Viele Firmen zögern, ihre Mitarbeiter am Unternehmen zu beteiligen. Doch das Modell bietet Beschäftigten und Arbeitgebern Vorteile.
01.12.2016
Die Beteiligung von Mitarbeitern im und am Unternehmen hat in Deutschland eine lange Tradition. Schon 1847 beteiligte der Nationalökonom Johann Heinrich von Thünen die Arbeiter auf seinem Gut Tellow in Mecklenburg an dessen Erträgen, um neben der Kaufkraft und der Vermögensbildung der Mitarbeiter auch deren Engagement und Identifikation zu fördern.
1890 führte der Berliner Unternehmer Otto Lilienthal ein Modell zur Gewinnbeteiligung ein als Anreiz für effektive und qualitativ hochwertige Arbeit sowie zur Bindung der Belegschaft ans Unternehmen. Und Ernst Abbe verfolgte 1896 mit der Einführung einer Mitarbeiterbeteiligung bei den Optischen Werkstätten Carl Zeiss in Jena das Ziel, die Mitarbeiter fair am gemeinsamen Erfolg des Unternehmens zu beteiligen und gleichzeitig einen Teil der Löhne flexibler zu gestalten.
Deutschland – ein Schwellenland „Vermögensbildung, eine gleichmäßige Vermögensverteilung und die Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten am Erfolg und am Wachstum der Unternehmen sind ein zentraler Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland.“ Diese Passage stammt aus einem Referentenentwurf, den das Bundeswirtschaftsministerium Mitte der 50er Jahre verfasst hat. Hausherr war damals Ludwig Erhard, der Vater der Sozialen Marktwirtschaft.
Seit den 60er Jahren ist es Marktpraxis in Deutschland, dass börsennotierte Unternehmen ihren Mitarbeitern im Rahmen von Beteiligungsprogrammen in der Regel einmal jährlich die Möglichkeit anbieten, Aktien des Unternehmens zu reduzierten Börsenpreisen zu erwerben. Auch einige mittelständische Unternehmen unterbreiten ihren Mitarbeitern Offerten zur Kapitalbeteiligung am eigenen Arbeitgeber, meist in Form von stillen Beteiligungen oder Genussrechten, darunter einige Firmen schon seit mehreren Jahrzehnten.
Steuerliche Vorteile Aktuell bieten erst rund drei Prozent der deutschen Unternehmen ihren Mitarbeitern diese Form der Kapitalbeteiligung an. Das ähnelt im europäischen Vergleich dem Status eines Schwellenlandes, obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel unlängst feststellte: „Wir müssen die Einkommen der Arbeitnehmer stärker an die Entwicklung der Kapitaleinkünfte koppeln. Die Löhne haben sich in den letzten Jahren sehr moderat entwickelt, während die Gewinne aus Kapitaleinnahmen deutlich stärker gestiegen sind. Mit Investivlöhnen können Arbeitnehmer als Teil ihres Einkommens an der Entwicklung des Kapitals ihres Unternehmens teilhaben.“
Fakt ist, dass sich im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern und insbesondere zu den USA die Idee der aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligung nie auf breiter Front durchsetzen konnte – trotz guter Ansätze und eines hervorragenden wirtschaftlichen Umfelds in Deutschland. Rückblickend gab man hier der betrieblichen Mitbestimmung Mitte der 1970er Jahre den Vorzug vor der Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter.
Die Folgen sind bekannt: Die Vermögenskonzentration in Deutschland nahm bis heute Jahr für Jahr zu. Die Masse der Deutschen nahm und nimmt am wirtschaftlichen Erfolg der heimischen Industrie in Form von Kurssteigerungen und Dividendenzahlungen nicht teil. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn bilden die Deutschen nur wenig Vermögen und legen ihr Geld bevorzugt in wenig rentierlichen Spareinlagen an. Diese Anlageformen leiden im Vergleich zu Beteiligungen am Kapital der erfolgreichen Unternehmen unter einem klaren Renditenachteil, der durch die Niedrig- und Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank noch weiter verstärkt wird.
Es fehlt in Deutschland an einer Aktien- und Beteiligungskultur, die die Vermögensbildung der Arbeitnehmer und damit auch die Bildung von Kapital zur Altersvorsorge nachhaltig stärkt. Zu dieser Entwicklung hat nicht zuletzt auch die Politik beigetragen.
Im internationalen Vergleich steht Deutschland bei der Verbreitung der Mitarbeiterbeteiligung nicht gut da. Das gilt auch im Hinblick auf die Vermögensbildung und -verteilung. Nur etwa 800.000 Beschäftigte sind gleichzeitig Belegschaftsaktionäre in Deutschland. In Frankreich sind es rund 3,3 Millionen und in Großbritannien circa 2,2 Millionen Arbeitnehmer. Zudem fällt die steuerliche Förderung in Deutschland deutlich geringer aus als in unseren Nachbarstaaten. Beträgt der Freibetrag hierzulande nur 360 Euro, liegt er etwa in Österreich bei 3000 Euro. In Frankreich und Großbritannien bewegen sich die steuerlichen Vorteile für bestimmte Beteiligungsmodelle in ähnlicher Höhe.
Engere Bindung ans Unternehmen Unabhängig davon, ob eine Aktiengesellschaft ein Programm für Belegschaftsaktien auflegt oder eine mittelständische GmbH ihren Mitarbeitern Genussrechte mit einer erfolgsabhängigen Verzinsung anbietet, sind die Vorteile vielfältig und potenzieren sich mit zunehmender Laufzeit einer Mitarbeiterbeteiligung.
Nicht nur die Bindung der Beschäftigten an ihren Arbeitgeber wird im Laufe der Zeit enger, auch die Zufriedenheit wächst deutlich. Meist geht die Einführung eines Programms zur Mitarbeiterbeteiligung mit der Sensibilisierung der Belegschaft für einfache betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Umsatz oder Betriebsergebnis einher und damit für den Erfolg des Unternehmens. Bei Aktiengesellschaften geschieht dies durch die Ausgabe von Aktien an die Mitarbeiter, denn der Aktienkurs ist in der Regel ein Indikator für den Erfolg des Unternehmens.
Die Modelle Belegschaftsaktien Mitarbeiter dürfen auf der Hauptversammlung abstimmen (ausgenommen Vorzugsaktien), erhalten Dividende. GmbH-Anteile Mitarbeiter sind stimmberechtigte Gesellschafter. Stille Beteiligung Mitarbeiter sind am Gewinn beteiligt, haben aber keine Mitsprachrechte. Genussschein Mitarbeiter können an Gewinn und Verlust beteiligt werden. Mitarbeiterdarlehen Mitarbeiter überlassen dem Unternehmen Beteiligungskapital.
Weitere Informationen: Bundesarbeitsministerium (bmas.de)
Auch bei anderen Unternehmensformen gibt es vielfältige Möglichkeiten, den ökonomischen Erfolg in die Mitarbeiterbeteiligung zu integrieren. Beispielsweise kann die Höhe der jährlichen Ausschüttung von Genussrechten an betriebswirtschaftliche Kennzahlen gekoppelt werden, oder das Unternehmen richtet die Höhe der unentgeltlich den Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Unternehmensanteile danach.
Die Beteiligung der Mitarbeiter als zusätzliche Vergütung trägt dazu bei, das Unternehmensimage zu verbessern und damit die Chancen zu erhöhen, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Das spielt vor allem bei Unternehmen eine große Rolle, die in der Provinz sitzen und um jeden qualifizierten Universitätsabsolventen intensiv werben müssen.
Leistung fördern Je nach Beteiligungsform generiert ein Unternehmen mit der Auflegung einer Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter Liquidität und kann so eine höhere Flexibilität gegenüber Fremdfinanzierungen erreichen.
Bei Aktiengesellschaften kommt ein weiterer Vorteil hinzu: Mitarbeiter werden im Laufe der Zeit zu wichtigen Ankeraktionären und sind damit auf der Hauptversammlung ein relevanter Stimmenfaktor bei der Durchsetzung von Beschlüssen.
Seit Amtsantritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel Im November 2005 versucht die Politik mal mehr, mal weniger engagiert, Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland voranzubringen. Das daraus resultierende Gesetz zur Kapitalbeteiligung von Mitarbeiterns trat am 1. Januar 2009 in Kraft und hat einen größeren Anreiz geschaffen, denn der Steuerfreibetrag stieg auf 360 Euro je Mitarbeiter und Jahr. Der Gedanke, ein Programm für Mitarbeiter einzuführen, geht häufig mit einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur einher und mit dem Ziel, eine positive Leistungskultur zu fördern. Gerade in mittelständischen Unternehmen spielt dies eine große Rolle. In Aktiengesellschaften sind Faktoren des Shareholder Value und die Stimmenmehrheit relevant.
Unabhängig von der Größe und Rechtsform eines Unternehmens stehen zu Beginn immer die gleichen Fragen, die bei der Planung einer Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter zu beachten sind:
• Welchen Mehrwert bringt eine Mitarbeiterbeteiligung für ein Unternehmen? • Welcher Aufwand steht dem entgegen? • Welche Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung lässt die Rechtsform des Unternehmens zu? • Welche Steuervorteile können beansprucht werden? • Welche bilanziellen Folgen hat die Auflegung einer Mitarbeiterbeteiligung? • Welche rechtlichen Vorteile sind nutzbar? • Kann das Unternehmen eine Mitarbeiterbeteiligung als Finanzierungsinstrument nutzen? • Wie häufig sollte Mitarbeitern eine Beteiligung angeboten werden? • Ist es sinnvoll, ein Programm zur Beteiligung der Mitarbeiter international anzubieten? • Können Mitarbeiter ausländischer Tochtergesellschaften in das gleiche nationale Beteiligungsprogramm eingebunden werden? • Wie sieht der Zeitplan für die Implementierung des Programms aus? • Wie sind die Gremien im Unternehmen einzubeziehen, und kann mit der Unterstützung der Arbeitnehmervertreter gerechnet werden? • Wie umfangreich sollte im Unternehmen über solch ein Programm vor dessen Einführung informiert werden?
An der Fülle der Fragen ist erkennbar, dass ein Unternehmen zu Beginn abwägen sollte, wo die Prioritäten liegen. Dies ist Voraussetzung für eine klare Definition der Gestaltung, die beispielsweise Art und Ansprüche der Arbeitnehmer regeln sowie die konkreten Teilnahmebedingungen. Empfehlenswert ist es, gegebenenfalls frühzeitig externe Kompetenzen für die Implementierung des Programms und die nachhaltige Administration einzubeziehen. Das hilft, Kosten zu minimieren und Aufwand aus dem Unternehmen auszulagern.
Interessante Vergütung Fazit: Mitarbeiterbeteiligung bindet Mitarbeiter an das Unternehmen, stärkt das Eigenkapital und wird in Deutschland steuerlich gefördert. Zudem ist für Unternehmen neben Themen wie betrieblicher Altersvorsorge und Entgeltumwandlung in Altersvorsorgeprodukte die Mitarbeiterbeteiligung ein interessanter zusätzlicher Vergütungsbaustein. Es wäre für Deutschland ein wichtiger und zugleich der richtige Schritt für mehr Teilhabe und mehr Miteigentum, wenn das Thema wie zuletzt 2009 wieder auf die politische und mediale Agenda käme.
Doris Kempny-Weber ist bei der Commerzbank für die Beratung und Administration von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen verantwortlich. Außerdem sitzt sie im Vorstand des Bundesverbandes Mitarbeiterbeteiligung. agpev.de