Bröckedde

Der Fremde im Zug

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 2 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg

 

 

 

Als Präsident Pröpke das Abteil des ICE betrat, der ihn von Bröckedde nach Düsseldorf bringen sollte, fand er einen freien Fensterplatz. Seine Freude wuchs noch, als er den Herrn gegenüber erblickte, der wie er die Rotary-Nadel trug. Komplettiert wurde die Gruppe durch einen Reisenden ohne Nadel, der sich auf einem Platz am Gang hinter seiner Zeitung versteckte.

Pröpkes Freude kannte kaum noch Grenzen, als sich sein Gegenüber als Freund Dottergrün, Präsident des RC Oberholzklau, entpuppte. Und schon kamen sie darüber ins Gespräch, was es bedeutete, Präsident eines Rotary-Clubs zu sein.

Dottergrün seufzte: „Ich habe lange ein Werk mit fünftausend Leuten problemlos gemanagt, aber meine 70 Schäfchen im Club, die schaffen mich.“

„Wem sagen Sie das, lieber Freund. Als ob man einen Sack Flöhe hüten muss“, meinte Pröpke.

„Es ist eine Rasselbande“, stöhnte Dottergrün. „Keiner liest meine Mails“, knurrte Pröpke.
„Und sie hören nie zu“, klagte Dottergrün.
„Einfach alles muss man ihnen dreimal sagen“,meinte Pröpke.
„Und dann tun sie es immer noch nicht“, erwiderte Dottergrün.
„Die Schäfchen sind halt träge“, stieß Pröpke hervor.

 

„Und undankbar“, bemerkte Dottergrün bekümmert.

„Außerdem daddeln sie während der Vorträge ständig auf ihren Smartphones herum“, grummelte Pröpke.

„Ach, die Vorträge! Da hatte ich mal einen Fast-Nobelpreisträger eingeladen. Und wie viele kamen zum Vortrag? Acht Freunde“, klagte Dottergrün.

„Lassen Sie mich raten, an dem Abend spielte die Champions League?“, fragte Pröpke.

Dottergrün nickte: „Es ist schon ein Kreuz mit den Unsrigen.“

Beide klagten en détail weiter, dann verfielen sie ins Schweigen und dachten jeder für sich über ihr Schicksal nach, während der ICE durch Ostwestfalen donnerte. Der Zug hielt in Bielefeld und der Fremde vom Gangplatz verabschiedete sich.

Zuhause begrüßte ihn die Gattin: „Wie war das Geschäftsmeeting in Hannover?“

Er winkte ab: „Wie immer – viele gingen hinein und nichts kam heraus.“

Sie wollte ihn trösten, doch er meinte: „Im ICE habe ich zwei getroffen, bei denen auch nichts funktioniert.“

„Von welcher Firma?“

„Na ja, so genau konnte ich nicht verstehen, was sie eigentlich tun. Ist wohl irgend so eine Vereinigung zur Betreuung einer ganz speziellen Klientel. Aber es muss furchtbar sein.“

 

 

 

Alexander Hoffmann

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