Standpunkt
Nicht immer so bescheiden, Rotary!
Jedes anerkennende Wort und jede Wiedererkennung in den Medien motiviert zum Weitermachen und unterstützt die Suche nach potenziellen Mitgliedern
Vorab: Erlaubt, dass ich hier in das „rotarische Du“ wechsle, denn im Internet ist das überall so und man gewöhnt sich ja schnell an vieles. Auch an die Bedenken vieler Rotarierinnen und Rotarier, die Werbung für einen Serviceclub für überflüssig halten. Tja, schließlich sind wir nicht ohne Grund bei Rotary. Doch wie lange können wir noch annehmen, dass wir zukünftig damit das Rennen um die besten Köpfe gewinnen werden?
Ich kenne Rotary seit 35 Jahren und bin seit 15 Jahren selbst Rotarier. In den vergangenen 35 Jahren hat sich in den Medien sehr viel getan. Seit gut zehn Jahren erleben wir durch die Möglichkeiten des Internets, wie sich die Kommunikation und die Wege der Nachrichtenvermittlung kontinuierlich und sprunghaft ändern. Macht Rotary das mit? Bist Du, zum Beispiel, im Facebook zu finden?
Ich fand dort kürzlich ein eindrucksvolles Statement, das ich hier gern zitiere: „Wind löscht eine Kerzenflamme, offenes Feuer regt er an … Ich will das Feuer sein, das sich den Wind herbeiwünscht.“*
Öffentlichkeitsarbeit für und mit Rotary ist für mich dieser Wind – viel mehr, als heiße Luft und weder lau noch stürmisch, aber am liebsten konstant. Nur, welches Feuer bin ich und seid Ihr? Eher (noch) Kerzenflamme oder brennt da (schon) mehr? Wie passt unser letztjähriges Motto „Light up Rotary“ dazu? Lieber eine Kerze anzünden, als immer im Dunkeln zu sitzen, ist ja nicht verkehrt. Aber mir persönlich ist das zu wenig und zu bescheiden.
Reicht Rotary als Randnotiz?
Täuscht mich mein Eindruck, dass Rotary in vielen Medien nur als Randnotiz vorkommt? Stehen wir irgendwo, außer in diesem Magazin, hin und wieder im Mittelpunkt? Wie sollen Menschen, die dieses Magazin nicht erhalten, etwas von Rotary erfahren? Hand aufs Herz – weiß Dein Nachbar, wo Du Gutes tust? Meiner denkt noch immer, ich sei „da bei diesen Lions“.
Unsere Website Rotary.de ist hervorragend aufgestellt, doch für eine allseits spürbare Popularität ist das wohl nicht ausschlaggebend. Dabei ist die Seite im Netz hervorragend aufgestellt: wechselnde Topthemen, Hintergrundberichte aus dem Magazin, Tipps und Übersichten, wie Rotary in Deutschland organisiert ist. Unser Rotary Magazin erreicht weit mehr Leserinnen und Leser als die 53.000 Rotarierinnen und Rotarier in Deutschland und sieht schick aus. Reicht das nicht?
Mit Blick auf die kommenden Generationen von Rotarierinnen und Rotariern müssen wir uns jetzt etwas einfallen lassen. Denen reicht es wohl bald nicht mehr, sich einmal wöchentlich zum Essen zu treffen und von klugen Menschen wichtige Dinge zu hören. Diese Generation sucht Menschen, die für Ideen und Standpunkte brennen, die begeistern und sich begeistern lassen, die Feuer anzünden, nicht nur um sich selbst zu wärmen, sondern um Licht und Wärme weiterzugeben, die Feuer und Flamme sind für Rotary und all das Gute, was wir jetzt schon aktiv tun. Und die den Wind erwarten.
Jeder Segler weiß, dass nur der Wind ein Boot bewegt. Und auch Rotary bewegt sich besser mit medialem Rückenwind, denn das gute Gefühl, ein Teil dieser großartigen Serviceorganisation zu sein, und die Motivation, sich weiter zu engagieren, wächst mit jedem anerkennenden Wort und mit jeder Wiedererkennung.
Auch bei Rotarys Suche nach Potenzialeliten ist jeder „Werbewind“ hilfreich. Wir brauchen diejenigen, Männer wie Frauen, die Verantwortung übernommen haben oder übernehmen werden und die gesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement nicht als lästige Pflicht empfinden. Und Rotary muss sich und ihnen eine Bühne geben. Das fängt beim neuen und aktuell gehaltenen Clubauftritt im Internet mit RO.WEB 2.0 an und hört bei Zeitungsberichten sicher nicht auf. Ja, wir brauchen viel Öffentlichkeitsarbeit, wir brauchen den Rückenwind.
Gefragt ist mehr als Geld und Geltung
Die jungen Menschen, die demnächst in unseren Clubs die rotarischen Werte und Ideen pflegen und weiterentwickeln sollen, erreichen wir nicht mit Fotos, auf denen ein überdimensionaler Scheck in die Höhe gehalten wird. Es geht nicht nur ums Geld oder um Geltung. Diese Generation sucht mehr als andere Generationen zuvor die Authentizität, ihr geht es um Wahrhaftigkeit, um Identifikation – das haben wir alles bei Rotary, aber wir müssen feststellen, dass auch andere NGOs schon längst aufgebrochen sind, diese Werte auf breiter Basis öffentlich zu bewerben und zu verkünden. Haben wir noch eine Chance, dagegenzuhalten?
Mittlerweile weiß auch mein Nachbar: Rotary ist nicht Lions. Aber wenn am 19. November der große RTL-Spendenmarathon für ein Millionenpublikum ausgestrahlt wird, werden wir zum fünften Mal sehen, dass dort für Lions-Projekte geworben wird, die wir so oder so ähnlich, genauso gut oder besser managen – alle unsere Global und District Grants können wirklich begeistern. Müssen wir uns ärgern, weil das jetzt mal wieder kaum einer mitkriegt?
Wir haben schon einiges öffentlichkeitswirksam für Rotary in Deutschland bewegt: Wir haben eine Lok mit einem „Rotary-End-Polio-Now-Brand“ fahren lassen und sind auf die Fahrräder Richtung Frankfurt gestiegen – da haben die ersten Feuer bundesweit gebrannt. Alles prima, möchte man rufen, aber oft erinnern sich heute noch nicht einmal mehr die eigenen Clubfreundinnen und Clubfreunde daran. Das haben diese bundesweiten „Pionier-Feuer“ nicht verdient. Daran müssen wir arbeiten. Was müssen wir tun, damit wir Rotary wenigstens bei denen bekannt machen, die uns im Club „beerben“ sollen? Brauchen wir eine eigene Show im Fernsehen oder reicht uns zunächst ein YouTube-Kanal? Welches Feuer wollt Ihr sein? Und wünscht Ihr Euch den Wind dazu? Hat jemand von Euch eine Idee für eine bundesweite Aktion und eine kluge Kampagne? Her damit! Sei nicht immer so bescheiden, Rotary!
Und nicht vergessen: Tragt die Nadel, einen einfacheren Weg der Öffentlichkeitsarbeit für Rotary gibt es nun wirklich nicht.
* Nassim Nicholas Taleb im Prolog zu seinem Buch „Antifragilität“ (2012);
mit Dank an Gerd Heistermann vom RC Hamm-Mark für seinen Post bei Facebook.
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