Bröckedde

Die Rotierenden

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 3 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

"Wir müssen mit der Zeit gehen", befand Präsident Pröpke und schlug vor, auch beim RC Bröckedde zu gendern. "Sonst heißt es, wir seien alte, böse weiße Männer." Beim nächsten Meeting begrüßte er alle mit "Liebe Rotierende", womit sämtliche denkbaren Geschlechter berücksichtigt waren.

Kassierer Knödler knurrte: " Wir sind weltoffen und tolerant, für Gleichberechtigung und für Minderheiten. Aber mir ist unklar, inwieweit Gendern das irgendwie fördern soll."

"Das werden wir Ihnen schon noch beibringen", entgegnete Freund Zorngiebel. Er hatte einen Master in Genderstudies und war die treibende Kraft der Genderfraktion im Club. In seinem Lebensbericht hatte er seine Mutter genderkorrekt als das "austragende Elternteil" erwähnt.

Als Zorngiebel von den "Studierenden" sprach, erinnerte der Clubintellektuelle Dr. Krümelein an Goethe. "Der hat unterschieden zwischen dem Studierenden, der über seinem Lehrbuch hockt, und dem Studenten, der in Auerbachs Keller Wein trinkt. Es ist grammatikalischer Nonsens, das Partizip Präsens zu verwenden, um die beiden Geschlechter zu vereinen."

Zorngiebel focht das nicht an: "Auch Goethe, wer immer das sein mag, wird sich noch ans Gendern gewöhnen müssen."

Pröpke wurde mulmig beim verschärften Gendern: "Aber was soll ich machen, sogar in den Fernsehnachrichten wird schon gegendert."

Dr. Krümelein zitierte daraufhin ernst einen sehr renommierten Linguisten: "Der Mond ist nicht männlich, die Erde nicht weiblich, das Weltall nicht sächlich. Es gibt ein biologisches und ein grammatisches Geschlecht."

Zorngiebel blieb unbeirrt. Die Rotierenden mussten sich in der Volkshochschule einfinden, um den Gebrauch des Gendersterns zu lernen, das Herzstück der neuen Hochsprache. Sie übten, das "Liebe Freund*innen" mit dem sogenannten Glottisschlag zu sprechen, einer Minipause zwischen dem männlichen Wortstamm und der weiblichen Nachsilbe. So wie beim "Spiegelei", das mit einer Unterbrechung als "Spiegel-Päuschen-Ei" gesprochen wird.

Eines Abends trotteten Dr. Krümelein und Knödler auf dem Bürger*innensteig nach Hause, leise "Spiegel-Päuschen-Ei" übend. Da fragte Knödler: "Wo sind eigentlich unsere Damen im Club? Von denen kommt nie eine zur Schulung."

In der Tat. Die Frauen, Bürgermeisterin Totholz-Gümbel vorneweg, rollten nur die Augen, als man sie zum Glottisschlagen einlud.

Totholz-Gümbel plante gerade ihren kommenden Wahlkampf. Als Zorngiebel ihr Referat dazu unter "Bürger*innen*meister*inwahl" ankündigte, platzte ihr der Kragen. "Männer kann man nun wirklich nicht unbeaufsichtigt lassen, da kommt einfach nur Unfug heraus."

Totholz-Gümbel mobilisierte die gesamte Frauenriege im Club, die Pröpke in Kur schickte und Zorngiebel eine Gesamtausgabe von Goethes Werken schenkte. Beim folgenden Meeting präsidierte Totholz-Gümbel als Notvorstand und verkündete: "Das Spiegel-Päuschen-Ei hat ausgedient. Basta."

Alexander Hoffmann

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