Distrikt 1860
von Irmintraud Jost |
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Durch die Erinnerung eines Zeitzeugens wird Geschichte real – Dr. Gerhard Wiese, ehemaliger Ankläger, erinnerte an die Auschwitz-Prozesse gegen 21 SS-Angehörige.

Vor 150 Zuhörerinnen und Zuhörern berichtete der 97-jährige ehemalige Oberstaatsanwalt Dr. Wiese detailliert und spannend aus seinem Leben. Er erinnerte insbesondere an den Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965 in Frankfurt. Die drei Rotary Clubs, Darmstadt-Kranichstein, Darmstadt-Bergstraße und Darmstadt, hatten zu dem Zeitzeugenbericht gemeinsam in das Haus der Geschichte in Darmstadt eingeladen.

Als Flak-Helfer begann für den 15-Jährigen Gerhard Wiese der Kriegseinsatz. In den letzten Stunden des Krieges zum "Soldaten" befördert, kam er in russische Kriegsgefangenschaft. Nach Freilassung, Schulabschluss und Jura-Studium wurde er als junger und unbelasteter Staatsanwalt von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in das Ankläger-Team für die Auschwitz-Prozesse aufgenommen. Das Team verfasste die Anklageschrift gegen 21 ehemalige Lager-SS-Angehörige und einen Funktionshäftling.

Für den Prozess wurden 360 Zeugen, überwiegend ehemalige Lagerhäftlinge vorgeladen. Um die Plausibilität der Aussagen zu prüfen, musste unter politisch und logistisch sehr herausfordernden Bedingungen ein Ortstermin im Konzentrationslager organisiert werden.

Dr. Wiese erinnert sich an die Blocks für Häftlinge, die gesprengte Gaskammer, das Krematorium und das Nebenlager Birkenau in seiner ungeheuren Ausdehnung. Über eine Million Menschen, überwiegend Jüdinnen und Juden, wurden Opfer dieser fabrikmäßigen Todesmaschine. Nach der Verurteilung der Täter, bereitete Dr. Wiese auch die Revisionsverhandlung im Februar 1969 vor.

Der Präsident des RC Darmstadt-Kranichstein, Ole Kleffmann, betonte die Wichtigkeit solcher Zeitzeugenberichte. Der Darmstädter Oberbürgermeister, Hanno Benz, unterstrich, die dauerhafte Aufgabe an diese Zivilisationsbrüche des 20. Jahrhunderts zu erinnern, um vor ähnlichen Entwicklungen zu warnen. "Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, dass sie nicht zur Hölle wird", zitierte er den Chefankläger Fritz Bauer. Und genau dafür dankten die Darmstädter Rotary Clubs und die Zuhörerinnen und Zuhörer dem trotz seines Alters hoch aktiven Zeitzeugen. Der Dank ging auch an seine Nichte Beate Raabe, die im RC Darmstadt-Kranichstein den Impuls für den Zeitzeugenbericht gab.

Irmintraud Jost

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