezialisten. Selbst in der Wirtschaftskrise, als bei einigen Unternehmen der Gewinn um 30 Prozent einbrach, ging hier so gut wie kein Arbeitsplatz verloren.Wer in der Chemieindustrie arbeitet, ist also nicht nur finanziell überdurchschnittlich gut versorgt, sondern hat auch einen überdurchschnittlich sicheren Arbeitsplatz.Das ist nicht zuletzt dem guten Zusammenhalt zu verdanken. Die Sozialpartnerschaft in der Chemie, also das Modell der Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ist einzigartig – innerhalb und außerhalb Deutschlands. Der beste Beweis: In der Chemie wurde vor 43 Jahren das letzte Mal gestreikt. Seitdem wurde Konfrontation durch Kooperation ersetzt. Interessenunterschiede werden dabei nicht verwischt. In erster Linie geht es aber immer darum, die gemeinsame Sache nach vorne zu bringen: den dauerhaften Erfolg der Branche. 2008 haben wir zum Beispiel als erste Branche in Deutschland ein Abkommen zu Lebensarbeitszeit und Demographie geschlossen. Mit Mechanismen wie Langzeitkonten und einem Demografie-Fonds werden Maßstäbe in der deutschen Wirtschaft gesetzt und die Weichen für Erfolg in einer alternden Gesellschaft gestellt. Unsere starke Sozialpartnerschaft ist gut für die Unternehmen, für die Mitarbeiter und für die Gesellschaft insgesamt.
LÖSUNGEN FÜR DIE ZUKUNFT
Wir arbeiten ständig daran, auch in Zukunft ein verlässlicher Stabilitätsanker für Deutschland zu sein. Denn die Herausforderungen von morgen können nur mit der Chemie und ihren Produkten gemeistert werden. Im Jahr 2012 haben Chemie- und Pharmaunternehmen in Deutschland rund 5,3 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Das Ergebnis sind beispielsweise innovative Medikamente, von denen nicht nur Patienten in Deutschland profitieren. Für viele schwere Erkrankungen gibt es mittlerweile wirksame Therapien. Impfstoffe haben viele Krankheiten an den Rand unseres Gedächtnisses gedrängt und auch in Entwicklungsländern profitieren immer mehr Menschen von hochwirksamen Medikamenten. Diese Verbesserung von Lebensqualität für Menschen rund um den Globus ist nur durch Forschung möglich – und nur dank der Chemie.Auch um Fragen rund um Klimaschutz und Energieversorgung der Zukunft zu beantworten, brauchen wir innovative Lösungen aus der Chemie. Ohne das hochreine Silizium oder faserverstärkte Kunststoffe kann es keine Solarzellen und keine Windräder geben. Ohne Chemie für innovative Speichersysteme fährt kein Elektroauto. Zusätzlich bietet die Chemie auch völlig neue Lösungen für die energetische Zukunft. So arbeitet die Forschung zurzeit unter anderem an der alternativen Nutzung von Flüssigkristallen, die bisher in Displays von Fernsehern, Smartphones oder Tablet-PCs eingesetzt werden. Es werden die ersten Fenster mit Flüssigkristallen entwickelt. Solche „Smart Windows“ können, je nach Sonneneinstrahlung und Temperatur, mehr oder weniger Sonnenenergie ins Haus lassen. Sie helfen im Sommer dabei, die Räume angenehm kühl zu halten und unterstützen im Winter das Heizen. Und das ohne Energieverbrauch. Das geht nur mit einer innovativ aufgestellten Chemieindustrie wie der deutschen.
Deutschland hat das Glück, über eine leistungsfähige Chemieindustrie zu verfügen. Sie ist für unser Land ein wichtiger Wirtschaftszweig und Rückgrat für industrielle Wertschöpfung, bietet gute Arbeit und erarbeitet Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft. Das Siegel „ohne Chemie“ ist also nicht nur irreführend, sondern absolut nicht erstrebenswert. Wir brauchen die Chemie für Wohlstand und eine lebenswerte Zukunft. Alles ist Chemie und ohne Chemie ist alles nichts – besonders in Deutschland.
Dr. Karl-Ludwig Kley (RC Köln am Rhein) ist ein deutscher Manager. 2012 bis 2014 war er Präsident des Verbandes der chemischen Industrie (VCI) und Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Seit 2016 ist er Aufsichtsratsvorsitzender bei E.ON und seit September 2017 Aufsichtsratsvorsitzender bei Lufthansa. Zuletzt erschien „Deutschland braucht Chemie. Warum Wachstum und Wohlstand nur mit einer starken Chemieindustrie machbar sind.“ (Deutsche Verlags-Anstalt, 2014).