Neues aus Bröckedde - Folge 62
Der rotarische Kalender
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Die Freunde im RC Bröckedde waren viel beschäftigt. Jeder von ihnen hatte sein eigenes, ausgefeiltes System, um angesichts der Unzahl der Termine die Übersicht zu bewahren. Einige schleppten Terminkalender groß wie Telefonbücher mit sich, andere bevorzugten schmale, elegante Leporellos. Club-Exzentriker Dr. Krümelein verzichtete allerdings auf einen Terminplaner: „Für Wichtiges mache ich mir einen Knoten ins Taschentuch.“
Keinen Terminkalender hatte auch Freund Munzinger. Das Leben des Topmanagers war im Viertelstundentakt strukturiert, er hatte immer jemanden um sich, der ihm sagte, was anstand. Das ging schon morgens los, wenn ihn die Chefsekretärin telefonisch weckte: „Es ist sieben Uhr, bitte aufstehen und ins Bad. Dann Gymnastik, Spiegel online gucken, dann Müsli und Kaffee, um acht Uhr kommt der Fahrer.“ Das war schon sehr exklusiv.
Noch exklusiver war aber die AK-Runde (Alte Knaben) im RC Bröckedde, die sich aus der heroischen Gründungsphase des Clubs kannte. Ausschließlich für die zwölf Alten Knaben fertigte Kassierer Knödler jedes Jahr in liebevoller Handarbeit einen Kalender, der auch alle Termine des rotarischen Jahres enthielt.
Der Kalender war heiß begehrt und das Murren unter den Normalrotariern wurde Jahr um Jahr größer. „Wir wollen auch einen“, hieß es unisono. „Was tun?“, fragte Präsident Pröpcke im Vorstand. PR-Spezialist Ullensbach schlug vor: „Wir machen einen ganz professionellen Rotary-Kalender.“
„Für alle 80 Mitglieder?“
„Nein, für alle Clubs in ganz Deutschland.“
Der Kalender wurde ein Knüller. Besonderen Anklang fanden seine Türchen à la Adventskalender für jeden Monat. Zum Mai beispielsweise fand sich hinter dem Türchen eine Präsenzbestätigung, zum September ein USB-Stick mit einem Allzweck-Vortrag.
Es gab eine Standardversion des Kalenders, dazu eine „E-Ausgabe“ für Smartphone und PC sowie eine Audio-Version. Die Variante „Fun“ für Jungrotarier verzichtete auf Text, brachte Comics statt Fotos und hatte eine integrierte Spielekonsole. Die teure „President’s Selection“ war per Hand gesetzt, auf handgeschöpftem Papier gedruckt, mit einem Rahmen aus gehämmertem Silber, umhüllt von einer edlen Lederschatulle. Letztere erwarb Munzingers treue Sekretärin, die jeweils zum Monatsersten ihren Anruf änderte: „Es ist sieben Uhr, bitte aufstehen und ins Bad. Dann Gymnastik, Spiegel online gucken, Müsli und Kaffee. Im Rotary-Kalender Türchen öffnen – es gibt ganz was Feines.“
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