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Distrikt 1820

Auf die ersten zehn Minuten kommt es an

Distrikt 1820 - Auf die ersten zehn Minuten kommt es an
Übung mit Trainingspuppe © Distrikt 1820

Beim „Kids Save Lives“-Event trainierten 300 Schüler, wie bei einem plötzlichen Herzkreislauf-Stillstand schnell zu helfen ist.

Christian Kaiser23.10.2024

Reglos liegt der Mann am Boden. Drei Schüler der Dreieicher Weibelfeldschule haben es bemerkt und kümmern sich um ihn: Estrella spricht ihn an. Der Mann zeigt keine Reaktion und atmet nicht mehr. Alles deutet auf einen plötzlichen Herzkreislauf-Stillstand hin. Jetzt ist schnelles Handeln gefragt: Estrella legt ihre Hände in die Mitte des Brustkorbs, zwischen die Brustwarzen, und beginnt mit der Herzdruckmassage, 100 bis 120 Mal in der Minute. Ohne Hilfe würde das Gehirn nach drei bis fünf Minuten wegen Sauerstoffmangels abzusterben beginnen. Marlon macht sich auf die Suche nach einem automatisierten externen Defibrillator (AED).

Dorian wählt auf seinem Handy die Notrufnummer 112 und verständigt den Rettungsdienst. Marlon kommt mit einem AED zurück und befestigt die beiden Elektroden an den angezeigten Stellen am Körper des Mannes. Dann nehmen die Helfer ihre Hände vom Patienten. Der Defibrillator analysiert den Zustand des Mannes und gibt, falls erforderlich, einen elektrischen Schock ab, damit das Herz wieder normal schlägt. Zu überbrücken sind zehn Minuten: In dieser Zeit sollte der Rettungsdienst eintreffen und die weitere Versorgung übernehmen.

"Prüfen. Rufen. Drücken" – darum geht es beim plötzlichen Herzkreislauf-Stillstand. Dr. Michael Schütz beobachtet Estrella, Marlon und Dorian genau und gibt immer wieder Hinweise, was zu tun ist. Dem Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Asklepios Klinik Langen entgeht nicht, wenn zu langsam, zu schnell oder nicht tief genug gedrückt wird. Diesmal war der durchgespielte Notfall glücklicherweise nur eine Übung an einer lebensechten Puppe. Als Intensiv- und Notfallmediziner, sagte Schütz habe er "das Thema Reanimation mit im Blut". In der Klinik behandele er oft reanimierte Patienten, darunter auch solche, die zu spät wiederbelebt wurden und bleibende Schäden davontrugen oder sterben. Auch mit der Herz-Lungen-Maschine könne man oft nichts mehr erreichen, "wenn in den ersten zehn Minuten nichts passiert ist".

20 Schulen aus ganz Hessen und Aschaffenburg waren mit rund 300 Schülern von zwölf Jahren an in die Neue Stadthalle Langen gekommen, um am ersten Langener "Kids Save Lives"-Event teilzunehmen. Schütz und weitere Tutoren der Asklepios-Klinik Langen leiteten die praktischen Übungen samt Einsatz des AED an Puppen an.

Der Rotary Club Offenbach-Dreieich war Veranstalter und wurde dabei von der Kinderhilfestiftung und der Asklepios-Klinik Langen unterstützt.

Die Überlebenschancen für Menschen, die einen Herzstillstand außerhalb einer medizinischen Einrichtung erleiden, liegen in Deutschland bei nur zehn Prozent. In anderen Ländern, in denen Schüler vom zwölften Lebensjahr an jährlich unterrichtet werden, wie in solchen Fällen geholfen werden kann, gelingt es, 60 bis 80 Prozent der Patienten zu reanimieren. Dies ließ Professor Dr. Dr. Ernst Hanisch aus Rodgau nicht ruhen: Der frühere Ärztliche Direktor und Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thorax-Chirurgie der Asklepios-Klinik Langen ist Mitglied des Rotary Clubs Offenbach-Dreieich und seit Juli zudem Governor des Rotary-Distrikts 1820. In diesem Amt möchte er "ein nachhaltiges Programm wie das 'Kids Save Lives'-Event etabliert haben" und möglichst viele Schulen dafür gewinnen.

2015 wurde das Projekt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen. Es zählt auch zu den wichtigsten Vorhaben zur Reanimationsausbildung des Deutschen Rates für Wiederbelebung, der Fachgesellschaft für Reanimation in Deutschland. Professor Dr. Bernd Böttiger, Vorstand des Deutschen Rates für Wiederbelebung, erläuterte den Teilnehmern der Veranstaltung das Projekt "Kids Save Lives".

Thilo von Gahlen, Lehrer für Biologie und Mathematik sowie Koordinator der Laienreanimation an der Gesamtschule Hennef-Meiersheide, berichtete von den dortigen Erfahrungen: Dort war vor etlichen Jahren ein Schüler plötzlich zusammengebrochen; eine Schulsanitäterin habe ihn erfolgreich reanimieren können. Der Vorfall habe an der Schule das Augenmerk auf die Reanimationsthematik gelenkt. Von Gahlen war vorher im Rettungsdienst tätig. Seine Praxiskenntnisse von dort brachte er an der Schule ein und etablierte gemeinsam mit der Schulleitung die Konzepte für "Kids Save Lives". So etwas sei an jeder Schule möglich, sagte er.

Das erste Langener "Kids Save Lives"-Event sei ein voller Erfolg, resümierte Hanisch. Die Veranstaltung habe "Chancen, dass sie wiederholt und nachhaltig implementiert wird". Die Rettungsdienste kämen bei plötzlichem Herzkreislauf-Stillstand häufig nicht rechtzeitig zum Patienten, machte Hanisch deutlich, der selbst Notarzteinsätze fährt. "Wenn dann nicht schon von Laien gedrückt worden ist, ist es in der Regel zu spät." Dr. Jörg Rahmig, Präsident des 40 Mitglieder zählenden Rotary Clubs Offenbach-Dreieich und ebenfalls Mediziner, sagte, die gute Resonanz "spornt für die Zukunft an". Die Mitglieder der Schulsanitätsdienste würden "zu Ausbildern ausgebildet": Ihre erworbenen Reanimationskenntnisse sollen sie anschließend an die anderen Schüler weitergeben. Zum Üben bekommt jede teilnehmende Schule zeitnahe je zehn Trainingspuppen und zehn Trainingsdefibrillatoren geliefert. Finanziert werden sie vom Rotary Club Offenbach-Dreieich, der Kinderhilfestiftung, der Asklepios-Klinik Langen, der Stiftung "Miteinander Leben" des Kreises Offenbach, dem Autohaus Braas, dem Rotary e-Club Rhein-Main-International. Landtags-Vizepräsidentin Angela Dorn (Grüne) würdigte das Projekt "Kids Save Lives" in Vertretung von Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU), der Schirmherrin des Langener Events.

Christian Kaiser

Christian Kaiser wurde 1942 in Hessen geboren, machte Abitur in Hanau. Studium der Agrarwissenschaften in Göttingen und Bonn mit Promotion. Pächter der Hessischen Staatsdomäne Kinzigheimerhof bis 2004. Öbuv. Sachverständiger. Verheiratet, zwei Kinder. Seit 1981 im RC Hanau. Präsident 1999/2000, PHF+3. 2011 bis 2021 war er Distriktberichterstatter für D 1820.