Rotary aktuell
Geprägt von Gemeinsamkeit
Rotarische Freunde in Tschechien und der Slowakei feiern in diesem Monat das Jubiläum zum 20-jährigen Bestehen ihres Distrikts 2240. Rückschau und Ausblick
Mitte Mai wurde das Jubiläum von tschechischen und slowakischen Clubs in Prag groß gefeiert. Mehr als 600 Teilnehmer einer ausgedehnten Distriktkonferenz und Gäste aus 15 Ländern trafen sich im Sophienpalast auf einer Moldau-Insel. Das Treffen offerierte Austausch und jede Menge interdisziplinäre Diskussion, Auszeichnungen, Touren in die Umgebung, die Prager Philharmonie war zu erleben, Big Bands sorgten für Musik und Tanz, Spanferkel und regionale Spezereien wurden gereicht... Fast eine Woche lang sorgten die Rotarier von D2240 für Erlebnisse, Austausch, Anregung.
Zu den Gästen gehörte neben John Germ, RI-Präsident 2016/17, auch Thomas Watzenböck. Der Past-Governor des österreichischen Distrikts 1920 war in seinem Amtsjahr 1998/99 maßgeblich an der Grundsteinlegung für D2240 beteiligt. Denn Rotary International hatte viele osteuropäische Länder nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu „Special Extension Areas“ erklärt. Die Entwicklung rotarischer Aktivitäten und Clubs, fand RI, brauchte dort Unterstützung. Als Leitdistrikt engagierte sich D1920 zusammen mit dem New Countries Extension Committee und dem European Affairs Committee seit 1989 – half bei Clubgründungen, gab Hilfe und Rat, gerade auch nach dem Zerfall der ČSSR (1993). Doch in der Tschechischen Republik und der Slowakei waren die Rotarier bald schon wieder wichtige gesellschaftliche Größen, so dass Watzenböck die Gründung eines neuen Distrikts vorbereiten konnte.
Dabei war Rotary zwischen Böhmerwald, Riesengebirge und der ungarischen Grenze schon viel früher aktiv. Der RC Prag gehört zu den ältesten Clubs in Europa – gegründet 1925. Es folgten České Budějovice (Budweis), Brno/Brünn und Plzeň/ Pilsen 1927. Bereits Ende der 20er Jahre/ Anfang der 30er war die Zahl der Clubs auf über 70 in der Region angewachsen. „Zwischen den zwei Weltkriegen war dies die drittgrößte und -aktivste Region von Rotary in Europa“, so Thomas Watzenböck mit Blick auf die Geschichte. Im Folgenden behaupteten sich die Rotarier bis 1939 – und damit länger als deutsche oder österreichische Distrikte.
Kurze Nachkriegs-Episode
1945 versuchten rotarische Freunde in Tschechien und der Slowakei, in ihren Heimatorten an frühere Arbeit anzuknüpfen und Gutes zu tun. Von einem Stipendium des RC Poděbrady profitierte beispielsweise bereits 1947/48 der Sohn eines Rotariers, der später eine wichtige politische Rolle spielen sollte – Václav Havel. Die Clubs mussten jedoch 1948 systembedingt aufgeben - Rotary wurde zu dieser Zeit in der ČSSR verboten.
Erst als die Samtene Revolution 1989 neue gesellschaftliche Verhältnisse möglich machte, konnten Rotarier wieder aktiv werden. Und sie wollten es, knüpften an die rotarische Geschichte an, reaktivierten Clubs und gründeten neue. Einige, wenige gestandene Rotarier lebten noch und wollten die Organisation erneut nach vorn bringen, jedoch es fehlte noch an Struktur.
Schon 1989 gab es erste Kontakte des RC Wien-Stadtpark (D191) in die Region - er half bei der Reaktivierung des RC Prag. 1990 gab es bereits zwei Rotary Clubs in der Region. Die österreichischen Rotarier halfen beim Aufbau und integrierten auf Wunsch von Evanston die Freunde vor allem den ehemaligen Distrikt 192. Der damalige Governor Viktor Straberger lernte sogar selbst Tschechisch und forderte seine Freunde auf, neue Rotarier an Moldau und Donau zu finden. Anfang der 1990er Jahre zahlte jeder österreichische Rotarier zudem 100 Schilling im Jahr, um regelmäßige Aktivitäten mit und Reisen zu den benachbarten Clubs finanzieren zu können – auch, um das Wachsen von Rotaract in der Tschechischen Republik und der Slowakei zu begleiten. Unter Governor Willibald Egger traf man sich bereits 1995 zur Distriktkonferenz in Český Krumlov, um die neuen rotarischen Freunde besser kennenzulernen und Freundschaften wie gemeinsame Projekte zu stärken. Rotaract Clubs hatten sich da bereits in erklecklicher Zahl gebildet.
Wo es mit dem Kennenlernen samt Austausch noch nicht so klappte, gab es auch mal einen kleinen Anstoß, berichtet Thomas Watzenböck. Er zum Beispiel sorgte dafür, dass in Meetings und Treffen nicht genügend Sitzplätze zur Verfügung standen. Der Höflichkeit wegen rotierten die Anwesenden daher – und kamen so stets in neuer Konstellation miteinander ins Gespräch. „Das gab Gelegenheit, über den eigenen Gartenzaun zu schauen, Neues zu erfahren und zu lernen“, schmunzelt Watzenböck.
Neustart kurz vor der Jahrtausendwende
1999 wurde schließlich der neue Distrikt ausgegründet und Dobroslav Zeman (RC Plzeň) zum ersten Governor des tschechisch-slowakischen Terrains gewählt. Sein Augenmerk lag in seinem Amtsjahr auf Polio-Projekten und Jugendförderung. „Vor allem aber habe ich viele neue Mitglieder gesucht, um die rotarische Arbeit erfolgreicher zu machen – und die Zusammenarbeit mit Clubs anderer Länder anzustoßen, die sich bis heute in grenzübergreifenden Projekten zeigt.“
Zwei Jahrzehnte ist es nun her, dass Tschechien und die Slowakei einen eigenen Distrikt bildeten. In dieser Zeit entwickelte sich D2240 deutlich: Aus 42 Clubs mit 1026 Mitgliedern im Juli 1999 wurden 73 Clubs mit 1373 Mitgliedern (2019). Ihre Projekte sind in den Kommunen überall zu spüren: Ausrüstung für ein RehaZentrum in Český Krumlov, ein integrativer Spielplatz finanziert von allen RCs in Prag, Studienstipendien für Talente in Bratislava oder Unterstützung für die Diakonie in Ostrava.
Bis heute verbindet die tschechischen und slowakischen Clubs eine tiefe Freundschaft mit den „Gründervätern“ aus dem Distrikt 1920. Das zeigt sich auch in der Arbeit des Intercountry Committees Austria, Czech Republik, Slovakia. Chairman Dalibor Truhlar sieht den ICC daher eher als Vermittler, denn als Organisator. „Häufig bekommen wir Anfragen, dann geben wir Hinweise auf Projekte und machen Kontakte möglich. Denn selbst ideelle Unterstützung hilft - in beiden Richtungen. Schließlich geht es um das Verbindende, wir wollen das Miteinander spüren.“
Wohl auch deshalb lädt der ICC jedes Jahr einmal zur Wanderung auf den Dreisesselberg, wo sich Rotarier aus D1920, D2240 und deutsche Rotarier nach einer ausgiebigen Wanderung auf dem 1333 m hohen Gipfel im Bayerischen Wald zum Gespräch treffen.
Auf die nächsten 20 Jahre!
Zwei Jahrzehnte Distrikt 2240 sind nicht viel? – Zwei Jahrzehnte sind sehr viel, wenn es um 20 Jahre als eigenständiger Distrikt geht, ist sich zum Beispiel Dobroslav Zeman sicher. Und damit die rotarische Geschichte seines Clubs, seiner Region, seines Distriktes neue Kapitel bekommt, geht der 90-Jährige weiter jede Woche zum Club-Meeting ins Hotel Continental in Plzeň. Auch wenn er vielleicht nicht mehr viele Hands-on-Aktionen mitmachen kann, Rat und Erfahrungen weitergeben, motivieren und inspirieren kann er auf jeden Fall. Schon damit der Distrikt weiter wächst und gedeiht, denn ab jetzt gilt für die Clubs in D2240: Auf die nächsten 20 Jahre!
Weitere Artikel der Autorin
Social Media: Was? Wo? Wie?
Das ist Stephanie Urchicks Präsidentenlogo
Meeting: Weihnachten in der Ukraine
Achtung, neue Betrugswelle!
Lauteste rotarische Fellowship nun mit Hymne
Lasst uns drüber reden - und helfen!
Letzte Chance auf ein einzigartiges Kunstwerk!
10/2023
Tausende Tour-Kilometer gegen Polio
Finale in Chemnitz
9/2023
Gebogenes Grün und ein Spatzenkind im Sinn
Mehr zur Autorin