Hoffmeisters Fundstücke
Inspirierende Fluchten
Hideaways dienen als Orte der Besinnung. Für die innere Einkehr bei ungemütlichem Herbstwetter helfen aber auch andere Optionen
Weltpolitische Verwerfungen, Paradoxien des Alltags und lärmender Zeitgeist versehren zunehmend die mentale Verfassung des Einzelnen. Fluchtfantasien ergreifen Raum in Welten, die Überschau- und Beherrschbarkeit sowie Konsistenz versprechen. Ob Dorfkirche in den Abruzzen, norwegisches Postschiff, Hütte im Odenwald oder Luxusherberge in der Bretagne: Die Ferne von den Unzulänglichkeiten des Alltagsbetriebs hilft, intellektuelle und emotionale Balance zu generieren und neue Denkräume aufzuschließen.
Die internationale Luxushotellerie liefert eminente Vielfalt und endlose „Wellbeing“- und Service-Optionen. Doch nicht immer gewährt, was glänzt, Distinktionsgewinn und Kontemplation. Seit nunmehr 20 Jahren präsentiert der Band „Hideaways Hotels“ eine Auswahl internationaler Spitzenhotels, die über austauschbaren Komfort hinaus durch originäre Aura, individuelle Ausstattung, besondere Lage und erlesenen Service für sich einnehmen. Die aktuelle Ausgabe widmet sich 100 solitären Adressen aus drei Kontinenten. Kompakte Texte und aussagekräftige Bilder gewähren Orientierung.
Die Geschichte von Gut Immenhof reicht zurück bis ins Mittelalter. Unter wechselnden Besitzern und Funktionen unterlagen Gebäude-Ensemble und Anlage zahllosen Metamorphosen. Seit den 50er-Jahren bekannt durch Pony-Schmonzetten wie die Immenhof-Reihe, erstrahlen Herren-, Torhaus und Stallungen heute als repräsentative Preziosen in holsteinischer Bautradition. Mit zwölf Gebäuden, 50 stilvoll im Countrystyle gestalteten Zimmern und sechs Ferienwohnungen reüssiert das Gut seit 2021 als Luxusrefugium mit zwei exzellenten Restaurants. Die weitläufige Anlage mit Reitplatz, Pferdeboxen, Hofladen und Freizeitangeboten für Kinder bietet Gästen einen idealtypischen Fluchtpunkt für kultivierte Auszeiten.
Chopin und kein Ende: Noch immer und zu Recht gilt das Werk des polnischen Komponisten und Virtuosen wegweisenden Pianisten als Fixpunkt künstlerischer Ambition. Kaum ein Zweiter – Liszt ausgenommen – wusste das Spektrum pianistischen Handwerks, stilistischer Finessen und klanglicher Potenziale vergleichbar aufzufächern. Der Reise in kompositorische Zwischenwelten und emotionale Tiefendimension verpflichtet fühlen sich Tastenheroen und -heroinen aus aller Welt. Nur eine überschaubare Zahl scheint allerdings über das spezifische Chopin-Gen zu verfügen, das selbst anspruchsvolle Exegesen zum finalen künstlerischen Statement wachsen lässt. So gebührt in diesen Tagen besonders der russischen Pianistin Yulianna Avdeeva das Verdienst, den Herausforderungen aparter Rubati, technischer Parforceritte, gestalterischer Übersicht und balancierter Emotion umfassend gerecht zu werden. Mit „Chopin Voyage“, eingespielt auf dem Privatflügel von Pianolegende Vladimir Horowitz, gelingt Avdeeva entlang von Lesarten ausgewählter Spätwerke eine der bemerkenswertesten ChopinHommagen der letzten Jahre.
Henri Matisse zählt zu den herausragenden Malern und Grafikern der Moderne. Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel zeigt die erste Werkretrospektive des Franzosen in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum seit fast 20 Jahren. Entlang von über 70 Hauptwerken aus namhaften Museen und Sammlungen folgt der Besucher den Reisen des Künstlers in Länder wie Italien, Spanien, Russland, Marokko, Amerika oder Tahiti und vermag auf diese Weise, zentralen Inspirationspunkten und dem Entstehungsprozess der Bilder nachzuspüren. Zum Abtauchen.
- Buch: Hideways Hotels: Die 100 schönsten Hotels und Resorts der Welt, 2024/2025, Klocke Verlag, 232 S., 20 Euro
- Hotel: Gut Immenhof, Rothensande 1, 23714 Malente, kontakt@gutimmenhof.de
- CD: Chopin Voyage, Yulianna Avdeeva, Pentatone
- Ausstellung: Matisse – eine Einladung zur Reise, Fondation Beyeler, bis 26.1.2025, fondationbeyeler.ch
Martin Hoffmeister publiziert regelmäßig in nationalen und internationalen Magazinen und Zeitungen. Als Redakteur im Kulturressort des MDR-Hörfunk beobachtet er die Musik- und Literaturszene seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Rotary Magazin empfiehlt er Neuerscheinungen aus dem Kulturleben und Fundstücke von seinen Reisen.
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