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Spezial Finanzen

Wohin mit dem Geld?

Spezial Finanzen - Wohin mit dem Geld?
© Bild: Larry Washburn

Kapitalanlage in Zeiten der Null-Zins-Politik der Euro­päischen Zentralbank

Thomas Kurze01.10.2016

Seit rund acht Jahren stellt die Europäische Zentralbank (EZB) den Euro-Krisenländern in riesigem Umfang öffentliches Kapital zur Verfügung. Spätestens seit 2009 wissen wir, dass Südeuropa unter massiver Überschuldung und strukturellen Wettbewerbsproblemen leidet. Der Weg zur Transfer- und Schuldenunion ist unumkehrbar, wenn im EZB-Rat zum Beispiel Malta ein Stimmgewicht hat, das 84 Mal so groß ist wie das deutsche. Die Nullzins-Politik der EZB drückte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe von zwei Prozent zum Jahresanfang 2014 auf jetzt null Prozent. Somit sind Verluste bei Investments in länger laufende Bundesanleihen programmiert.

Der Bund muss für Kreditaufnahmen mit zehnjähriger Laufzeit keine Zinsen mehr zahlen. Heute haben mehr als die Hälfte aller Staatsanleihen im Euro-Raum negative Renditen.

In einer Welt ohne Zins wird der Sparer enteignet, und der Plan für seine Altersvorsorge geht nicht mehr auf. Die größte Umverteilung der Geschichte werden die Anleger sehen, wenn die Folgen dieser Politik sich im Portemonnaie dokumentieren (wenn nämlich ihre Rentenzahlung beginnt).

hohe quote in blue chips
Angesichts dieser Kapitalmarktlage halten deutsche Privathaushalte Mitte 2016 noch 141 Milliarden Euro ihres Geldvermögens in bar. Insgesamt 1,1 Billionen Euro liegen auf Girokonten unverzinst (und 2015 hat sich die Summe auf den Tagesgeldkonten der Deutschen vervierfacht).

Welche Kapitalanlagen sind in der Lage zu empfehlen?
Meine Empfehlungen gliedern sich je nach gegebenem Gesamtvermögen auf:

  • in Immobilien wie selbst genutzte oder vermietete Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen,
  • 10 Prozent des Gesamtvermögens in Gold
  • 5 Prozent in den Indexfonds DB x-trackers Select Frontier
  • 5 Prozent in den HSBC Global Investment Funds Frontier Markets
  • sowie insgesamt 70 bis 80 Prozent des liquiden Vermögens in europäische und US-Aktien erster Bonität.

Warum eine solche Aufteilung?
Immobilien in bevorzugten Lagen der Ballungsgebiete: Die Bundesbank konstatiert, dass die Immobilienpreise in Deutschland kräftig gestiegen sind, und der Preisauftrieb seit 2016 regional breiter angelegt ist. Hier ist beruhigend, dass der Kreditanteil am Immobilien-Kaufpreis in Deutschland nur durchschnittlich 71,7 Prozent beträgt.

Für eine Immobilienfinanzierung empfehle ich nachdrücklich, zwei Finanzierungsangebote mit 15- oder 20-jähriger Zinsfestschreibung einzuholen: vom Kreditvermittler Interhyp, einer Tochter des Finanzdienstleisters ING Group, und vom Finanzvertrieb Dr. Klein, einer Tochter des Berliner Finanzdienstleisters Hypoport. Es empfiehlt sich, eine Tilgung von 3 bis 4 Prozent und auch die Möglichkeit von Sondertilgungen zu vereinbaren.

Gold erfüllt unverändert seine Funktion zur Absicherung von Portfolios in Krisenzeiten. Seit Jahresbeginn 2016 hat der Goldpreis um 27 Prozent zugelegt. Die Lagerkosten für Gold betragen nur 0,1 Prozent jährlich. Wer Gold nicht physisch kaufen will zur Lagerung im Tresor, kauft ein Zertifikat, das mit Gold hinterlegt ist.

Zurzeit gibt es keine klaren Hinweise auf eine baldige Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank und schon gar nicht seitens der EZB. Auch älteren Rotarierinnen und Rotariern empfehle ich eine hohe Quote in europäische und amerikanische Blue Chips, also in umsatzstarke Aktien großer Unternehmen.

Anlagen von 70 bis 80 Prozent des liquiden Vermögens sollten ergänzt werden um zwei Fonds für die Schwellenländer und die Frontier Markets. Der Begriff Frontier Markets steht für Länder, die ein höheres politisches Risiko aufweisen, deren Wirtschaft noch nicht so weit entwickelt ist wie die von Schwellenländern, aber ein hohes Wachstumspotenzial verheißt. Hier empfehle ich, je 5 Prozent des Vermögens wegen der geringen Korrelation zu den Aktienmärkten der Industrieländer anzulegen: - in den Indexfonds DB x-trackers S + P Select Frontier Ucits ETF 1c, der im Drei-Jahres-Zeitraum einen Wertzuwachs von 5 Prozent jährlich erzielte, bei einer Gesamtkostenquote von 0,95 Prozent sowie - in den von C. Turner betreuten HSBC Global Investment Funds-Frontier Markets Class ID. Bei einer Gesamtkostenquote von 1,55 Prozent erzielte Turner über drei Jahre einen Ertrag von 7,4 Prozent jährlich mit Investments in Asien und im Nahen Osten.

Sehr nachdrücklich rate ich, die Aktienquote für europäische und US-amerikanische First-Class-Aktien auf 70 bis 80 Prozent aufzustocken, solange die Null-Zins-Politik der EZB andauert. Aber bitte keine Bankaktien im Depot belassen und zum Beispiel Credit Suisse oder Deutsche Bank selbst bei stark gedrückten Kursen nicht kaufen.

Neun Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise hat die Weltwirtschaft noch nicht zu einem dynamischen Wachstum gefunden. Große Herausforderungen warten auf die Kapitalanlagen.

Ich empfehle in Deutschland/Europa folgende, häufig dividendenstarke Blue Chips, bei denen auch die Perspektive stimmt.

Folgende Aktien mit hoher Dividendenausschüttung im Dax sind zu empfehlen: Daimler (mit einer Dividendenrendite von 5,2 Prozent), Allianz (mit 5,5 Prozent) und Münchner Rück (mit 5,1 Prozent) sowie potenzialstarke Werte wie Continental (mit 2 Prozent), Henkel-Vorzüge (mit 1,3 Prozent), Fresenius Medical Care (mit 1 Prozent) und SAP (mit 1,5 Prozent), ferner die im TecDax notierte kleine Software-Ausnahme-Aktie Nemetschek (mit 1 Prozent). Seit 1965 hat der Dax in 80 Prozent aller Fünf-Jahres-Zeiträume mit Gewinn abgeschlossen.

aufholjagd der IT-werte
In Europa rate ich zu folgenden Werten im Depot: den französischen Mode-Hersteller Hermes; Inditex, die spanische Holding der Modekette Zara; den dänischen Weltmarktführer für Diabetes-Pharmazie Novo Nordisk; den Schweizer Nahrungsmittel-Riesen Nestlé; das spanische Telekommunikationsunternehmen Telefonica, bekannt durch die Marke O2 ; den Schweizer Pharmakonzern Roche; den Schweizer Hörgeräte-Hersteller Sonova und den Schweizer Rohstoffhändler Glencore. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zeigt in Deutschland und Europa ein niedrigeres Bewertungsniveau als an den US-Börsen. In den USA kletterte der S+P 500, der Index der 500 wichtigsten börsennotierten US-Unternehmen, im Juli 2016, dem achten Jahr des Aufschwungs, auf ein Rekordhoch. Der Markt ist der Überzeugung, dass die amerikanische Wirtschaft zwar nicht
dynamisch, aber nachhaltig wächst.

Hier empfehle ich folgende US-amerikanischen Werte: Amazon (Technologie), Apple (Technologie), Alphabet/Google (Technologie), Pfizer (Pharma), Disney (Unterhaltung), United Health (Gesundheitssysteme) und Verizon (Telekommunikation).

Die Aufholjagd der Technologieaktien an der Wall Street ist meines Erachtens noch nicht zu Ende. Die gestiegene Risikobereitschaft, aber auch wachsendes Vertrauen der Anleger in das amerikanische Wirtschaftswachstum ist zu konstatieren. Dies stärkt mich in dem Glauben, dass die Informationstechnologie für Unternehmen und Verbraucher künftig noch wichtiger wird.

Thomas Kurze
Dr. Thomas Kurze (RC Berlin- Brandenburger Tor) war Partner der Böhm-Kurze-Zumbrink-Vermögensverwaltung in Berlin. Zuvor war er Direktor der Deutschen Bank in Frankfurt und Vorstand der Landesbank Berlin.

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