Porträt

Ombudsmann für Geflüchtete

von Matthias Schütt |
| Lesezeit: 4 Minuten

In Baden-Württemberg ist die Betreuung von Geflüchteten anders organisiert als im übrigen Bundesgebiet. Im Mittelpunkt: Ein Rotarier aus dem RC Waldshut-Säckingen.

Von der großen Fläche freier Zeit, die Klaus Danner nach 43 Dienstjahren vor sich sah, konnte der Leitende Kriminaldirektor a. D. bislang nur ein kleines Stück genießen. Dann meldete sich im Sommer 2017 ein Staatssekretär aus dem Innenministerium in Stuttgart mit der Frage, ob er sich vorstellen könne, im Ehrenamt als neutraler Ansprechpartner die Betreuung der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen in BadenWürttemberg zu übernehmen.

Klaus Danner konnte – und ist seither der einzige offizielle Ombudsmann in Deutschland für die Belange von geflüchteten Menschen. Während sich anderswo Ministerialbeamte um diese Aufgaben kümmern, hat Baden-Württemberg in der Flüchtlingskrise 2015 eine neue Ebene zwischen Betroffenen und der Verwaltung eingezogen, „als Mittler zwischen Geflüchteten, den Mitarbeitern in der Betreuung und der Bevölkerung“, umreißt Danner das Konzept. „Entscheidend ist, dass diese sensible Aufgabe in den Händen einer Person liegt, die unabhängig von Weisung und Kontrolle tätig sein kann.“ Gute Erfahrungen sorgten dafür, dass die zunächst befristete Stelle samt eigenem Büro durch die Landesregierung inzwischen fest verankert wurde.

Am Limit

Im Mittelpunkt stehen die durchschnittlich 200 Geflüchteten, die täglich neu ins Bundesland kommen. Das sind zwar im Vergleich zu 2015 kleinere Zahlen, aber eine neue Welle bringt die Kapazitäten in den elf Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) mit 6200 Plätzen wieder ans Limit. Etwa zwei Monate verbringen die Geflüchteten dort, bevor sie auf die Landkreise verteilt werden. In dieser Phase erhalten sie notwendige medizinische Versorgung und möglichst auch Deutschunterricht, sind aber den Großteil des Tages ohne Beschäftigung, trotz verschiedener Angebote in der Alltagsbetreuung. Das nährt – vor allem wenn junge Männer das Bild bestimmen – Befürchtungen in der Nachbarschaft. Eine Neuregelung des gesetzlichen Beschäftigungsverbots würde hier einigen Druck aus dem Kessel nehmen, ist Danner überzeugt. Er weiß sich darin einig mit der Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges (RC Wolfach).

Wirkungsvoll

Als zertifizierter Mediator lenkt Danner bei Bürgerversammlungen die Diskussion in rationale Bahnen und geht keiner Frage aus dem Weg. In den LEA pflegt er so oft wie möglich den direkten Kontakt, vor allem zu den Mitarbeitern der freien Wohlfahrtspflege. „Sie kennen die Probleme am besten. Das betrifft neben allen Schwierigkeiten, die sich generell in Sammelunterkünften stellen, insbesondere die Familienzusammenführung sowie Hilfe im medizinischpsychologischen Bereich.“

Hier wie in komplizierten Einzelfällen kann Danner einiges bewirken. Wie etwa im Fall eines 60-jährigen Somaliers, der als Krebspatient im finalen Stadium in einer LEA für besonders Schutzbedürftige in Karlsruhe untergebracht war. Sein Sohn als einziger erreichbarer Verwandter lebte als Geflüchteter in einer Einrichtung in Bayern. Um Vater und Sohn zusammenzubringen, hätten nun nach den Regeln der Verwaltung beide erst in Einrichtungen in ihren Landkreisen verlegt werden müssen, um von dort einen Umverteilungsantrag zu stellen. „Darüber hätten sich dann die Landkreisverwaltungen austauschen müssen, was wohl nicht von heute auf morgen zu Ergebnissen geführt hätte“, fasst Danner zusammen. Er setzte sich dagegen unmittelbar mit der zuständigen Bezirksregierung in Verbindung und konnte erreichen, dass der Sohn innerhalb von zehn Tagen zu seinem Vater umziehen konnte.

Harte Währung Vertrauen

Vor diesem Hintergrund war es eine weise Entscheidung der Landesregierung, die Aufgaben in die Hände von erfahrenen Praktikern zu legen, die die strukturierte Abarbeitung von erkannten Missständen gewohnt sind. Schon für den Aufbau der Ombudsstelle hatte man mit Karl-Heinz Wolfsturm (RC Friedrichshafen) einen ehemaligen Leitenden Kriminaldirektor gewonnen, der nach zwei Jahren das Amt an den Kollegen und rotarischen Freund Danner weitergab. Sein fröhliches, bodenständiges Naturell und persönliche Empathie schaffen Vertrauen – eine ganz harte Währung in diesem Bereich. Dabei lässt Danner keinen Zweifel daran, dass er loyal seinem Auftrag folgt. Das Neutralitätsgebot bedeutet indes nicht, dass er nicht gegen dumpfe Vorurteile genauso eindeutig Stellung bezieht wie bei der Ahndung von Regelverstößen. Den großen Vorteil des Sonderwegs im Ländle sieht er darin, dass die Ombudsstelle ein Signal aussendet, im Interesse aller Beteiligten zu handeln.


Zur Person

Klaus Danner (67) war Polizist mit Leib und Seele. 1974 begann er nach dem Abitur als Streifenpolizist, erlebte brisante RAF-Einsätze und qualifizierte sich schnell für höhere Aufgaben wie die Leitung der Direktion Spezialeinheiten (u. a. mit dem Spezialeinsatzkommando SEK) in Baden-Württemberg. Die Verschiebung seines Ruhestandes hat er nicht bereut, auch wenn das Ehrenamt ihn drei Tage die Woche beschäftigt. 2026 soll Schluss sein. Dann will er mit seiner Frau die große Fläche freier Zeit endlich genießen, auf Reisen und zu Hause im Hochschwarzwald.

Matthias Schütt

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