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Rotary Aktuell

Mütter im Mittelpunkt

Rotary Aktuell - Mütter im Mittelpunkt
© Illustration: Gwen Keraval

Der Sieger des „Programs of Scale“-Wettbewerbs 2022/23 der Rotary Foundation ist das Projekt „Together for Healthy Families in Nigeria“, das von der Rotary Action Group for Reproductive, Maternal and Child Health (RMCH) e. V. German Section initiiert wurde und vom Distrikt 1860 gesponsert wird. Das Projekt unterstützt Familien, indem es sich auf die grundlegenden Bedürfnisse von Frauen und Neugeborenen konzentriert.

Diana Schoberg01.08.2022

Im März 1994 kamen Emmanuel Adedolapo Lufadeju und Robert Zinser (RC Ludwigshafen-Rheinschanze) im Anaheim Hilton and Towers ins Gespräch. Die beiden Männer waren Governors elect und waren nach Kalifornien gereist – Lufadeju aus Nigeria und Zinser aus Deutschland –, um an der International Assembly von Rotary teilzunehmen. Im Laufe des Gesprächs entdeckten sie, dass sich ihre Interessen überschnitten, und Zinser hörte aufmerksam zu, als Lufadeju von einem Besuch berichtete, den er kurz davor auf einer Entbindungsstation in einem nigerianischen Krankenhaus gemacht hatte. Lufadeju war entsetzt über die hohe Sterblichkeitsrate bei Neugeborenen, die zum Teil auf eine schlechte pränatale Betreuung sowie eine schlechte Betreuung der Mütter zurückzuführen war. Zinser war überzeugt: „Ich kann helfen.“

Als alles begann

1995 starteten Lufadeju und Zinser ein kleines Gesundheitsprojekt für Mütter und Kinder in Nigerias nördlichem Bundesstaat Kaduna. Heute haben sich ihre Maßnahmen über das ganze Land ausgebreitet und verändern das Leben von Millionen Familien – resultierend aus dieser zufälligen Begegnung vor 28 Jahren. „Die Geschichte unseres Projekts ist die Geschichte einer rotarischen Freundschaft“, sagt Lufadeju. „Ich dachte, es wäre etwas, das ich als Governor machen würde und dann wieder verschwinden würde. Aber es hat den größten Teil meines Lebens überdauert.“

Im Juni gab die Rotary Foundation bekannt, dass das Programm, das unter dem Namen „Together for Healthy Families in Nigeria“ bekannt ist, die zweite ZweiMillionen-Dollar-Zuwendung der Foundation erhält, eine Auszeichnung, die auf dem bisherigen Erfolg des Programms aufbaut, um in Zukunft noch mehr zu erreichen. „Dies ist kein gewöhnliches philanthropisches Projekt“, sagt John Townsend, Vorsitzender der Rotary Action Group for Reproductive, Maternal and Child Health und Vorsitzender des Ethikausschusses beim Population Council. „Hier geht es wirklich darum, die Art und Weise zu ändern, wie Gesellschaften und Gesundheitssysteme die grundlegenden Bedürfnisse von Frauen berücksichtigen. Und das ist wichtig, denn Frauen sind die treibenden Kräfte für Familie und Entwicklung. Wenn eine Frau stirbt oder schwer behindert wird, ist die gesamte Familie betroffen.“

Letztlich will „Together for Healthy Families in Nigeria“ die Mütter- und Neugeborenensterblichkeit in den Zielregionen um 25 Prozent senken. Um dies zu erreichen, sollen die Gesundheit von Müttern und der Zugang zu Familienplanungsdiensten verbessert und gleichzeitig die Gesundheitssysteme auf nationaler, bundesstaatlicher und lokaler Ebene gestärkt werden. Außerdem soll die Inanspruchnahme von Mütterfürsorge und Familienplanungsdiensten erhöht werden, indem die Gemeindemitglieder über deren Vorteile aufgeklärt werden. Das Gesundheitspersonal soll darin geschult werden, seine Fähigkeiten zu verbessern und Daten über Todesfälle bei Müttern und Neugeborenen zu erfassen, damit die Maßnahmen auf die spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten werden. Wenn Frauen Zugang zu Gesundheits- und Familienplanungsdiensten haben, wird ihre Selbstbestimmung gestärkt – einer der Schlüssel zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele.

Förderung durch das BMZ

„Together for Healthy Families in Nigeria“ wird vom Distrikt 1860 (Deutschland) in Zusammenarbeit mit den Distrikten 9110, 9125, 9141 und 9142 (Nigeria) sowie der Rotary Action Group for Reproductive, Maternal and Child Health unterstützt. Rotary- und Rotaract-Mitglieder in Nigeria koordinieren die Projektaktivitäten, organisieren Schulungen, setzen sich für die Belange des Projekts ein und arbeiten mit der Regierung zusammen.

Mitglieder in Deutschland stellen ihr technisches und administratives Fachwissen zur Verfügung, um Management, Monitoring und Evaluierung zu unterstützen. Die Gruppe hat sich beim deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) um Fördermittel beworben. Das BMZ hat seit dem ersten Projekt Mittel beigesteuert, darunter 1,25 Millionen Euro für das letzte Global-Grant-Projekt. „Von Anfang an waren sie die Co-Finanzierer“, sagt Robert Zinser. „Nicht nur einmal, sondern immer. Man kann jemanden einmal für eine Co-Finanzierung gewinnen, aber wenn man ihn Jahr für Jahr überzeugt, ist man auf dem richtigen Weg.“

Nigeria ist ein sehr wichtiger Standort für die Arbeit im Bereich der Gesundheit von Müttern und Kindern. Das Land ist für 23 Prozent der Müttersterblichkeit und elf Prozent der Neugeborenensterblichkeit weltweit verantwortlich, sagt Jan-Peter Sander, der leitende Ansprechpartner für die „Programs of Scale“-Grants. Die Rotary Action Group for Reproductive, Maternal and Child Health, die große Projekte in Nigeria anstrebt, entstand aus Zinsers und Lufadejus früher Arbeit. „Mit dem Interesse, das wir durch die Zuwendung erfahren, werden wir wachsen und wachsen“, sagt Zinser.

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© Illustration: Gwen Keraval

Die Planer des Programms können sich bei der Vorbereitung ihres weiteren Vorgehens von den bisherigen Fortschritten inspirieren lassen. Nach dem Erfolg in Kaduna taten sich Rotary-Mitglieder in Nigeria und Deutschland zusammen, um einen größeren Foundation Grant zu erhalten, der die Arbeit auf sechs Bundesstaaten mit fast 100 Regierungsbezirken ausweitete. „Wir haben uns auf diese Gebiete konzentriert, weil 70 Prozent der Geburten in Nigeria zu Hause stattfinden“, sagt Lufadeju. „Wir erzielten ähnliche Ergebnisse: Mehr Frauen kamen zur Entbindung in die Kliniken und die Regierung baute mehr davon, um die steigende Zahl der Entbindungen zu bewältigen.“

Qualitätssicherung

Dann empfahl ein prominenter Gynäkologe aus Deutschland, sich auf die Qualitätssicherung im gesamten Bereich der Geburtshilfe zu konzentrieren, das heißt, auf die Qualität von Einrichtungen, Ausstattung und Verfahren. 2008 begannen die Rotarier mit der Sammlung von Daten über Todesfälle bei Müttern, um herauszufinden, welche Maßnahmen am sinnvollsten sind – es wurde nicht nur untersucht, wie viele Mütter starben, sondern auch, warum. Eine 2011 veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung ergab, dass das Projekt die Müttersterblichkeit um 50 Prozent reduziert hatte. „Das hat uns ermutigt“, sagt Lufadeju.

Bald darauf arbeitete die nigerianische Bundesregierung an einer von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Untersuchung zur Müttersterblichkeit (Maternal and Perinatal Death Sur veillance and Response). Die Mitglieder von Rotary erkannten, dass ihre Qualitätssicherungsarbeit ähnlich war, und begannen, mit der Regierung zu kooperieren. Sie arbeiteten mit einem deutschen Statistiker zusammen, um ihre Daten in ein elektronisches Format zu übertragen, und 2018 wurde die von ihm entwickelte digitale Plattform in das nigerianische Gesundheitssystem integriert. Die Plattform ermöglicht es, Statistiken automatisch zu übermitteln – das sei ein Novum in der Region, sagt Lufadeju.

In Zusammenarbeit mit der nigerianischen Regierung wurde die Nutzung der digitalen Plattform, die in acht Bundesstaaten begann, auf das ganze Land ausgeweitet. Das Rotary-Projekt schulte medizinisches Personal auf lokaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene in der Erfassung und Auswertung der Daten und unterstützte Regierungsbeamte bei der Einführung eines Gesetzes, das später vom nigerianischen Parlament verabschiedet wurde und die genaue Meldung von Todesfällen bei Müttern vorschreibt. „Wir haben Müttersterblichkeitsfälle in Nigeria meldepflichtig gemacht. Sie können nicht länger versteckt werden. Jeder Fall ist jetzt öffentlich“, sagt Lufadeju. „Die Regierung kann diese Informationen nutzen, um mehr Personal einzustellen, ihren Haushalt zu erstellen, sich auf bedürftige Bereiche zu konzentrieren und sicherzustellen, dass ihre nationale Planung Aspekte der Müttergesundheit einschließt.“

Vorzeigemodell

Das Programm „Together for Healthy Families in Nigeria“, gesponsert vom Distrikt 1860, wird die Lehren aus den vorangegangenen Projekten ziehen und das System in drei nigerianischen Bundesstaaten und dem Bundeshauptstadtterritorium perfektionieren. „Wir wollen ein gutes Modell, das wir in anderen Bundesstaaten des Landes und in anderen Teilen Afrikas wiederholen können“, sagt Lufadeju. Die Zusammenarbeit ist der Schlüssel zur Nachhaltigkeit des Projekts. „Von Anfang an gab es diese Verbindung mit der Regierung, weil wir über Nachhaltigkeit und zukünftige Finanzierung nachdachten“, berichtet er. „Wenn man ein Projekt in Afrika ohne die Regierung, die traditionellen Herrscher oder die politischen Führer macht, stirbt das Projekt, wenn man es beendet.“

Das Programm baut auf der umfassenden Arbeit auf, die Rotary bei der Ausrottung der Kinderlähmung in Nigeria geleistet hat, durch die „ein Gefühl des Vertrauens und der Größe vermittelt wurde“, so Townsend. „Man muss das Thema aus einer nationalen, regionalen und globalen Perspektive betrachten, und die Gesundheit von Müttern hat sicherlich damit zu tun. Dies ist etwas, das einen großen Maßstab erfordert, und Rotary ist in Nigeria besonders gut aufgestellt. Es gibt Clubs im ganzen Land, die Mitglieder sind einflussreich, und es gibt eine wachsende Zahl von Frauen in Führungspositionen. Und sie engagieren sich für Dinge, die wirklich etwas für die Gesellschaft bewirken.“


4 Fragen an Jan-Peter Sander

Herr Sander, was bedeutet der Gewinn des diesjährigen „Programs of Scale“-Wettbewerbs für Sie und RMCH in Deutschland?

Das ist natürlich eine besondere Anerkennung und Motivation für unsere Arbeit, die sich auf die drei großen Themen Mutter- und Kindergesundheit sowie Familienplanung konzentriert. Die Wichtigkeit dieser Themen wird dadurch noch mal besonders herausgestellt. Es freut mich sehr, dass damit auch das Lebenswerk von Robert Zinser gewürdigt wird und dass der Sponsor-Distrikt 1860 bei der Zeremonie in Houston/Texas durch den bisherigen Governor Johann W. Wagner und den neuen Governor Karl Kunz vertreten wurde.

Welche Rolle spielt das BMZ?

Die langjährige Zusammenarbeit mit dem BMZ ist für die erfolgreiche Umsetzung unserer Projekte sehr wichtig. Neben der enormen finanziellen Unterstützung ist auch der Austausch auf Regierungsebene mit Nigeria sehr hilfreich.

Was sind Ihre nächsten konkreten Schritte?

In den nächsten Wochen beginnen die Detailplanungen, damit zum Projektbeginn Anfang Oktober die Vorbereitungen auf einem guten Stand sind. Gemeinsam mit unseren Partnern müssen Einzelmaßnahmen und Zeiträume festgelegt werden. Darüber hinaus wird unser Team in Nigeria final zusammengestellt, damit ein reibungsloser Start gewährleistet ist.

Was können die Rotarier in Deutschland und Österreich beitragen?

Wie der Name schon sagt, spielen Scaling und Replikationen eine entscheidende Rolle bei unserem Programm, das heißt, wir wollen eine Methode entwickeln, um dies zu ermöglichen. Wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn Clubs in Deutschland und Österreich dieses Vorgehen anschließend mit neuen Projekten in Nigeria oder anderen Ländern unterstützen. Natürlich sind auch weitere Projekte verbunden mit unserer Action Group herzlich willkommen. Darüber hinaus möchte ich mich für die finanzielle Unterstützung beim „Programs of Scale“ herzlich bedanken.


Zur Person

 

Jan-Peter Sander
(RC Deidesheim-Mittelhaardt)
ist im Vorstand von RMCH e. V. German Section
sowie Primary Contact des Program of Scale
„Together for Healthy Families in Nigeria“.

 

 


Bereit zum Hochskalieren?

„Programs of Scale“ ist ein Programm der Foundation, das Grants an Rotary oder Rotaract Clubs oder Distrikte vergibt, die evidenzbasierte Interventionen in einem der Schwerpunktbereiche vorweisen können. Die Grants finanzieren groß angelegte Projekte mit breiter Wirkung, die Partner anziehen und gleichzeitig die Kapazitäten und den Enthusiasmus von RotaryMitgliedern nutzen können. Der erste „Programs of Scale“-Grant wurde 2021 an „Partners for a Malaria-Free Zambia“ vergeben, ein Programm, das von Rotariern in Sambia und den Vereinigten Staaten geleitet wird. Falls Ihr Club oder Distrikt daran interessiert ist, sich für die nächste „Programs of Scale“-Zuwendung zu bewerben, sollten Sie sich zunächst die folgenden Fragen stellen:

  1. Erzielt Ihr Projekt erfolgreich messbare Ergebnisse und basiert diese Bewertung auf soliden Nachweisen?
  2. Löst das Projekt ein Problem für die Zielgruppe, das über den Programmzeitraum hinaus bestehen bleiben kann?
  3. Gibt es einen klaren und logischen Umsetzungsplan, um das Programm effektiv auszubauen? Verfügen die Durchführungspartner über die Fähigkeit und Führung, ein größeres Programm über mehrere Jahre hinweg zu realisieren?
  4. Sind alle Beteiligten voll eingebunden, einschließlich der Co-Finanzierer?

Termine

  1. Juni 2022: Start des Wettbewerbs für Finanzhilfen
  2. August: Konzeptpapiere fällig
  3. Oktober: Aufforderung zur Einreichung des vollständigen Vorschlags wird verschickt
  4. Februar 2023: Besichtigung vor Ort (virtuell und/oder persönlich)
  5. April 2023: Entscheidung über den Zuschlag rotary.org/de/programsofscale
Diana Schoberg
Diana Schoberg arbeitet seit 2008 als Redakteurin im Hauptsitz von Rotary International in Evanston für das Mitgliedermagazin The Rotarian. Außerdem managt sie die Digitalversion des Magazins. therotarianmagazin.com