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Herzlich willkommen!

Freunde aus Zypern zu Besuch beim RC Leipzig

Herzlich willkommen! - Freunde aus Zypern zu Besuch beim RC Leipzig
© Claudia Weingart (alle Fotos)

Am 21. Oktober werden Rotarier aus Zypern den RC Leipzig besuchen – Gäste von jener Insel, auf der mittlerweile seit 50 Jahren eine Mauer die Bevölkerung trennt. Organisiert hat den Austausch Christine Büring (RC Altenburg). Sie wird in den Jahren 2025 bis 2027 zum RI-Vorstand gehören.

Ulrike Löw09.09.2024

1995 war Christine Büring, gemeinsam mit ihrem Mann Alexander Büring, Gründungsmitglied des RC Altenburg – 2025 wird sie als erste Frau aus dem deutschsprachigen Raum als RI-Direktorin im Vorstand von Rotary International sitzen. In den Jahren 2025/26 wird Mário César Martins de Camargo aus Brasilien als Präsident die Geschicke von 1,2 Millionen Rotariern und Rotarierinnen in über 46.000 Clubs mitbestimmen.

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Eintauchen in die Geschichte auf Zypern...

RI-Direktorin ist auch im Ehrenamt keine Karriere, die man sich vornehmen könnte. Doch wer mit Christine Büring spricht, erlebt eine Rotarierin, die begeistern kann und ein Amt innehat, das zu ihrer Biografie passt.

Mit ihrer Familie hat sie sich als Gastgeberin viele Jahre in den Dienst des Schüleraustauschs gestellt: So sind die beiden Söhne mit Jugendlichen aus Venezuela, Mexiko, Amerika, Indien, Russland, Brasilien, Lettland und Finnland aufgewachsen, einer der Söhne hat ein Jahr in Taiwan verbracht, der andere in Korea. "Erfahrungen, die ohne Rotary nicht möglich gewesen wären", sagt sie und betont, dass sie dafür dankbar sei.

Ihr Interesse für andere Nationen und Kulturen passt zu ihrem Sprachtalent: Neben Deutsch beherrscht sie fließend Englisch, Französisch und Spanisch, hauptberuflich wirbt sie als Geschäftsführerin der Altenburger Tourismusagentur für ihre Heimat und sie bringt das Kunststück fertig, in der Ferne auch die Nähe zu entdecken.

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Im südlichen Teil Zyperns weht an vielen Stellen die Europa-Flagge.

Und genau dies hat sie auch auf Zypern getan: Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU, doch in der Hauptstadt Nikosia steht eine Grenzmauer. Europas letzte Mauer. International anerkannt ist nur die Republik Zypern im Süden, der Norden ist von der türkischen Armee besetzt.

Sie war mit Rotariern vor Ort unterwegs und hat sich an die würdelose Grenze erinnert, die in Deutschland am Abend des 9. November 1989 endlich fiel. Doch in Zypern weisen die Zeichen der Zeit eher auf Verfestigung. Mit ihren Gastgebern hat sie über Herkunft und Heimat, Identität und Frieden diskutiert.

Eigentlich, so sagt Christine Büring, wollte sie – nach der Reise nach Bulgarien 2023 - das Abenteuer Zypern mit acht Personen des Rotary Friendship Exchange (RFE) starten. Doch der Krieg in Israel ist nur eine Flugstunde entfernt und bei vielen Freunden hat dies für Bedenken gesorgt – und so sind Christine Büring und Claudia Weingart (Rotary eClub of Silicon Valley) in Frankfurt alleine ins Flugzeug gestiegen.

Die Einladung hatte Christina Covotsou-Patroclou ausgesprochen, sie war 2017/18 Governor im Distrikt –einem Distrikt, der neun Länder von drei Kontinenten vereint. "Länder, in denen das Wort 'Frieden' eine sehr besondere Bedeutung hat", sagt Christine Büring und nennt den Libanon, Palästina, Jordanien, Bahrain, die Vereinigten Emirate, Armenien, Georgien, Sudan und eben auch Zypern. Knapp 2000 Rotarier leben in diesem Distrikt – ein Ziel der Reise sollte die Distriktkonferenz in Jordanien sein.

Schon die Ankunft in Larnaca auf Zypern wurde zu einem Highlight: Freund Peter Ashdijan führte Christine Büring und Claudia Weingart durch eine alte Villa – darin hat seine Familie ein Privatmuseum eingerichtet. Christine Büring: "Es stellt sich heraus, dass seine Familie für alles steht, was Zypern ist." Sie bekamen einen bunten Mix der Kulturen zu sehen, die Großeltern von Peter Ashdijan stammen aus Armenien, Italien und Griechenland, in der Villa hat er das Museum seines Großvaters eingerichtet. Der Großvater hatte im 19. Jahrhundert gemeinsam mit den Engländern Ausgrabungen organisiert, einige Stücke sind hier zu sehen. Ashdijans Vater war Generalkonsul der Bundesrepublik und heute wirbelt seine  kleine Tochter Anna ganz selbstverständlich durch ein Haus, das bis unter das Dach vollgestopft ist mit Geschichte.

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Jede Gasse scheint Geschichte zu atmen.

Zypern ist nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Insel im Mittelmeer. Mit einer Fläche von rund 9000 Quadratkilometern ist Zypern etwa doppelt so groß wie das Ruhrgebiet. Eine Besonderheit der Insel ist ihre Lage: Zypern liegt etwa 65 Kilometer südlich von der Türkei und 60 Kilometer westlich von Syrien. Die Insel gehört damit geografisch zu Asien, doch politisch und kulturell wird sie zu Europa gezählt. Diese strategische Lage hat sie historisch gesehen zu einem der kulturellen und kommerziellen Treffpunkte zwischen Europa und Asien gemacht.

Historiker schätzen, dass die Insel seit mehr als 10.000 Jahren bewohnt ist. Seit der Antike ist Zypern bekannt für seine Bodenschätze, für Wein und fruchtbare Felder. Zahllose Herrscher haben hier ihre Spuren hinterlassen: etwa die Perser, Griechen, Römer und die Osmanen – und sie alle haben die Kultur, die Gastronomie und die Architektur beeinflusst. "Wir sollten suchen, was uns verbindet, nicht was uns trennt", so hat es einer in den vielen Gesprächen, die Christine Büring geführt hat, formuliert. "Besser kann man es nicht sagen. Ich finde, dass es stimmt", meint sie.

1960 hat Zypern die Unabhängigkeit von dem Vereinigten Königreich Großbritannien erreicht, bis 1925 war Zypern Kolonie. 1960 fanden die ersten Wahlen statt, die Republik Zypern wurde gegründet und ist als unabhängiger Staat Mitglied der Vereinten Nationen. Etwa 1,3 Millionen Menschen leben hier. Die meisten sind griechischer Herkunft und sprechen griechisch. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung sind türkischer Abstammung.

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Die Grenze durch Nikosia ist an vielen Stellen eine Anhäufung von Ölfässern, Stacheldraht und sonstigem Sperrmaterial.

Im Jahre 2024 ist Nikosia die letzte Hauptstadt auf der Welt, die noch geteilt ist. Und in diesem Fall weisen die Zeichen der Zeit eher auf Verfestigung als auf Entspannung. Die Mauer in der zyprischen Hauptstadt Nikosia ist keine Mauer im engeren Sinn. Sie ist eine Barrikade aus Ölfässern, mit Stacheldraht gesichert, zwischen Häusern die zu Ruinen geworden sind, mitten in der Altstadt errichtet. Ein Mahnmal, eine Erinnerung an einen nicht erklärten Krieg.

Der Ursprung Zyperns liegt in Phaphos. "Pétra tou Romioú", die Bucht im Süden Zyperns galt schon vor Jahrtausenden als göttlicher Ort. Hier soll einst Aphrodite dem Meer entstiegen sein. Die Göttin der Liebe, die Göttin der Schönheit – sie wurde in den Fluten des Mittelmeers geboren und betrat hier irdischen Boden.

Und während Christine Büring und Christina Covotsou hier Geschichten aus der griechischen Mythologie austauschen, springen von dem Fels in der Bucht im Süden Kinder in das tiefe Wasser. Paphos ist für seine römischen Mosaiken und antiken Ruinen bekannt, 1980 wurde die archäologische Stätte von Kato Paphos in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen – die kleine Reisegruppe freut sich über ein Amphitheater und trifft dort zufällig auf eine englische Laiengruppe, geprobt wird gerade "King Lear".

Im Rotary Club of Paphos wartet die nächste Überraschung: Präsident Timo Trog – er ist Anfang 40 – stammt aus Deutschland und ist erst seit einem Jahr Mitglied des Clubs. Seine erste Amtshandlung: Er nimmt Andre Passon auf, einen weiteren, auf die Insel ausgewanderten Deutschen. Christine Büring: "Beide haben sich spontan entschlossen, uns zur Distriktkonferenz nach Jordanien zu begleiten."

In der Hauptstadt Nikosia wird Marina Gavriel zur Gastgeberin. Sie ist im Norden der Insel, auf dem heute von den Türken besetzten Teil, aufgewachsen. Als ihre Familie vor einigen Jahrzehnten alles verloren hat, wanderte sie in die USA aus und arbeitete im Silicon Valley. Mittlerweile ist die Zypriotin zurückgekehrt, in ihrem Rotary Club wird sie die nächste Präsidentin. "Bei Rotary", so erklärt sie, "verstehen sich die beiden Nationalitäten, so wie sich die Griechen und die Türken in ihren Dörfern, in denen sie solange nebeneinander gelebt und gefeiert haben, immer verstanden haben." Sie nennt Rotary "einen Weg des Friedens“.

Mit Demetris Pantazis geht es am nächsten Tag in die Berge, 1951 Meter misst der Olympus im Troodos-Gebirge. Demetris Pantazis wird der griechische Deputy Governor  für Zypern werden (in jedem Land dieses Distrikts gibt es einen Stellvertreter des Governors). In seiner Amtszeit will er die Mitgliederzahl um ein Drittel erhöhen. Die Gespräche drehen sich immer wieder um die Frage: "Was ist Zypern?"

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Das reiche kulturelle Erbe Zyperns beeindruckte Christine Büring.

Die Straßen sind eng, die Landschaft ist pittoresk. Aufgrund der Abgeschiedenheit haben auf Zypern viele byzantinische Bauwerke, Denkmäler und Kunstschätze die Jahrhunderte überdauert. Gleich zehn der alten Kirchen und Klöster im Troodos-Gebirge sind von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft worden – von außen sehen sie aus wie Scheunen, sind mit uralten Holzdächern versehen, während im Inneren farbenfrohe Fresken und Wandmalereien längst vergessene Geschichten erzählen.

Die Gruppe trifft weitere zehn Rotarier, die von überall aus Zypern gekommen sind, um die beiden deutschen Frauen kennenzulernen und sie alle diskutieren dort im Troodos-Gebirge mit Pater Deodosius theologische Fragen. Er selbst nennt Gott "die reine Liebe" – auch wenn im Namen der Religion so viele Kriege geführt werden.

Am nächten Morgen geht es in den Norden – es dauert eine Stunde, bis die kleine Gruppe die Grenze mitten in der Hauptstadt Nikosia überqueren darf. Viele Touristen passieren die Grenze, die Zyprioten selbst fast nie. Auch für Marina Gavriel ist es ein schmerzlicher Ausflug. Hier, auf der türkisch besetzten Seite, war  ihre Heimat. Doch hier darf sie nicht wohnen. Das Gespräch deutet an, wie schwierig das Thema ist, dass die Geschichte noch immer im Gang ist, die Wunden noch nicht geheilt.

Zu sehen ist auch, dass die Insel ausländische Investoren anlockt – hier beschreibt der türkische Deputy Governor Tashtan Altuner, dass vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Ausländer vor allem im griechischen Teil an Visa interessiert waren und viel Geld in Immobilien investiert wurde. Doch seit das Geld der Russen durch das Embargo festgesetzt wird, wechseln die Investments in den nördlichen Teil.

Nun entstehen im türkisch besetzten Teil sehr moderne Siedlungen und große, schicke Häuser mit vielleicht neuen Zyprioten, die die Unsicherheit ihrer eigenen Länder hinter sich lassen wollen.

Christine Büring macht Fotos in Famagusta, einer Hafenstadt in der nicht anerkannten türkischen Republik. Sie schildert, dass sie die Fotos zypriotischen Freunden gezeigt hat, und einer habe auf ein Haus gedeutet. Vor der türkischen Invasion war es ein Hotel, es hatte seiner Familie gehört. Büring: "Ich fühlte mich an die DDR erinnert, die Grenze und die Trennung ist überall. Es ist eine Traurigkeit, eine große Enttäuschung zu spüren, keine Aggression, die das Land beherrscht."

Am Abend fahren die Reisenden  wieder in den südlichen Teil zurück, gehen in der Altstadt spazieren und kommen immer wieder an die Grenze – und sehen, dass hier, genau an der Grenze, immer wieder neue Dinge entstehen. Alte Häuser, die seit den 70er Jahren dem Verfall preisgegeben waren, werden von jungen Leuten wiederbelebt. Es gibt Stadterneuerungsprogramme, die wirklich bis an die Grenze gehen. "Kunstmuseen, ein neues Rathaus. Nikosia erfindet sich, fast wie Berlin-Mitte, immer wieder neu und versucht die Grenze zu ignorieren."

Blick über Nikosia

Die Gruppe erwartet nun den  Gegenbesuch  des Team Rotary Friendship Exchange aus Zypern vom 19. bis 23. Oktober. Am 21. Oktober geht es um 19 Uhr zum RC Leipzig, das Meeting findet bei "Lutter und Wegner" statt, Dittrichring 8. Gäste sind herzlich willkommen.

Christine Büring war 2016/17 im Distrikt 1950, der Region Franken/Thüringen, Governor. 2019 wurde sie als eine von 40 Trainern ausgewählt, die jährlich die weltweit 535 Governeure auf deren Aufgaben vorbereiten – über die Jahre ist ein internationales Netzwerk entstanden. Für die gebürtige Schwäbin, die seit 30 Jahren in Thüringen lebt und sich selbst "Hybrid" nennt, ist Rotary eine einmalige Plattform, um die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen.

Ulrike Löw

Ulrike Löw (RC Nürnberg-Reichswald) ist seit 20 Jahren als Journalistin tätig. Ihr Schwerpunkt liegt bei rechtlichen Themen: Aktuelle Rechtsnews interessieren sie ebenso wie juristische Hintergründe, regelmäßig sitzt sie in Gerichtssälen und berichtet über Strafprozesse. Ab August 2021 ist sie Berichterstatterin des Distrikts 1880.