Bröckedde

Die schwarzbäuchige Taufliege

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 3 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

Freund Dünnwasser war neu im Club und hatte schlaflose Nächte. Ein grausiger Termin rückte näher und näher: sein erster Vortrag. Dünnwasser, von Haus aus Biologe, war ein hochkarätiger Fachmann in Sachen Drosophila, einer Gattung aus der Familie der Taufliegen. Aber er war schüchtern, bei jeder Rede vor mehr als zwei Leuten geriet er ins Schwitzen und Stottern.

Im RC Bröckedde bewunderte Dünnwasser all die Eloquenten, die so souverän in freier Rede das rotarische Publikum in ihren Bann zogen. Dünnwasser beschloss, sich in seinem Erstvortrag nur auf sicherem Terrain zu bewegen. In der Rede sollte daher die Drosophila einen breiten Raum einnehmen, wobei er mit seinen Kenntnissen bezüglich der schwarzbäuchigen Taufliege (Drosophila melanogaster) prunken wollte.

Dünnwasser vertiefte sich in Rhetorik-Ratgeber und notierte sich einen Spruch von Peter Ustinov: „Eine Rede sollte einen brillanten Anfang und einen brillanten Schluss haben sowie möglichst wenig dazwischen.“ Außerdem studierte er ausgesuchte Auftritte berühmter Redner.

Er lernte wie weiland Cicero seine Rede auswendig, und als der große Tag gekommen war, stapfte Dünnwasser im Salon Hindenburg beklommen nach vorne. Er sah hinüber zum Büfett, das es nach dem Vortrag geben sollte, und wünschte sich, es wäre schon so weit. Doch der Start gelang ihm recht flüssig. Er sprach klar und frei, er war über sich selbst erstaunt. Aber als er schwungvoll den Übergang zur schwarzbäuchigen Taufliege nehmen wollte, setzte plötzlich sein Gehirn aus. Nichts mehr kam, er hatte nicht nur einen Hänger, er hatte komplett den Faden verloren. Keine Panik, sagte sich Dünnwasser, und griff nach dem Zettel mit den Stichworten der Rede, den er sich für diesen Fall ins Jackeninnere gestopft hatte.

Das Dokument, das er zutage förderte, war leider nur der letzte Einkaufsmarschbefehl seiner Frau für den Edeka-Markt: „Zwei Kalbsschnitzel, ganz dünn, ein Kilo Pfirsiche, ein Bio-Brot und einmal Persil, aber nur das Original!“

Die Katastrophe war komplett, Dünnwassers Gehirn begann zu kollabieren. Still litt das Auditorium mit. Dünnwassers Blick schweifte hektisch durch den Raum, erneut musterte er das Büfett. Er gab sich einen Ruck und verkündete: „Den brillanten Anfang hatten wir schon, den Mittelteil erspare ich uns und komme zum brillanten Schluss – das Büfett ist eröffnet!“

Großes Aufatmen bei den Freunden, prasselnder Beifall. Und alles war gut.

Alexander Hoffmann

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