Distrikt 1820
Berufsinformationstag: Leuchtturmprojekt oder Auslaufmodell?
Distrikt-Reporter Christian Kaiser im Gespräch mit dem Berufsdienst-Distriktbeauftragten Wolfgang Engelhardt und dem Leiter des Servicebereichs Berufsinformation/Berufsinformationstag Harald Schaeff
Kaiser: Freund Engelhardt, Sie engagieren sich im Distrikt-Beirat für den Berufsdienst. Was sind Ihre Ziele?
Engelhardt: Unsere Ziele sind es, jungen Menschen Chancen zu eröffnen, Orientierung zu geben und Hilfestellung zu leisten, sich persönlich und insbesondere beruflich zu entwickeln. Das ist eine Kernkompetenz aller Rotarier und Rotarierinnen. Sie basiert auf unserer beruflichen Erfahrung und Vernetzung. Dabei gilt der Entwicklung der Persönlichkeit der von uns geförderten Menschen unser besonderes Augenmerk.
Kaiser: Und wie wird das organisiert, wie wollen Sie die Ziele erreichen?
Engelhardt: Wichtig ist, dass bei Rotary alles über die einzelnen Clubs läuft. Sie sind die wichtigen Aktionseinheiten und sind, lassen Sie es mich so sagen, weitgehend autonom. Seitens des Distrikts geben wir nur Informationen, Anregungen, Hilfestellungen, greifen zum Beispiel interessante Projekte eines Clubs auf und machen sie anderen Clubs bekannt.
Kaiser: Freund Schaeff, mit dem Servicebereich Berufsinformation/Berufsinformationstag sind Sie für einen zentralen Bereich des Berufsdienstes zuständig.
Schaeff: Für viele Jugendliche stellt die Berufswahl ein großes Problem dar. Die hohe Quote von Ausbildungs- bzw. Studienabbrechern über 25 Prozent zeigt, dass am Ende oft falsche Entscheidungen getroffen werden. Hier wollen wir helfen.
Kaiser: Freund Engelhardt, Sie hatten sich in früheren Jahren auch direkt für die Berufsinformation engagiert. Was waren Ihre Erfahrungen?
Engelhardt: Die Berufsinformation, insbesondere der jährliche Berufsinformationstag, bei den meisten Clubs am zweiten Dienstag im November, ist seit vielen Jahren ein Erfolgsmodell. Die Berufsinformation wird seit über 25 Jahren durchgeführt. Fasst man die Aktivitäten aller Clubs zusammen, ist sie eines der größten Projekte unseres Distrikts. 2017 nahmen 5.790 Schüler und 861 Berater teil, veranstaltet von 47 Clubs. Die Frage, die sich heute stellt, ist die nach der weiteren Fortführung des Berufsinformationstags. Auf der einen Seite können die Clubs auf eingespielte Abläufe zurückgreifen. Vieles hat sich entwickelt und wurde optimiert, das heißt der Berufsinformationstag "steht". Auf der anderen Seite hat sich das Umfeld durch anderweitige Berufsberatung in den letzten Jahren wesentlich verändert.
Kaiser: Welche Veränderungen meinen Sie?
Engelhardt: Für Schüler gibt es heute viele Gelegenheiten, sich über mögliche Berufe zu informieren, neben schulischen Angeboten zum Beispiel auf Veranstaltungen von Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer, Bundesagentur für Arbeit und auf von verschiedenen Veranstaltern durchgeführten Messen für Aus- und Weiterbildung.
Schaeff: Ja, das sehe ich auch so. Für die Schüler gibt es eine Vielzahl von Informationsmöglichkeiten. Die Frage ist daher, ob wir seitens Rotary zusätzliche, ergänzende Informationen vermitteln, die berufliche Entwicklung in den verschiedenen Berufsfeldern aus einer anderen Perspektive aufzeigen können. Das ist definitiv so. Bei Rotary stehen erfahrene Praktiker, Führungskräfte in ihrem Beruf, den Schülern auf Augenhöhe Rede und Antwort. Sie berichten, wie sie es in ihre Position geschafft haben, auf was es in der Ausbildung, im Studium und in ihrem beruflichen Werdegang ankam, welche Möglichkeiten ihnen der Beruf bietet, aber auch welche Anforderungen er an sie stellt. Es geht also neben einer Beratung hinsichtlich potentieller Ausbildungsmöglichkeiten um eine Vermittlung von Perspektiven und wertvollen Hinweisen, einen eigenen Weg erfolgreich einschlagen zu können.
Kaiser: Dies bedeutet dann, dass der Berufsinformationstag in der bisherigen Weise weitergeführt werden soll?
Schaeff: Ja und Nein! Im letzten Jahr hat die Teilnahme am Berufsinformationstag nachgelassen, es waren nach abschließenden Auswertungen insgesamt 3750 Schüler und 507 Berater; 43 Clubs waren beteiligt. Dies zeigt, der Berufsinformationstag kommt nicht überall gut an. Auf der anderen Seite haben wir von vielen Clubs begeisterte Berichte über ihre Veranstaltung bekommen. Unsere Empfehlung ist daher, den Berufsinformationstag am zweiten Dienstag im November bei allen Clubs, bei denen er gut läuft, in der bisherigen Form beizubehalten, also mit dem Kern der direkten Beratung von Schülern im Gespräch mit den Beratern.
Daneben können auch andere Formen erprobt werden, wie es von einigen Clubs auch schon getan wird: Zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe zu verschiedenen Berufsfeldern an verschiedenen Tagen, jeweils mit Impulsreferat und anschließenden Einzel- beziehungsweise Gruppengesprächen, Veranstaltungen mit einzelnen Arbeitgebern zu all den Berufen, die dort jeweils gelernt werden können.
Engelhardt: Die Rotary Berufsinformation ist kein Auslaufmodell. Sie gibt Schülern Informationen, die sie nur dort bekommen. Ein allgemeiner Rotary-Berufsinformationstag hat sich bewährt. Bei den Planungen ist aber selbstverständlich auf lokale Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen.
Kaiser: Vielen Dank für das Gespräch.
Christian Kaiser wurde 1942 in Hessen geboren, machte Abitur in Hanau. Studium der Agrarwissenschaften in Göttingen und Bonn mit Promotion. Pächter der Hessischen Staatsdomäne Kinzigheimerhof bis 2004. Öbuv. Sachverständiger. Verheiratet, zwei Kinder. Seit 1981 im RC Hanau. Präsident 1999/2000, PHF+3. 2011 bis 2021 war er Distriktberichterstatter für D 1820.
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