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Trumps Deal um Bodenschätze

Was sind Seltene Erden und was hat das mit der Ukraine zu tun?
Vor gut 85 Jahren unterzeichneten Adolf Hitler und Josef Stalin einen Pakt, um sich Osteuropa, namentlich Polen und die baltischen Staaten – scheinbar einvernehmlich – unter den Nagel zu reißen. Es ging um viel Land und damit auch um das, was unter der Erde liegt: Bodenschätze und andere Rohstoffe. Historiker sagen, dass Geschichte sich nicht wiederholt; aber seit der gaunerhaften Geschäftemacherei zwischen Putin und "Potus", dem President of the United States, können wir uns darauf nicht mehr verlassen. Trump nennt es einen Deal, was der Versuch ist, eine notleidende Nation zu erpressen und zu berauben. Man mag sagen: Das ist Kapitalismus. Ein Wettbewerb. Trump sagt: Wenn meine, pardon: unsere Unternehmen eure Bodenschätze ausbeuten, schützen wir sie mit unseren mächtigen Musketen – und euch. Falls ihr das nicht wünscht, könnte euch Furchtbares geschehen. Das ist Neo-Kolonialismus.
- Aber worum ging es eigentlich bei diesem Manöver, das zum Skandal im Weißen Haus missriet?
Wir besichtigen derzeit einen weltweiten Kampf um Bodenschätze, namentlich die sogenannten Seltenen-Erd-Elemente (SEE). China dominiert diesen Markt, verfügt über eigene Lagerstätten und noch größere Kapazitäten seiner Raffinerien, was seine Kunden abhängig und erpressbar macht wie seinerzeit die Käufer von russischem Gas. Trump erkannte das früh. 2017 sorgte er per Executive Order dafür, dass eine große Tagebaumine in Kalifornien (Mountain Pass), die 2002 nach dem Auslaufen von einer Milliarde Litern radioaktiv und chemisch verseuchten Wassers aus einem undichten Auffangbecken stillgelegtworden war, wieder arbeiten durfte, um eine "sichere und zuverlässige Lieferung von kritischen Mineralien gewährleisten" zu können. Inzwischen stehen auch Trennanlagen für SEE in Texas und Kalifornien, erstellt auch mit Geld aus dem Verteidigungsministerium. Auch Australien rüstet sich für eine Zeit, in der die Industrie immer mehr dieser kritischen Rohstoffe braucht. Dass sich diese Mühen lohnen, wissen wir seit 2023. Damals demonstrierte China, dass es sein De-facto-Monopol auszunutzen bereit ist, indem Peking Exportbeschränkungen für Gallium und Germanium erließ, beides wichtige Technologiemetalle.
Europa hat das schmutzige Geschäft bisher anderen überlassen, hofft aber inzwischen auf eine ergiebige Quelle im Norden Schwedens, in Kiruna. Der im April 2024 verabschiedete Critical Raw Materials Act (CRMA) soll für mehr eigene Produktion sorgen. Um das Risiko von Unterbrechungen der Lieferkette zu verringern, dürfen bis 2030 nicht mehr als 65 Prozent aus einem einzigen Drittland, 40 Prozent aus Verarbeitung innerhalb der EU und 25 Prozent aus Recycling stammen. Die EU hat außerdem bereits vor Putins Krieg eine Partnerschaft für Rohstoffe mit Kiew geschlossen – mit lauteren Mitteln. Trump macht's auf seine Weise: schamlos, skrupellos, selbstherrlich. Nicht nur in der ukrainischen Erde, auch unter Grönlands Eis grapscht er nach den Zukunftsmetallen.
Eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags bescheinigte der Ukraine vor zwei Jahren ein bedeutendes Potenzial, weil dort "das größte abbaubare Vorkommen dieser zunehmend kritischen Ressourcen in Europa" liege. Allerdings befindet sich ein Großteil der SEE-haltigen Erzmineralien im Süden und Osten der Ukraine, also in Regionen, "die entweder von Russland besetzt oder bedroht" sind. Anscheinend oder scheinbar glaubt Trump, das Problem gemeinsam mit dem Moskauer Zaren bewältigen zu können.
- Wieso sind diese Technologiemetalle so wichtig?
Unsere Hightechindustrie ist abhängig von den 17 SEE, darunter Neodym und Dysprosium, Scandium und Terbium sowie anderen Technologiemetallen (TM) wie Germanium und Gallium, Indium und Hafnium. Mithilfe von SEE und TM entstehen Technologien, mit denen wir das CO2-Zeitalter überwinden könnten. Alle Zukunftstechnologien brauchen diese Rohstoffe. Neodym verleiht den stärksten Magneten Muskeln, nicht nur in Windkraftanlagen, Dysprosium schirmt die Plasmakammern von Fusionsreaktoren, in denen Wissenschaftler das Feuer der Sonne entfachen wollen, gegen maximale Hitze ab. Und Terbium könnte sich zum "Schweizer Messer der Nuklearmedizin" entwickeln. Der Allrounder Hafnium wird in der Krebsmedizin eingesetzt und hält extremen Temperaturen stand, ob am Himmel oder in der Hölle, weshalb es in Superlegierungen für Luft- und Raumfahrt steckt. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist es mithilfe von Gallium gelungen, aus Getränkedosen, Meerwasser und Kaffeesatz grünen Wasserstoff zu erzeugen – in Raumtemperatur; bald in U-Booten? Germanium schließlich sorgt schon heute für Durchblick im Dunklen – in Nachtsichtgeräten, Wärmebildkameras, Zielfernrohren und Radarsystemen, hilft beim Abschirmen von Spionagesatelliten und in Halbleiter-Chips in Computersystemen bei der Raketenabwehr.
Alles zu optimistisch? Mag sein. Vielleicht fände die Jugend beim Anbandeln eine Alternative zum Rechtsswipe (dank Indium-Zinn-Oxid auf der Handyoberfläche); Fußball in der Nacht wäre auch ohne das Laser- und Leuchtmetall Scandium möglich, wenn auch weniger strahlend. Wir kennen die Zukunft nicht, aber Wissenschaft und Industrie versichern, dass Seltene Erden & Co. Chancen auf eine bessere, ökologischere Welt bergen. Unbestreitbar sind sie schon heute unerlässlich, um aus Technik Zukunftstechnik zu machen, von Windrädern bis Elektroautos, in der Medizin, in der Robotik und beim immer noch lebenden Traum von Strom aus Kernfusion, auch in der Raumfahrt und – auch das inzwischen nicht mehr wegzudenken – fürs Militär.
Die Produktion ist ein schmutziges Geschäft, gewiss, vor allem in illegal betriebenen Lagerstätten. Aber wäre es nicht vernünftig, unter strengeren Regeln und staatlich überwacht zu produzieren, statt Rohstoffe zu kaufen, die rücksichtslos gegenüber Umwelt und der Menschen gewonnen werden? Europa hofft auf eine größere Raffinerie mit hohen ökologischen Ansprüchen in Norwegen. Und es strebt mehr Autonomie an, statt in wachsende Abhängigkeit von Deal-Makern zu geraten. Das ist vernünftig.

Vernünftig wäre außerdem gewesen, wenn Selensky Trumps "Deal" unterzeichnet hätte. Bis die Maschinen zu graben beginnen, ist dieser US-Präsident Geschichte. Und ein durch Zwang, Drohung und Erpressung durchgesetzter Vertrag ist nicht völkerrechtsverbindlich, er kann widerrufen werden, er ist null und nichtig.
Zum Vertiefen: Ende März 2025 erscheint das Buch der Metallhändler von Andreas Kroll und Andreas Pietsch mit dem Titel "Das Kokain der Industrie. Seltene Erden & Co. Stoff für Zukunftstechnik, Chinas Faustpfand, Investmentchance einer Generation", an dem Peter Köpf mitgearbeitet hat.
(Europa Verlag, 240 Seiten, 28 Euro)

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