Bröckedde

Die Strafkasse

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 3 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

 

 

Beim RC Bröckedde herrschte Ebbe in der Kasse und Schatzmeister Knödler suchte neue Einnahmequellen. Da erinnerte sich Präsident Pröpke an eine alte Institution des Clubs.

„Führen wir doch die Strafkasse wieder ein“, meinte er zu Knödler.

Der horchte auf: „Richtig, die Strafkasse für rotarische Nachlässigkeiten. Bei jedem Verstoß wurde eine D-Mark fällig.“ Geführt wurde sie damals von Freund Fürchtenicht, einer Clublegende. Er achtete penibel auf rotarisches Benehmen und einen klassischen Dresscode. Am Eingang zum Clublokal hielt er stets Krawatten bereit, wer ohne Nadel erschien, den schickte er wieder heim.

„Wir sind aber heute etwas legerer“, gab Pröpke zu bedenken. Knödler blieb unbeirrt: „Ich bin sehr für die Strafkasse, das bringt den Club wieder in Form.“

Mit Führung der Strafkasse wurde Freund Fürchtenicht Junior beauftragt, der sich der Sache begeistert annahm. Er ging sehr viel schärfer ans Werk als der Herr Vater. So formulierte er einen 20-seitigen Katalog mit rotarischen Verstößen, die jeweils mit einem Bußgeld von einem Euro geahndet wurden.

Strafen gab es unter anderem für Zuspätkommer und Zufrühgeher, für nadellose Auftritte, für Schläfchen während eines Vortrags. Ein Euro wurde auch fällig für Vergehen wie „zu wenig Begeisterung beim Anhören der Regularien“, „schiefe Blicke Richtung Präsidententisch“ oder „zu langsames Essen“.

 

Anfangs ließen die Freunde Fürchtenicht gewähren, aber dann machte sich Unbehagen breit. Hinter vorgehaltener Hand wurde er wahlweise als „Big Brother“ oder „Robespierre“ bezeichnet.

Das Murren verstärkte sich, als Robespierre seine Überwachung verfeinerte. Am Eingang zum Salon Hindenburg stand ein Körperscanner, daneben flimmerten drei Monitore, über die er alle Vorgänge im Salon verfolgen konnte. Er notierte dann die Übeltäter und kassierte sie beim Verlassen des Salons ab.

Präsident Pröpke wurde mulmig: „Unser Robby übertreibt langsam ein wenig.“ Knödler widersprach: „Gewisse Härten sehe ich auch, aber den Clubfinanzen tut es gut.“

Robby durfte weiter wirken und weitete seinen Aktionsradius aus. Er überwachte nun auch die Autos der Freunde, die vor dem Bröckedder Hof parkten. Ein erstes Mahnschreiben erhielt ausgerechnet Kassierer Knödler. „TÜV seit zwei Tagen abgelaufen, kein Verbandskasten, rechter Hinterreifen zu wenig Profil – 133,10 Euro“, schrieb ihm Robby.

„Das artet ja in Tugendterror aus!“, klagte Knödler gegenüber dem Präsidenten. Der meinte weise: „So frisst die Revolution ihre Kinder.“

Robby wurde seines Amtes enthoben. Knödler aber trauerte den Einnahmen aus der Strafkasse nach und seufzte: „Immerhin haben wir ihm das Schicksal seines Namensgebers erspart.“

 

 

Alexander Hoffmann

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