Kolumne Peter
von Peter Peter |
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Wenn auch mit jeder Menge Alternativen experimentiert wird, Gänsebraten ist immer noch der wahre „signature dish“ einer Weihnachtstafel.

 

 

 

Einmal im Jahr erwacht die traditionelle deutsche Familienküche zu Höchstform. Mit einem üppigen, archaischen Genuss, der ein bisschen aus der Zeit gefallen scheint. Fettreiches Geflügel, dazu noch im Ganzen mit allen Knochen serviert, sodass der Hausherr seine vermutlich eher eingerosteten Tranchierkünste erproben muss. Andererseits liegt strikte Jahreszeitenküche ja total im Trend. Und da kann die Gans seit jeher punkten. Denn immer schon wurde sie zu Beginn der kalten Jahreszeit geschlachtet. So passt die hübsche Legende von der Martinsgans, die besonders in Österreich um den 11. November herum verzehrt wird, perfekt zum bäuerlichen Nahrungsrhythmus: Der heilige Martin soll sich ja aus Bescheidenheit in einem Gänsestall versteckt haben, als er zum Bischof gewählt wurde, und erst durch das Geschnatter der Vögel entdeckt worden sein. Auch das Königreich Bayern, das alle Heiligenfeste auf den Kirchweihtermin am 3. Sonntag im Oktober konzentrierte, hatte dieses Datum bewusst so gewählt, dass es am Ende der Erntezeit und am Beginn der Gänseschlachtsaison stand.

 

 

 

 

 

 

 

Und dann ist da noch das aktuelle Konzept des Sharing, des gemeinsamen Essens und Teilens, das nicht nur auf den Heiligen Abend beschränkt bleiben sollte. In meinem Schullesebuch stand eine schöne Geschichte aus längst vergangenen Tagen, in der ein pommerscher Gutsbesitzer im Zug eine ganze kalte Gans auspackt und seinen zufälligen Abteilgenossen an diesem Imbiss teilhaben lässt, was in eine lebenslange Freundschaft mündet.

Last, but not least: Beim Gänsebraten gilt das Prinzip nachhaltiger Resteverwertung. Aus den Innereien wird eine Minestra sporca, eine „schmutzige“ Reissuppe, wie das die Italiener nennen, zubereitet. Die Leber wird als Delikatesse kurz angebraten, das Fett ausgelassen. Aus den zerzupften Bratenresten wird eine köstliche Rillette zubereitet: „pulled goose“.

 

 

 

Wir Deutschen haben das Gänseessen nicht erfunden. Altägyptische Grabreliefs zeigen häufig Gänsespenden. Im Mittelalter mit dem Prinzip „je fetter, desto besser“, galt das Gänserösten am Spieß als Königsdisziplin der Kochkunst – die Chaîne des Rotisseurs knüpft mit ihrem Namen daran an. Die Stopfleber Foie gras soll als Nebenprodukt jüdischer Gänsemast aufgekommen sein – primär ging es angesichts des Schweinefleischtabus um die Züchtung eines alternativen Fettlieferanten. Bis heute ist Gänsesalami eine Spezialität Venedigs mit seiner hebräischen Kulturprägung.

 

 

 

Gans ist nicht gleich Gans: Eine burgenländische Weidegans oder eine niedersächsische Stoppelgans schmeckt nicht nur besser, sondern ist auch aus Gründen des Tierwohls tiefgefrorenen Importen von Käfigvögeln aus Massentierhaltung vorzuziehen. Auch über die Zubereitung lässt sich streiten. Es muss nicht immer der ganze Vogel sein: Einmal im Jahr gönne ich mir ein paar Scheibchen geräucherte Gänsebrust. Zu meinen absoluten deutschen Lieblingsessen gehört holsteinisches Sauerfleisch von der Gans mit Bratkartoffeln.

 

 

 

Gänsebraten muss nicht immer köstlich klassisch zubereitet werden mit Rotkohl oder Blaukraut, Maronen und Klößen. Das Fleisch verträgt durchaus Datteln und orientalische Gewürzkompositionen oder auch die Down-to-earth-Variante der slowakischen Dorfküche: Das Tier wird aus dem Ofen gezogen und mit gebackenen Kartoffelscheiben, Senfgurken und nein, nicht Gänsewein, sondern eisgekühltem Sliwowitz serviert!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Peter

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