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Viel getan, noch viel zu tun

Rotary Aktuell - Viel getan, noch viel zu tun
Arnold Hoffmann (links), Rolf Schlipköter und Claudia Rössling-Marenbach vom RC Adenau-Nürburgring im Gespräch vor der zerstörten Eisenbahnbrücke in Altenahr © Tanja Evers

Ein gutes Jahr nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal und in der Stadt Hagen zeigt sich, wie die zielgerichtete rotarische Hilfe effektiv gewirkt hat. Die Rotarier vor Ort erfahren viel Dankbarkeit, wenngleich noch viele Flutschäden in der Region sichtbar sind.

Florian Quanz01.11.2022

– Ahrtal im November 2022 –

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Altenahr ist bis heute eine große Baustelle. Es geht Schritt für Schritt voran, aber es wird noch Jahre dauern, bis keine Flutschäden mehr zu sehen sind © Tanja Evers

Die Flutkatastrophe hat unsere Hilfsfähigkeit an ihre Grenzen gebracht, unsere Akkus sind immer noch ziemlich leer“, sagt Rolf Schlipköter. Er nimmt einen Schluck aus der Kaffeetasse und blickt durch das Fenster hinaus. Draußen regnet es, als solle seine Gemütsstimmung passend untermalt werden. Er atmet durch. „Noch einmal könnten wir das nicht leisten“, resümiert er. Schlipköter ist Co-Präsident des RC Adenau-Nürburgring und blickt gedanklich zurück. „Wir sind alle über uns hinausgewachsen.“ Er nimmt erneut einen Schluck und blickt wieder hinaus. „Gut, dass wir jetzt nicht unterwegs sind.“ Rolf Schlipköter war den Nachmittag über mit zwei Clubfreunden, Past-Präsidentin Claudia Rössling-Marenbach und Arnold Hoffmann, Bürgermeister der Stadt Adenau, im Ahrtal unterwegs. Nun sitzt er in einem kleinen Café im Zentrum von Adenau. Er gönnt sich eine Ruhepause.

Soforthilfe geleistet

Der 14. Juli 2021 hat nicht nur das Leben im Ahrtal auf den Kopf gestellt, sondern auch die Arbeit des Rotary Clubs Adenau-Nürburgring. Eine Flut hat sich durch das Ahrtal gewälzt, hat Autos und Häuser mitgerissen, Menschenleben gefordert. Bereits am nächsten Tag waren die Rotarier zur Stelle. „Wir haben uns bewusst auf zielgerichtete Soforthilfe konzentriert“, erklärt Schlipköter. Auf einem schnell eingerichteten Hilfskonto war innerhalb von zwei Wochen eine halbe Million Euro. Damit einhergehend war der Club gefordert, verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen – keine neue Situation für ihn. Aber solch eine Summe hatte der Club zuvor nicht verantwortet.


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Gut ein Jahr später können die Rotarier im Ahrtal auf immense Hilfsleistungen zurückblicken, die sie gestemmt haben. „Wir agierten wie ein eingespieltes Team im Club, obwohl wir das gar nicht waren“, bilanziert Schlipköter. Jedes Clubmitglied habe signalisiert, was es imstande sei zu leisten, und habe dementsprechend mitgeholfen.

Das rotarische Netzwerk genutzt

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Erinnerungsbändchen an die Flutkatastrophe in Altenahr © Tanja Evers

Von Anfang an haben die Adenauer Rotarier verstanden, das rotarische Netzwerk bestens zu nutzen. „Am zweiten Tag nach der Flutkatastrophe habe ich die großen Hersteller aller zur schnellen Ersthilfe benötigten Produkte, wie zum Beispiel IBC-Wassercontainer, recherchiert und dann die Eigentümer- und Managementseite mit Personen im Mitgliederverzeichnis verglichen. Ekkehard Schneider war dann mein rotarischer Treffer bei den Wassercontainern, Ernst Pfaff beim Hersteller Scheppach und Markus Thannhuber beim Hersteller Einhell waren die Treffer für Stromaggregate, Wasserpumpen und Elektrowerkzeuge. Die Hilfsbereitschaft war sofort da. Es war großartig.“ Noch heute ist Schlipköter die Freude darüber anzusehen. Im Gesicht weicht die Ermüdung nun einem Lächeln. „Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich zum ersten Mal von meinem Büro am Nürburgring aus auf dem Rennstreckengelände Bundeswehr und Technisches Hilfswerk erblickt habe. Da ist mir warm ums Herz geworden.“

Auch an ein Telefonat mit der rotarischen Freundin Birgit Weichmann denkt Schlipköter gern zurück. „Die Frage, die bei uns sofort aufkam, war: Wie kann RI helfen?“ Nach diesem Gespräch kontaktierte Weichmann Holger Knaack und schon wurden Hebel über die Grenzen Deutschlands hinweg in Bewegung gesetzt. Nur Tage später kamen 100 Bau trockner aus der Schweiz. Das oft beschworene rotarische Netzwerk – hier hat es all seine Stärken ausgespielt. Und der kleine Club Adenau-Nürburgring war mittendrin. Drei Stunden zuvor. Rolf Schlipköter sitzt mit zwei weiteren Clubmitgliedern im Auto. Vom Parkplatz vor dem Rathaus Adenau fahren sie Richtung Ahrbrück. In den zurückliegenden Monaten waren sie unzählige Male im Ahrtal unterwegs, um bei Betroffenen vorbeizuschauen, denen sie geholfen haben. Auch am heutigen Tag wollen sie sich einen neuen Eindruck verschaffen. Bürgermeister Arnold Hoffmann blickt zurück: „Rotarische Freunde aus Italien haben uns geholfen und 35 Bautrockner zur Verfügung gestellt.“ In der Hochphase der Coronapandemie half Adenau der Partnerstadt Castione della Presolana, und über den dort ansässigen Rotary Club Clusone revanchierten sich die Italiener für diese Hilfe. Gegenseitige Solidarität sei hier zum Ausdruck gekommen.

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Der Spielplatz in Müsch, den der RC Adenau-Nürburgring einst finanzierte, hat die Flut überstanden. Davon hat sich Co-Clubpräsident Rolf Schlipköter persönlich überzeugt © Tanja Evers

Das Auto fährt entlang des schmalen Ahrtals. Die Ahr fließt ruhig in ihrem Flussbett. Wer heute auf sie blickt, kann sich nicht vorstellen, dass dieser Fluss einst zu einer meterhohen Todesflut wurde und ganze Häuser mit sich riss. Nun geht es vorbei an Hönningen. „Hier war mal ein Radweg. Der ist weg“, erklärt Claudia Rössling-Marenbach, die auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Noch immer sind viele Baumaschinen im Tal zu sehen, und Schuttberge türmen sich. Die Flutkatastrophe ist auch gut ein Jahr später noch sichtbar. Dafür bedarf es keiner zwei Minuten Fahrt durch das Ahrtal. Bei den drei Rotariern kommen immer wieder die Erinnerungen hoch. „Die Ortschaft Liers war zwei Wochen von der Außenwelt abgeschnitten“, erzählt Hoffmann, seine Freunde nicken. „Ich weiß noch genau, wie ich mit dem Fahrrad unterwegs war, um meine Schwiegermutter zu finden.“ Immer wieder kommt Hoffmann im Laufe der Fahrt auf die am Ende erfolgreiche Suche nach seiner Schwiegermutter zu sprechen. Die verzweifelte Suche nach Angehörigen, die nicht erreichbar waren, hat sich tief ins Gedächtnis eingebrannt.

Zu jedem Ort, den sie passieren, haben sie etwas zu erzählen. In Altenburg kamen Wochen nach der Katastrophe bei Claudia Rössling-Marenbach erstmals die Tränen. So stark die Menschen im Ahrtal nach der Katastrophe auch waren, sosehr sie auch anpackten, um zu retten, was zu retten ist – irgendwann war jeder mit seinen Nerven mal am Ende. Gedenkfeiern, die eigentlich Trost spenden sollten, wurden zu einer extremen Belastung. „Dabei kamen so viele Erinnerungen hoch“, gibt sie offen zu.

Bagger stehen am Straßenrand. Immerhin sind im Vergleich zur Tour im vergangenen Jahr viele Straßen inzwischen wieder befahrbar. Das Auto biegt nach rechts Richtung Altenahr ab. Hinter der Eisenbahnbrücke machen die Rotarier halt. Noch immer ist die Brücke im zerstörten Zustand zu sehen. Wann mal wieder Züge durch das Ahrtal fahren? Ungewiss. Die Brücke steht heute wie ein Mahnmal im Tal und erinnert den Clubpräsidenten an die vergangenen zwei Jahre, die dem Club zusetzten. „Wir sind von einer Katastrophe in die nächste gekommen. Erst kam die Coronapandemie und dann die Flutkatastrophe“, sagt Schlipköter. In der Zeit, in der sie sich nur online treffen konnten, hätten sie drei Mitglieder verloren. Die persönlichen Treffen im Rittersaal des Hotels Blaue Ecke seien eben durch nichts zu ersetzen. Als wäre das nicht schon hart genug gewesen, habe die nachfolgende Flutkatastrophe noch mal richtig Kraft gekostet.

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Rotary hat die große Hebebühne finanziert, damit Kfz-Meister Dirk Hupperich wieder arbeiten kann © Tanja Evers

Weiter geht die Fahrt. Eine Behelfsbrücke wird überquert und der Ort Insul erreicht. Die Rotarier wollten sich eigentlich nun mit dem Kfz-Meister Dirk Hupperich treffen. Der konnte dank finanzieller Hilfe der rotarischen Gemeinschaft eine neue Hebebühne anschaffen. Die Hebebühne ist auch da, ein VW-Bus steht darauf, nur Dirk Hupperich ist nicht anwesend. Stattdessen werden sie freundlich von seiner Schwester Tanja Hupperich-Zalfen und ihrem Mann empfangen. „Mein Bruder ist ein paar Tage in den Urlaub gefahren. Er brauchte mal eine Auszeit“, berichtet sie. An seiner Stelle dankt sie für die rotarische Hilfe. Ihr Bruder könne nun wieder arbeiten und Geld verdienen. Ein Stück weit sei Normalität eingekehrt. Ein Stück weit. Die Kanalisation sei noch immer nicht intakt in Insul.

In Antweiler, der nächsten Station auf der Rundfahrt, traf Claudia Rössling-Marenbach im vergangenen Jahr einen völlig desillusionierten Pizzabäcker an. Am heutigen Tag strahlt Wolfgang Pinnhammer und ist wesentlich gesprächiger. Seine Pizzeria Da Paolo Due erstrahlt in neuem Glanz, Tische und Stühle stehen so bereit, als wolle er gleich Gäste empfangen. Die von Rotary organisierten Bautrockner haben ganze Arbeit geleistet. „Nächste Woche geht es vielleicht schon los hier“, sagt Pinnhammer und lächelt. Helfer Markus Eiting ist nicht so optimistisch: „Realistisch wird die Pizzeria wieder in drei Wochen aufhaben.“ Bis dahin will er gemeinsam mit dem Rotarier Thomas Haan, der an diesem Tag nicht anwesend ist, und dem gesamten Rotary Club weiterhelfen, dass das Lokal eine Zukunft hat.

– Hagen im November 2022 –


Eine Zukunft. Die wünscht sich der TuS Volmetal für seine vereinseigene Sporthalle. Auch ein Jahr später kann darin noch kein Sport g etrieben werden. „265.000 Euro Fluthilfe haben wir beim Land Nordrhein-Westfalen beantragt, bislang aber keinen Cent erhalten“, berichtet Vorstandsmitglied Uwe Leicht. Die rotarischen Hilfsgelder flossen dagegen schnell, und der Verein ist dem Rotary Club Hagen noch heute dankbar. Die Wände sind inzwischen trocken, doch ein neuer Hallenboden fehlt nach wie vor. Auch deshalb denken die Rotarier bei der Unterstützung langfristig. Thomas Spruth und Hermann Backhaus sind gemeinsam mit Governor Wolfgang Schröter auf einer Tour durch Hagen, um sich vor Ort bei Betroffenen, denen Rotary half, nach der aktuellen Situation zu erkundigen. Mit dem Verein stehen sie im regelmäßigen Austausch. Sie wissen, dass noch viel Zeit und Geld benötigt wird, ehe wieder Sport in der Halle getrieben werden kann. Die fehlende Halle trifft die Sportler hart. „Der Verteidigungskurs für Frauen, Kinder und Jugendliche kann nicht mehr angeboten werden, auch Badminton findet nach wie vor nicht statt“, erklärt Vorstandsmitglied Dietmar Gebhard. Es sei nicht gelungen, für alle Sparten eine Ausweichhalle zu finden. „Dieses Jahr findet hier in dieser Halle definitiv kein Sport mehr statt“, stellt er klar.

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Dieses Haus direkt am Ufer der Volme muss abgerissen werden © Florian Quanz

Trotzdem blickt der Verein optimistisch in die Zukunft und hat auch Pläne mit dem Feldhandballareal vor der Halle. „Das wollen wir umgestalten zu einem Treffpunkt für die verschiedenen Generationen hier im Volmetal“, erklärt Leicht. Unter anderem eine Boulebahn sei geplant. Als Feldhandballplatz wolle man das Rasenstück nicht mehr nutzen, dafür gebe es keinen Bedarf mehr. Sofort signalisieren die Rotarier auch hier ihre Hilfsbereitschaft. „Unsere angebotene Hilfe beruht auf drei Säulen: Soforthilfe, Prävention und Jugendförderung.

Da diese Umgestaltung auch der Jugend zugutekommen würde, bringen wir uns gerne ein“, erklärt Thomas Spruth. Was unter Prävention zu verstehen ist, erklärt Spruth im Nachgang. „Wir unterstützen Kinder- und Jugendfeuerwehren sowie die DLRG.“ Eindrucksvoller Beleg: Sieben Boote wurden im März für die DLRG bestellt und befinden sich im Bau.

Jeden Tag im Einsatz

Aber nicht nur diese Hilfe beeindruckt den mitanwesenden Governor des Distriktes 1900, Wolfgang Schröter. 2850 ehrenamtliche Stunden haben die rotarischen Freunde des RC Hagen in Sachen Fluthilfe geleistet. „Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht diesbezüglich unterwegs sind oder am Schreibtisch sitzen“, sagt Hermann Backhaus. Für ihr Engagement erhalten sie viel Lob und Dank. „Ohne die finanzielle Hilfe von Rotary hätten wir keine Basis gehabt, neu anzufangen“, erzählt Bernd Zeugner. In seinem Reihenhaus im Hagener Stadtteil Delstern stand das Wasser mehr als eineinhalb Meter hoch. Wussten er und die anderen Anwohner der Siedlung direkt nach der Katastrophe nicht, wie es weitergehen soll, haben sie nun ihr Zuhause wieder. Eine neue Heizung wurde angeschafft, die Stromanlage erneuert, und neue Möbel wurden gekauft – ohne rotarische Hilfe, aber auch ohne den Zusammenhalt innerhalb der Nachbarschaft, wäre das undenkbar gewesen.

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Bernd Zeugner (Vierter von links) und seine Frau Angelika erklären den Rotariern, was in gut einem Jahr alles geschafft wurde © Florian Quanz

Dennoch hat die Katastrophe langfristige Spuren hinterlassen. „Ein Nachbar hat mehrere Schlaganfälle erlitten“, berichtet Michelle Müller. Der ganze Stress nach der Flut habe ihm zugesetzt. „Wer eine psychologische Beratung braucht, darf sich gerne bei uns melden. Wir vermitteln da schnell etwas“, sagt Thomas Spruth an diesem Tag mehrfach. Miriam Adolphs, die mit ihrem Mann in der Siedlung die Koordination der angebotenen Hilfe übernommen hat, verspricht, das Angebot bekannt zu machen. Mit ihrer positiven Grundeinstellung hat sie auch viele Nachbarn angesteckt. Adolphs hat es stets geschafft, auch das Gute zu sehen – den noch besseren Zusammenhalt der Nachbarschaft, die guttuende Hilfsbereitschaft aus dem ganzen Land und in ihrem Haus die neuen Raumnutzungen. „Dort, wo früher die Öltanks unserer Heizung standen, hat meine Oma endlich eine eigene Abstellkammer.“ Die Adolphs stiegen auf eine Gasheizung um. In der Flut der Volme schwimmende Öltanks wird es hier nicht mehr geben. 

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