Bosnien
Europas Grenzfälle
Rotarier lindern die Not Geflüchteter vor den Grenzzäunen der EU.
Sie leben außerhalb der überfüllten Flüchtlingslager in fensterlosen Häusern, auf Wiesen und Feldern oder im Wald. Sie campieren in durchnässten Zelten, in Matsch und Kälte. Sie haben kaum wärmende Kleidung und hungern. Viele von ihnen sind krank. Sie werden von gewalttätigen Grenzern geschlagen und beraubt. Das beschreibt die Situation, in der sich Kinder, Frauen und Männer teils seit Monaten und Jahren befinden. Die Geflüchteten wollen nach Europa. Die kroatische Grenze ist nahe, doch die EU schottet sich ab. Die Europäer erwarten, dass die Bosnier sich kümmern, schließlich hat dafür die Europäische Union seit 2018 nach eigenen Angaben mehr als 88 Millionen Euro direkt an Bosnien-Herzegowina oder Partnerorganisationen gezahlt. "Wir können – egal was politisch gerade getan oder nicht getan wird und was davon ankommt – die Menschen in ihrer Not nicht allein lassen, sondern müssen in dieser humanitären Katastrophe erste Hilfe leisten", so Governor Daniela Singer. Sie hat diese Hilfe zu ihrem Projekt gemacht, und sie hat Mitstreiter aus dem Distrikt 1950 zur Seite. Einer von ihnen ist Bernd Koob vom RC Gera. Er kennt Bosnien-Herzegowina, war als SFOR Offizier 1998/99 verantwortlich für die Aufnahme von Kriegsschäden. Nach seiner Rückkehr hielt er die Kontakte in den Balkan und engagierte sich sozial, gründete die Lebenshilfe Gorazde. So baute er mit rotarischer Hilfe zum Beispiel eine Werkstatt für behinderte Menschen auf.
Vorsprache in Sarajewo
Das Leid der Familien, die vor der europäischen Grenze festsitzen, hat Bernd Koob, nach einem fünftägigen Vor-Ort-Besuch zusammen mit Daniela Singer und Dr. Rüdiger Götz vom RC Uffenheim, dazu bewogen, beim Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina Christian Schmidt in Sarajevo vorzusprechen. Die Rotarier erläuterten geplante rotarische Maßnahmen, um die Not zu lindern. Dazu gehört der Aufbau einer Wäscherei. Saubere und trockene Kleidung soll helfen, Krankheiten vorzubeugen. Außerdem schafft die Wäscherei Arbeitsplätze für die Einheimischen. Die Rotarier schilderten nach ihrer Exkursion dem Hohen Repräsentanten Christian Schmidt ausführlich auch die wahrgenommene Situation vor Ort und die Eindrücke nach vielen Gesprächen:
Vielen Geflüchteten seien die Pässe verloren gegangen oder abgenommen worden. Die Kinder sind ohne Bildung, mehrere seit bis zu sieben Jahren auf der Flucht. Teils sind sie zu Hause enteignet worden. Familienmitglieder wurden bedroht oder erschossen. Sie können nicht zurückkehren. In Bosnien dürfen sie nicht in Supermärkte, um einzukaufen. Es ist ihnen verboten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, und die Bevölkerung darf sie unter Androhung von Strafe nicht unterstützen. Selbst der 300-Kilometer-Fußweg zur deutschen Botschaft nach Sarajewo ist für Flüchtlinge aus Afghanistan vergeblich. Sie erklärt sich für nicht zuständig. Das wäre die Botschaft in Kabul und die gibt es nicht mehr. Daniela Singer: "Wir Rotarier bleiben dran, wenn es darum geht, diesen Menschen vor den Toren Europas in ihrer ausweglosen Situation zu helfen. Wenn sich schon keiner für diese humanitäre Krise verantwortlich fühlt, dann schauen wir nicht weg, sondern helfen nach unseren Möglichkeiten."
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