Eine Polio-freie Welt ist in Reichweite
Lasst uns zusammen Geschichte schreiben!
Eine Polio-freie Welt ist in Reichweite. Deutschland kann Pakistan im Kampf gegen die Kinderlähmung stark unterstützen.
Ich bin Pakistani. Ich lebe in einem Polio-endemischen Land. Pakistan ist eines der beiden letzten Länder weltweit, in dem sich jedes Jahr Kinder mit dem Virus anstecken und für den Rest ihres Lebens gelähmt bleiben. Polio ist nicht heilbar, eine Ansteckung lässt sich aber durch Immunisierung leicht verhindern, wie die Geschichte zeigt.
Als Rotary International der Kinderlähmung 1985 den Kampf ansagte, war das Virus in 125 Ländern endemisch. Jahr für Jahr erkrankten 350.000 Kinder an der unheilbaren Krankheit. Dieses Jahr verzeichnen wir weltweit bisher 57 Fälle von Polio, 41 davon in Pakistan, der Rest im benachbarten Afghanistan. Die Anzahl der Ansteckungen ist um über 99 Prozent zurückgegangen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Die Global Polio Eradication Initiative (GPEI), die öffentlich-private Partnerschaft von Rotary International, der Weltgesundheitsorganisation WHO, der US-Gesundheitsbehörde CDC, dem Kinderhilfswerk UNICEF und der Bill und Melinda Gates Stiftung, konnte weltweit über 2,5 Milliarden Kinder gegen Poliomyelitis impfen. Zehn Millionen Kindern wurde so das Schicksal erspart, mit einer Paralyse leben zu müssen.
Im Jahr 2012 gab es so wenig Polio-Fälle wie nie zuvor. Indien, das lange als das herausforderndste Land im Kampf gegen Polio angesehen wurde, war seit zwei Jahren Polio-frei. Von dieser noch nie da gewesenen Möglichkeit inspiriert, die Kinderlähmung endgültig auszurotten, entwickelte die GPEI den Endplan 2013-2018,
eine langfristige Strategie, um bis 2018 eine Polio-freie Welt zu erreichen.
Die Strategie
Weltweit sollen Kinder immunisiert werden. Regierungen müssen sicherstellen, dass lückenlose Impfungen möglich sind. Ist Kinderlähmung erst einmal Geschichte, werden das erworbene Wissen und die aufgebaute Infrastruktur verwendet, um andere Krankheiten zu bekämpfen. Dank dieses Vermächtnisses konnte beispielsweise Nigeria innerhalb von ein paar Monaten Ebola, eine der tödlichsten Krankheiten überhaupt, erfolgreich bekämpfen. Trotz großer Herausforderungen ist Nigeria heute Polio-frei. Auch wir hatten gehofft, Ende 2014 keine Polio-Fälle mehr zu verzeichnen. Die meisten der 3000 pakistanischen Rotarier engagieren sich sehr stark gegen Polio. Wir waren 2012 bei 58 Fällen angelangt, doch dann stieg die Zahl der Ansteckungen wieder an – auf über 300 im Jahr 2014. Nicht zuletzt deshalb, weil Fundamentalisten den Menschen eintrichterten, der Islam verbiete es, Kinder zu impfen. Ein herber Rückschlag.
Wir suchten die Zusammenarbeit mit islamischen Gelehrten. Sie halfen uns, das Vertrauen der Menschen in die Impfungen wieder aufzubauen. Zusammen mit unseren Partnern haben wir innovative Wege gefunden, um mehr Kinder impfen zu können. Rotary hat beispielsweise landesweit über 20 permanente Transitposten ermöglicht, in denen Nomaden und Reisende geimpft werden können, damit Polio sich nicht ausbreiten kann. Täglich erreichen wir so Hunderte Kinder. Acht Zentren wurden in verschiedenen Landesteilen errichtet, um das Bewusstsein in den Gemeinden zu stärken.
Rotarier sind bei den weniger Privilegierten unserer Gesellschaft, helfen bei Gesundheitsanliegen. Sie besuchen Schulen, Gemeinschaftszentren, Einkaufszentren und Treffpunkte in Städten und auf dem Land. Überall werden die Menschen sensibilisiert. Denn ohne ausreichend Impfschutz kann Kinderlähmung jederzeit und überall wieder ausbrechen.
Pakistan muss Hürden überwinden und Herausforderungen meistern. Aber es kämpft beständig, mit immer besseren Aussichten, den Kampf gegen Polio zu gewinnen. Angesichts der weniger werdenden Fälle und der Jahreszeit, in der weniger Ansteckungen erfolgen, hat das Emergency Operations Center Immunisierungsaktivitäten geplant, mit denen 36 Millionen Kinder unter fünf Jahren die Polio-Impfung erhalten sollen.
Die letzte Meile gemeinsam gehen
Eine unserer Hauptsorgen ist, dass die Mittel nicht ausreichen, um unser Programm durchzuführen. Deutschland hat die Aktivitäten der GPEI in Afghanistan und Nigeria seit 2013 finanziell unterstützt. Aber die Regierung war bisher zurückhaltend, Mittel zur Polio-Bekämpfung in Pakistan zur Verfügung zu stellen. Dank Rotary Deutschland und unseren deutschen Partnern konnte ich Mitte November deutsche Parlamentarier treffen und mit ihnen über den Kampf gegen Kinderlähmung sprechen.
Ich traf unter anderem die Parlamentarierinnen Michaela Engelmeier und Gabi Weber sowie Dr. Stefan Oswald vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin. Sie alle zeigten viel Sympathie für unser Anliegen. Ich bin zuversichtlich, dass sie sich dafür einsetzen werden, dass Pakistan deutsche Hilfe bekommt.
Unsere Regierung in Pakistan ist in der Pflicht, um Mittel anzufragen und ihr Engagement im Kampf gegen die Kinderlähmung zu zeigen. Dafür setzen wir uns mit unseren Partnern ein. Hier in Deutschland können Sie und auch Nicht-Rotarier dafür sorgen, dass Polio im Bewusstsein der Öffentlichkeit bleibt.
Auch wenn die Welt heute zu über 99 Prozent Polio-frei ist, eine Rückkehr der Kinderlähmung kann nirgends ausgeschlossen werden, solange die Krankheit in Pakistan – und in Afghanistan – nicht besiegt wird. Polio wurde schon in andere Länder exportiert, und es kann jederzeit wieder geschehen. Auch wenn Deutschland während Jahren keinen Fall von Kinderlähmung mehr hinnehmen musste, das Risiko eines Ausbruchs besteht, solange es die Krankheit irgendwo auf der Welt gibt. Nach wie vor gilt: Wenn wir nachlassen, könnten wir in naher Zukunft wieder 200.000 Fälle jährlich haben. Das darf auf keinen Fall geschehen.
Lasst uns zusammen Geschichte schreiben! Wir Rotarier müssen am Ball bleiben, damit Polio bei Regierungen weltweit eine hohe Priorität genießt – auch in Deutschland. Die GPEI schätzt, dass es 5,5 Milliarden Dollar kosten wird, Polio auszurotten. Die Kosten, nichts zu tun, sind definitv höher.
Hintergrund: Krankheitsprävention und -behandlung
Die Verbesserung der medizinischen Infrastruktur in medizinischen Notstandsgebieten ist die grundlegende Leitidee für diesen Bereich.