ShelterBox
Zoom-Meeting zu Ursachen von Migration
Treibt nun auch noch der Klimawandel Menschen in die Flucht? Und was können die Rotarier tun, um Hilfe zu leisten? — Das waren die Themen eines aktuellen Meetings in diesem Monat.
Das Thema „Klimabedingte Migration und humanitäre Hilfe“ hatte am 26. Oktober 2021 etwa 80 Teilnehmer ins Gespräch gezogen. Denn auch die Überschwemmungen vor der eigenen Haustür verdeutlichen wohl inzwischen jedem, dass die Folgen des Klimawandels dramatische Ausmaße annehmen. Tausende Menschen hierzulande verloren ihr Zuhause - das Gleiche passiert jährlich in anderen Teilen der Welt, und macht somit die Heimat von Millionen von Menschen unbewohnbar. Der Ausblick: Extreme Wetterereignisse nehmen zu - und führen daher nicht nur zum Verlust von Häusern und Ernten, sondern auf lange Sicht auch zu Migration und Flucht.
ShelterBox brachte dazu Persönlichkeiten aus Journalismus, Politik- und Klimaforschung sowie humanitärem Aktivismus ins Gespräch.
Sanj Srikanthan, seit 2019 CEO von ShelterBox, berichtete von den Schwierigkeiten, abzuschätzen, wo die nächste Hilfsaktion nötig ist. Hilfe werde sowohl in Teilen Afrikas und Kleinasien nötig sein. Und der Klimawandel trage zur Verschärfung der Krisen bei. Deshalb gehe es zum Beispiel auch um Notunterkünfte für Flüchtlinge in Syrien für die Wintermonate.
Immer mehr Naturkatastrophen
Er wies auf Untersuchungen hin, dass allein in 2020 rund 12 Mio. Menschen von Katastrophen betroffen waren. Shelterbox helfe rund 150.000 Menschen im Jahr. Wegen der zunehmenden Naturereignisse gebe es bei ShelterBox inzwischen sogar eine eigene Wetterbeobachtung. Denn: "Der Klimawandel wird alle Gegenden dieser Erde erreichen - wir sind dann noch stärker gefragt."
Mit im Gespräch: Dr. Kira Vinke, Politikwissenschaftlerin und Klimakrisenexpertin. Vinke ist Leiterin des neu gegründeten Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Sie erläuterte ihren Schwerpunkt " Migrationsbewegungen als Folge des Klimawandels": "Bauern, Fischer und andere sehen ihre Lebensgrundlage massiv beeinträchtigt. Wegen der Knappheit der Lebensmittel und häufig auch einer Ungleichverteilung der Macht kommt es zu starken Polarisierungen — keine gute Entwicklung."
Das kann auch Fotografin und Künstlerin Barbara Dombrowski bestätigen. Sie arbeitet an einem internationalen Foto-Kunstprojekt mit Fokus auf dem Klimawandel. Dort, wo der Klimawandel zu besonders starken Veränderungen im Leben der Menschen führte, erfuhr sie die massiven Klimafolgen vor allem für indigene Völker. Ihre Intention: Menschen verbinden, Brücken schlagen, Aufmerksamkeit schaffen — vor allem für die Frage: Was hat uns dazu gebracht, wo liegen die Ursachen dafür, dass es jetzt gehäuft Naturkatastrophen gibt? Dombrowskis Ausstellungen bieten sehenswerte Einblicke.
Politik muss mitwirken
Als weitere Gesprächspartnerin stellte sich Prof. Dr. Silja Klepp von der Universität Kiel den Fragen von Moderator und Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski. Klepp hält eine Politisierung des Themas Klimawandel für wichtig. Fragen der Verantwortlichkeit und Klimagerechtigkeit müssten geklärt werden. Ihre Forschungen zu sozialen und kulturellen Folgen der Klimawandelanpassung ergaben, dass es inzwischen Menschen gibt, die zu arm sind zu migrieren. Jedoch entwickle sich mancherorts eine neue Situation: Wenn die Menschen zusammenhielten, emigrierten sie letztlich nicht, sondern versuchten, in ihrer Heimat zu überleben. Sie berichtete von ihrer Arbeit im winzigen pazifischen Inselstaat Kiribati, der vom steigenden Wasserspiegel in den Meeren bedroht ist. Und wo versucht wird, von anderen Ländern im Süden zu lernen und Migration in Würde zu ermöglichen.
Dass auch gesundheitliche Beeinträchtigungen mit dem Klimawandel zu tun haben, machte Prof. Dr. Timo Ulrichs deutlich. Der Mediziner hat die Professur für internationale Not- und Katastrophenhilfe an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin inne. Er plädierte dafür, die Knappheit von Ressourcen im Blick zu haben, zum Beispiel Wasser. Zudem müssten Zwischenlösungen gefunden werden, sonst würden Landstriche zum Beispiel in Ostafrika in naher Zukunft unbewohnbar.
Klima- oder sonstiger Krisenflüchtling?
In der Diskussion kamen weitere wichtige Fragen auf: Wie unterscheidet man einen Klimaflüchtling von sonstigen Flüchtlingen vor Armut und Gewalt? Häufig handle es sich um langsame Ereignisse wie die Austrocknung des Bodens, die Versteppung ganzer Regionen, die als Fluchtursachen identifiziert werden können. Häufig spielten mehrere Faktoren ineinander, das mache Prognosen schwierig. Ebenso diskutiert: Welche Rechtsaspekte gehören dazu?
Die Bilder von Barbara Dombrowski lieferten eindrückliche Szenen zum Gespräch. Ihre Erzählungen von Begegnungen mit Angehörigen indigener Völker auf allen Kontinenten beeindruckten.
Kira Vinke verwies darauf, dass Vorhersagen für 2025 bei rund 200 Millionen Flüchtlingen liegen. Deshalb sei entscheidend: "Wie schaffen wir es, die Menschen — wo auch immer — zu schützen?" Silja Klepp pflichtete ihr bei: "Das ist die Herausforderung unserer Zeit. Hier müssen wie in solidarischer Weise handeln, regional und global." Auch Timo Ulrichs plädierte dafür, die Folgen des Klimawandels als Weltgemeinschaft in Angriff zu nehmen. Sanj S... erinnerte daran, dass manche Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt nicht mehr reparier- und rückbaubar seien. Das merke ShelterBox häufig bei den Einsätzen.
Einig waren sich die Experten, dass überlegt werden müsse, mit welchen Projekten die Klimaflucht abgewendet werden kann. Dafür gelte es zum Beispiel, Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten, Konflikte zu befrieden und proaktiv zu handeln. Dabei können Rotary eine wichtige Rolle spielen.
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