Kolumne Peter
von Peter Peter |
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Das Gemüse kann sehr edel auftreten und ist an Vielseitigkeit kaum zu übertreffen.

 

 

 

Pimm’s Cup: Ein Rädchen Gurke samt satt-grüner Schale schillert im rubinroten Gin-Likör als sommerlicher Wimbledon-Drink. Cucumber-Sandwiches werden bei der königlichen Garden-Party auf dem Rasen des Buckingham-Palastes gereicht. Gurken können sehr edel auftreten und besonders winzige Exemplare wie die scharfsauren französischen Cornichons erzielen erstaunliche Höchstpreise.

„Aber eigentlich ist das grüne Kürbisgewächs ein volkstümliches, ein erschwingliches Lebensmittel, das man sogar zur Fast-Gratis-Schönheitspflege einsetzen kann. Denn Gurken sind relativ anspruchslos zu ziehen und reifen auch in kälteren Zonen schnell.

 

 

 

Wir mögen Gurken wegen ihres zarten Aromas und ihres erfrischenden Saftes. Wir pressen aus diesen kalorienarmen Wasserspeichern (über 97 Prozent!) gesunde Smoothies, schneiden sie in griechischen Bauernsalat oder machen sie eher norddeutsch mit Dill und Sauerrahm zu einem Sommersalat an. Wenn wir sie auf schlesische Art süß einlegen, werden sie fast zum Kompott, als Berliner Schmorgurken zum Gemüse.

 

 

 

Überhaupt liegt der wahre kulinarische Gurkenhimmel im Osten, im slawischen Kulturgebiet. Das beginnt schon mit unserem Wort Gurke, das wir dem altpolnischen „ogurek“ verdanken. Auch in Deutschland kommen die meisten eingelegten Gurken daher, wo die Nation am slawischsten ist, ja wo die Ortsschilder zweisprachig beschriftet sind: sorbisch und deutsch. Die wendische Kultur des Spreewalds, wo hölzerne Gurkenfässer zu putzigen Gartenlauben umgewandelt werden, steht ganz im Banne der grünen Schlangenpflanze.

Und in Wien, dessen Bewohner angeblich mehrheitlich einen böhmischen Migrationshintergrund aus K.-u.-k.-Zeiten aufweisen, werden an jedem Würstelstand Salz- oder Essiggurken aus großen Gläsern geangelt. Touristen werden zum Gurken-Leo auf dem Naschmarkt geführt, wo das Verkaufsgut wie auf einem russischen Dorfmarkt in milchiger Lake in Holzbottichen schwimmt. Nicht nur in die feine Beinschinkensemmel, sondern noch die ordinärste Extrawurstsemmel am Bahnhofskiosk ist selbstverständlich eine Scheibe saure Gurke gesteckt. Genau um die muss man eher kämpfen, wenn man sich bei einem westdeutschen Imbiss ein Brötchen belegen lässt: das ach so gesunde Salatblatt hat die würzige Gurke verdrängt.

 

 

 

 

 

 

 

In Österreich ist Gurke kulinarische Alltagskulturgeblieben. Senf-, Essig- und Gewürzgurken schmecken fast jedem. An der Salzgurke scheiden sich die Geister. Die Gastrosophie spricht von einem „Salzgurkenmeridian“, der ungefähr der Linie Berlin–Wien entspricht. Östlich davon beginnt das slawische Reich der Salzgurken. Sein Epizentrum ist Russland, wo man Gurkensorten ähnlich unterscheidet wie bei uns Weinlagen und von wo Salzgurkenrezepte wie Soljanka auch in die DDR-Küche eingedrungen sind.

Womit wir der Frühgeschichte der Gurke auf der Spur wären. Die ursprüngliche Wildform der Kolbenfrucht dürfte in Indien zu finden sein. Entlang der Karawanenrouten verbreitete sich die Pflanze einst nach Zentralasien, wo mongolische Nomaden darauf kamen, eingesalzene Gurken und Kraut durch Milchsäuregärung haltbar zu machen. Durch die Goldene Horde und die mittelalterlichen Mongoleneinfälle in Schlesien verbreitete sich diese Kulturtechnik auch in Osteuropa. Eine Salzgurke hat also definitiv mehr mit koreanischem Kimchi als mit einem britischen Gurkensandwich zu tun.

 

 

 

Trotzdem, im heißen Sommer plädiere ich für Gurke pur. Am besten ganz einfach eine tiefgrüne frisch geerntete Gärtnergurke zum Reinbeißen und genussvollen Aussaugen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Peter

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