Im Fokus
von Verena Hahn-Oberthaler |
| Lesezeit: 0 Minuten

Bei ihrer ersten Begegnung im Tierpark Haag vor knapp fünf Jahren nimmt die Geschichte einer afghanisch-österreichischen Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Menschen ihren Lauf.

Mojibullah Satari, ein damals 15-jähriger Afghane, hatte nach seiner Flucht mit 28 weiteren unbegleiteten Minderjährigen im Diakoniewerk in Gallneukirchen eine vorläufige Heimat gefunden. Bernadette Prieschl, engagierte Rotarierin im RC Aisttal-Hagenberg, war eben aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden. Ihr Rotary Club organisierte für die Jungs einen Ausflug in den Tierpark. „Und da war dieser eine freundliche Junge, Mojib. Er hat mir angeboten, meinen Rucksack zu tragen. Ich wollte das zuerst nicht, hatte sogar Vorbehalte. Er war so aufmerksam und beharrlich, er wollte mir die Last abnehmen, sodass ich schließlich einwilligte. Als wir uns verabschiedeten, fragte mich Mojib auf Englisch, ob ich morgen wiederkommen würde. Von diesem Tag an hatte der RC Aisttal-Hagenberg ein neues Projekt“, so die Past-Präsidentin des Clubs, Bernadette Prieschl. Deutschkurse wurden organisiert und nach und nach den Jugendlichen auch die österreichische Kultur nähergebracht, einige haben auf diesem Weg sogar Familienanschluss gefunden.

Mojib machte sich bald Gedanken über seine Zukunft in Österreich und will rasch selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. „Mein Asylverfahren läuft seit 2015. Diese Unsicherheit ist für mich sehr belastend, da war ich froh, mit meiner Selbstständigkeit auf eigenen Beinen stehen zu können“, so der junge Mann. Aber nicht nur er selbst ist seit zwei Jahren finanziell unabhängig, auch drei Familien in seiner Heimat Afghanistan können leben von der Produktion der Taschen und Shopper, die Mojib in Europa vertreibt. Hilfestellung kam zu Beginn von seiner Mentorin Bernadette. „Mojib hat Rafi kontaktiert, einen armen Familienvater, der in Kabul auf der Straße lebte. Er näht jetzt schöne und qualitativ hochwertige Shopper aus Restmaterial der Designindustrie“, so Prieschl stolz. Die erste Nähmaschine kaufte der Rotary Club, später auch noch eine zweite. Die sogenannten „Kabul-Bags“ werden seit 2018 in Afghanistan genäht und von Mojibullah in Österreich verkauft. Über diese Form der gelebten Entwicklungshilfe freut sich der RC Aisttal-Hagenberg sehr. Am meisten würden sich die Rotarierinnen und Rotarier aber über einen positiven Asylbescheid ihres Schützlings freuen. „Hätte ich Europa nicht gesehen, würde ich vielleicht auch wieder zurückgehen können“, fasst Mojibullah Satari seine ambivalenten Gefühle in der Zeit des Wartens in einen Satz.


 

 


Verena Hahn-Oberthaler

Aus dem Magazin

Die Kraft des Singens
12 / 2025
Unter die Haut: Tattoos
11 / 2025
Die Rente ist sicher
10 / 2025
Als Gott auszog – Gedanken zur Umwidmung von Kirchen
09 / 2025
Österreich - Erinnerungen an die Zukunft
08 / 2025
Comeback des Sportvereins
07 / 2025
Man muss Menschen mögen
06 / 2025
Alles auf Anfang
05 / 2025
Cool Japan
04 / 2025
Mut zum Bruch: Deutschland nach der Wahl
03 / 2025
Gehasst oder geliebt?
02 / 2025
Wettrüsten im All: Wie Europa abghängt wird
01 / 2025
08/2024
08 / 2024
07/2024
07 / 2024
06/2024
06 / 2024
05/2024
05 / 2024
04/2024
04 / 2024
03/2024
03 / 2024
02/2024
02 / 2024
01/2024
01 / 2024