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Schüler-Auslandsaufenthalt

„Namasté“ am
Himalaya und direkte Hilfe

Schüler-Auslandsaufenthalt -  „Namasté“ am <br/>Himalaya und direkte Hilfe
Das Annapurna-Massiv im Himalaya im Blick © Daniel Klawitter

Gut ein Jahr nach den Erdbeben in Nepal ruft UNICEF erneut auf, den Wiederaufbau in dem Land zu unterstützen. Denn vieles ist immer noch zerstört, die Menschen leiden. Daniel Klawitter, Schüler, war selbst da – und half in einem Kinderheim.

Sabine Meinert28.04.2016

„So, Sarita - jetzt bist du raus!“ Die Mädchen im Haus der Hoffnung in Kathmandu erinnern sich gern an ihr fröhliches Mensch-Ärger-Dich-nicht-Spiel mit Daniel. Der 20-Jährige kam im Oktober 2015 und brachte ein bisschen Spaß mit. Er blieb ein halbes Jahr, um als freiwilliger Helfer in dem immer noch zerstörten Land zu helfen, speziell in dem Kinderheim „Haus der Hoffnung“, das Waisen bis 16 Jahren ein Zuhause gibt.

Bis vor einem guten halben Jahr besuchte Daniel das Sozialwissenschaftliche Gymnasium in Heilbronn. Eine Partnerschaft seiner Schule hatte ihm schon Eindrücke von Nepal vermittelt, es gibt seit ein paar Jahren Patenschaften für einzelne Kinder. Die Bergregion, die Kultur der Nepalesen faszinierten Daniel schon eine Weile. Nach den Erdbeben im vergangenen April entschloss er sich, genau da zu helfen. Persönlich. Vor Ort.

Denn: Viele Häuser und Straßen in Nepal sind noch immer zerstört, das gesellschaftliche Leben liegt brach, Verwaltung gibt es kaum, die Menschen leiden noch immer. Ein Teil der weltweiten Hilfe kam und kommt zwar kurzfristig an – in Form von Zelten, Nahrung, sauberem Wasser oder medizinischer Betreuung. Dennoch fehlen fast überall die Mittel für Kleidung und einen echten Neuanfang, für Wohnraum, Gesundheitszentren, neue Straßen. Dazu kommen die seelischen Verletzungen der Nepalesen. Viele Kinder verloren vor einem Jahr ihre Eltern oder einen Teil der Familie.

Arbeiten für das Ticket

Wie kann man da helfen? Daniel wollte es selbst sehen und mit anpacken. Oder eben ein paar Kindern die Sorgen und Nöte nehmen, sie beim Lernen unterstützen. Diese Möglichkeit ergab sich durch die Partnerschaft seiner Schule mit dem Heim in Kathmandu. Um überhaupt bis dorthin zu kommen, arbeitete er einen Sommer lang auf dem städtischen Bauhof und in der Gastronomie. Auch seine Eltern unterstützten sein Vorhaben und zahlten einen Teil des teuren Flugtickets.

„Das Land ist eine Sehnsuchtsregion. Exotisch, faszinierend, riesige Berge. Aber ich wollte nicht nur rumreisen. Das bringt nur mir was. Wenn ich irgendwo helfen kann – und sei es nur ein bisschen –, dann ist das mehr wert“, war Daniel sich sicher.  


Was tun Kinder in Nepal? Sie spielen und machen Sport


In Kathmandu angekommen versuchte er, sich an die Regeln zu erinnern, die er gelesen hatte: Menschen stets nur mit der rechten Hand berühren, niemals die Stimme erheben, immer höflich bleiben... Aber wie vermeidet man Berührungen mit der linken Hand in einem brechend vollen Bus, wo Körperkontakt jeglicher Art fast nicht zu vermeiden ist? Was sagt man, wenn einem das Essen nicht schmeckt, wo viele doch nichts zu essen haben?

Hausaufgaben, Englisch lernen, Spielen

Mit den Kindern im Waisenhaus war das einfacher. Sie freuten sich, wenn Daniel kam. Er half vor und nach der Schule bei den Schularbeiten, versuchte Englisch zu vermitteln, spielte Fußball und Volleyball mit den Jungs oder Fangen-Spiele mit den Mädchen. Hilfreich war dabei Daniels Erfahrung als Jugendleiter beim Deutschen Alpenverein.

„Die Kinder in Nepal sind fröhlicher, sie lachen viel, auch wenn es ihnen lange nicht so gut geht, wie den Kindern hier bei uns. Sie teilen alles – Freude, Kummer, Nachdenklichkeit. Und vor allem Süßes - das hatte ich vorher noch nicht gesehen“, lacht Daniel. „Irgendwie hat jeder versucht, dem Nachbarn etwas Gutes zu tun. Auch wenn er selbst wenig hatte.“

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Die Jungs im Kinderheim müssen jeden Tag helfen, Feuerholz zu sammeln

Die Armut in Nepal hat sich seit den Erdbeben noch einmal verschärft. Auch Daniel bekam das eher karge Leben mit, das viele führen. Nur zweimal am Tag gibt es etwas zu essen, meist Reis mit Bohnen. Zugang zu Wasser ist keine Selbstverständlichkeit – zu viele Wege und Leitungen sind noch immer kaputt. Wie viel Luxus die warme Dusche am Anfang seiner Reise bedeutete, stellte Daniel erst im Laufe der Zeit fest.

Wenn er heute mit Gleichaltrigen über Hilfe in Notstandsregionen spricht und viele sagen, man könne doch auch die großen Organisationen unterstützen, dann freut er sich, dass überhaupt über Hilfe nachgedacht wird. Und schiebt gleich darauf nach: „Man muss, glaub ich, dort gewesen sein, um zu erkennen, woran es wirklich fehlt. Das kann man schwer nachlesen oder im Fernsehen anschauen.“

Das Land fasziniert – die Sprache weniger

In die Berge zog es Alpin-Fan Daniel natürlich auch. Mit einem Kumpel machte er Wanderungen, stellte fest, dass in Nepal die Kühe fast noch auf 4000 Meter grasen. Im Annapurna-Gebiet schaffte er es bis ins Basislager der Bergsteiger, die sich grade für den Gipfelsturm auf den Achttausender bereit machten. Zum Ende seines Aufenthalts bereiste er zudem den Shitwang Nationalpark, um Elefanten und Nashörner im Dschungel zu beobachten – ein Erlebnis. Genauso wie die Anreise: sieben bis neun Stunden für knapp 200 km sind in Nepal normal – und aufgrund der Straßenverhältnisse und des Busverkehrs ein Abenteuer.


Zweimal am Tag ein Essen - für die Waisenkinder in Kathmandu jedesmal ein Fest


Nepalesisch hat Daniel in den sechs Monaten seines Aufenthaltes nicht wirklich gelernt. Immerhin, er kann sich vorstellen: Mero Naam Daniel Ho. – Ich heiße Daniel. „Aber nepalesisch ist echt schwer. Allein die Schriftzeichen - jedes Zeichen sieht irgendwie gleich aus... Sprechen konnte ich aber ein bisschen.“

Nicht Haben, sondern Sein

Seit März ist Daniel wieder in Deutschland. Und vieles hat sich geändert. Nicht so sehr an den Lebensumständen hier – vielmehr: Er hat sich geändert. Die Einblicke, die er in Nepal in die Kultur, in die Gesellschaft, in das Leben der Nepalesen bekam, die Erfahrungen, die er beim Reisen machte, geben ihm eine Gewissheit: Eigentlich geht es uns in Deutschland ganz schön gut. Und viele Dinge, an denen hierzulande unser Herz hängt, sind gar nicht wichtig. Man kann mit viel weniger zufrieden sein. „Es geht um das Sein, nicht um das Haben in Nepal“, ist die Erkenntnis, die er mitbringt.

Leise fügt er hinzu: „Ich hab noch nicht so viel geleistet. Bisher haben mich ja meine Eltern finanziert. Ich dachte mir vor meiner Reise: ’Da kann ich was zurückgeben – auch wenn es im Himalaya ist.’ Und letztlich habe ich so viel dabei gewonnen.“

Ob es einen weiteren Nepal-Trip gibt, ist noch offen. Derzeit hilft Daniel an anderer Stelle. Er macht ein Krankenpflegepraktikum im örtlichen Krankenhaus. „Vielleicht kann ich ja im medizinischen Bereich auch irgendwann mal international arbeiten“, ist seine Überlegung. Bis dahin bleibt er mit den Kindern in Kathmandu und den anderen Helfern aus dem Waisenhaus per Whatsapp in Kontakt.