Standpunkt
von Ruth Lötgers und Gerhard Jochum |
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Wer kennt das nicht: Rotarierinnen und Rotarier von rotarischen Kindesbeinen an als hehren Maßstab die vier Fragen hochhaltend – und doch kommt es zum Konflikt im Club.

 

 

 

Konflikte im rotarischen Clubleben treten auf in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen: Da trifft der vehement seine neue Projektidee Verfechtende auf den stirnrunzelnd die Nase rümpfenden „Was soll das denn?“ Freund. Da will der Präsident von vor Jahren, der nach dem Ende seiner Amtszeit selbsternannt den Clubdienst „Bedenken“ übernommen hat, jungen Freundinnen und Freunden, die sich engagieren wollen, erst einmal eine Zehn-Jahres-Eingewöhnungszeit verordnen. Da löst die einstimmig vom Aufnahmeausschuss empfohlene und vom Vorstand beschlossene Aufnahme einer neuen jungen Freundin bei einem kleinen Flügel Altgedienter kulturkampfähnliche Kampagnen aus.

Analysiert man solche und andere Konflikte unter Rotariern, trifft man immer wieder auf Ähnlichkeiten: fehlende Klarheit der rotarischen und Clubziele, fehlendes Verständnis rotarischer Regularien, mitunter gar weitgehende „rotarische Wissensfreiheit“, sehr viel mehr „Alpha“ als „Service Above Self“ und auch immer wieder nicht wirklich gelebte rotarische Werte.

Spiegel der Gesellschaft

Die Gründe für solche Konflikte sind so vielfältig wie die Menschen, die sich als Rotarierinnen und Rotarier zusammenfinden – ein Spiegel der Gesellschaft eben: unterschiedliche Persönlichkeiten, Erfahrungen, Lebenswelten, Generationenunterschiede. Und: unterschiedliche Vorstellungen, was Rotary sein soll – und leider auch eine oftmals mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, mit Unterschieden positiv umzugehen. Diese und andere Gründe artikulieren sich dann als Clubkonflikte – mal lokal an einem einzelnen Thema mit weniger Involvierten, mal als strukturelle Konflikte und nicht an einem einzelnen Thema festzumachen und den Club insgesamt betreffend. Nach aller Erfahrung wirken sich dabei unterschiedliche Führungserfahrungen und Konfliktfähigkeiten ebenso aus wie ein unterschiedliches Ambitionsniveau: Genügt uns ein nettes Meeting mittwochs um 13 Uhr, oder haben wir einen darüber hinausgehenden rotarischen Anspruch?

Entscheidend ist es, aus den grundlegenden rotarischen Zielsetzungen konkrete Clubziele zu entwickeln – und dies auch im Konfliktfall: Wollen wir das aktuelle Konfliktfeld zukunftsorientiert klären oder reicht uns ein stilles Begräbnis? Betrachten wir den Konflikt als lästige Störung, die es einfach nur zu beseitigen gilt, oder haben wir den Willen und die Kraft, aus einer Auseinandersetzung mit den Ursachen des Konfliktes Entwicklungspotenzial für Rotary und den Club zu gewinnen?

 

 

 

Unterschiedliche Zielsetzungen

So unterschiedlich die Erscheinungsformen der Konflikte und die ihnen zugrunde liegenden Ursachen und so verschieden auch die Zielsetzungen des Umgangs mit den Konflikten sind, so vielfältig sind auch die Handlungsmöglichkeiten zur Konfliktbewältigung. Unverzichtbare Grundlage ist dabei ein möglichst gutes Verständnis des Konfliktes – und damit das persönliche Gespräch: Nicht nur einmal und nicht nur mit dem einen, sondern ehrlich, offen und wenn irgend möglich auch mit dem Bemühen, ein zweites oder drittes Mal miteinander zu reden. Dabei kann auch eine Moderation solcher Gespräche hilfreich sein – wobei ein solcher Moderator persönlich geeignet und von den Konfliktparteien auch akzeptiert sein muss.

 

 

 

Hat der Konflikt mehr als nur lokale Züge, geht er also über das zunächst sichtbare Konfliktfeld hinaus, könnte anstelle der Klärung des konfliktträchtigen Themas durch eine Gesprächsmoderation eine Mediation sinnvoll sein. Klar vor Augen haben sollte man dabei die realistische Erkenntnis: Nicht jeder Konflikt ist mediationsfähig – und nicht jede Mediation wird erfolgreich.

Als noch weitergehende Handlungsmöglichkeit käme schließlich theoretisch, wenn auch im rotarischen Cluballtag wohl eher den Rahmen sprengend, das Instrument einer „Gruppen-Entwicklung“ in Betracht, in deren Rahmen das grundlegende Selbstverständnis des Clubs, seine Ziele und Aktivitäten und die zu deren Erfolg versprechender Realisierung erforderlichen „Spielregeln“ der Beteiligten entwickelt werden.

Unter pragmatischen Gesichtspunkten empfiehlt sich, weil eben nicht alle Konflikte lösbar sind, auf ein Zusammenwirken dreier Elemente zu achten: ein möglichst gutes Verständnis des Konfliktes – und damit das persönliche Gespräch, durchaus auch unter Inanspruchnahme geeigneter Moderation –, die Stärkung der Identifikation mit dem Club durch die Entwicklung geeigneter Aktivitäten und Projekte sowie eine konsequent wahrgenommene Führung des Clubs.

Aus unserer Erfahrung rotarischer Clubarbeit deshalb ein Fazit: Die Schaffung und Sicherstellung von Transparenz, Kommunikation und Zielentwicklung kann einen Beitrag zur Konfliktvermeidung leisten. Konfliktfähige Wahrnehmung der Verantwortung der Clubführung kann einen Beitrag zum erfolgreichen Konfliktmanagement leisten. Sichtbarkeit von Konsequenzen kann erfolgreiches Konfliktmanagement zum Zukunftsnährboden für Rotary und Clubs machen.

Diskutieren Sie mit und beteiligen Sie sich an unserer Meinungsumfrage zu diesem Standpunkt: rotary.de/#umfrage

 

 

 

 

 

 

 

Ruth Lötgers und Gerhard Jochum

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