Distriktkonferenz
"Als Rotarier dürfen wir nicht schweigen!"
Es war eine große Premiere: Zu ihrer gemeinsamen Distriktkonferenz trafen sich Rotarier und Rotaracter der Distrikte 1890 und 1940 in Lübeck.
Die Veranstaltung begann mit einem Appell an die Bereitschaft, die Freiheit, die Demokratie und die westlichen Werte zu schützen und zu bewahren — unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine. "Wir müssen damit aufhören, unsere Sicherheit an die USA outzusourcen, energiepolitisch von Russland abhängig zu sein und unsere Wirtschaft in China zu entwickeln", sagte Festredner Armin Staigis (RC Chemnitz-Schlossberg) zu den Folgen für Europa in diesem Konflikt. Der ehemalige Brigadegeneral der Bundeswehr sprach auf Einladung der scheidenden Governor Thomas Garske (D1890/RC Ahrensburg) und Martin Klein (D1940/RC Grevesmühlen) vor mehr als 350 Teilnehmern in den Lübecker "media docks".
Staigis erläuterte, worum es in dem Krieg gehe: um die russische Vormacht in Europa. Russland wolle seine Großmachtstellung im Vergleich zu den USA erhalten, die Europäische Union schwächen, den alten Einflussbereich Russlands oder der Sowjetunion wieder aufbauen und keine Osterweiterung von Nato und EU zulassen. "Das Land beruft sich auf seine Rohstoffe, aber seine Volkswirtschaft ist kleiner als die von Italien. Es gibt keine funktionierende Zivilgesellschaft." Es sei ein Gedankengerüst des 19. Jahrhunderts, eine andere Wertewelt und ein anderes Menschenbild. "Wir sind Russland und China aber in jeder Hinsicht völlig überlegen, in der Wirtschaft und im Militär. Aber wir zweifeln an uns selbst", so Staigis. "Die Nato und die EU sind Kompromissmaschinen. Es dauert zwar manches Mal, aber es gibt am Ende immer eine Lösung."
"Rotarier dürfen nicht schweigen"
Staigis empfahl eine innere Aufrüstung des Westens. Die Idee der westlichen Demokratien habe an Schwung verloren. "Wir müssen den Verächtern unseres Systems entschieden entgegentreten. Ein freiheitlicher Staat hat nur Bestand, wenn ihn die Bürger aus innerer Überzeugung heraus stützen." Staigis erwartet mehr Einigkeit in der EU, denn es könne zudem nicht angehen, dass 340 Millionen Amerikaner mehr als 500 Millionen Europäer verteidigen müssen. "Dieses Ungleichgewicht muss sich ändern. Europa kann es selbst", betonte der ehemalige Brigadegeneral. "Wir müssen wirtschaftlich stark bleiben, wissenschaftlich unabhängig und sozial stark. Dann schrecken wir mit unserem System ab. Auch militärisch, wenn wir unseren Kindern ein geordnetes Europa übergeben wollen." Die Autokraten würden eine andere Weltordnung wollen. "Deshalb dürfen wir als Rotarier nicht schweigen. Wir haben eine Stimme, die wir erheben müssen, wenn unsere Werte bedroht sind", sagte er.
Von den Teilnehmern in Lübeck erhielt Staigis für seinen Appell stehende Ovationen. Seine Worte passten gut zur Hansestadt, die symbolisch für das Zusammenwachsen von Ost und West nach dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung steht. Bürgermeister Jan Lindenau stellte die besondere Dynamik heraus, die von den einstigen Hansestädten ausgeht. Er verglich die verbindenden Elemente der Rotarier mit der neuen Hanse, "die auch die Russen einschließt".
Stolz sein auf das Erreichte
Auch Frank Meik (RC München-Harlaching) als Repräsentant des RI-Präsidenten und Vorsitzender des deutschen Governorrats sagte: "Lübeck ist etwas ganz Besonderes." Auch das zu Ende gehende Amtsjahr sei besonders gewesen. "Es hat mit der Flutkatastrophe begonnen, gefolgt vom Krieg in Europa." Rotary sei zwar keine politische Organisation, "aber wir helfen und können stolz sein, auf das, was wir geleistet haben". Die Vielfalt der Clubs und ihrer rund 57.000 Mitglieder sei ein großer Reichtum. Für die Ukraine-Hilfe hätten deutschen Rotarier zehn Millionen Euro gesammelt. "Das ist aber nur ein Bruchteil, wir wissen nicht alles, was zusätzlich in den Clubs geschieht." Diese seien ebenso die "Seele" von Rotary wie ihre Mitglieder. Diese stünden nicht allein. "Nehmen Sie sich die Zeit, treffen Sie andere Rotarier", rief er den Teilnehmern zu.
"Mini-Convention" in Lübeck
Das sahen auch die scheidenden Governors der Distrikte 1890 und 1940 so. Mehr als zwei Jahre nach Beginn der Pandemie-Beschränkungen wurden bei der guten Stimmung in den "media docks" Erinnerungen an die Convention 2019 in Hamburg wach. "Das ist hier wie eine Mini-Convention", sagte Martin Klein zu den Rotariern aus mehr als 175 Clubs und Rotaractern von Cuxhaven und Flensburg bis Cottbus. "Rotary ist auch Geselligkeit", so Klein.
"Dieser Tag ist bedeutend, weil wir gemeinsam hier sind. Vielleicht haben wir unter den Corona-Bedingungen Rotary ein bisschen entlernt. Ein Tag wie heute kann uns zeigen, wie wunderbar es ist, sich zu treffen. Es ist toll, sich auf einer gemeinsamen Konferenz mit den Freundinnen und Freunden des D1940 zu sehen", sagte Garske. Die Veranstaltung hatte am Vortag mit einem Golfturnier und einer Begrüßungs-Party in "Dat Hoghehus" begonnen. Dort nahm das siegreiche Golfteam des D1890 den Pokal entgegen. Wilmar von Wenzky vom RC Lübeck hatte den Wettbewerb auf der Golfanlage Seeschlösschen-Timmendorfer Strand organisiert.
Beide Governor übergaben ihren Nachfolgerinnen gut aufgestellte Distrikte – virtuell, denn Petra Niemann-Heßler (RC Kiel-Eider) und Jessika Schweda (RC Bernau bei Berlin) konnten coronabedingt nur per Videoübertragung teilnehmen. Niemann-Heßler vom D1890 lobte RI-Präsidentin Jennifer Jones als eine "wunderbare Präsidentin, die uns durch das neue rotarische Jahr begleitet". Jessika Schweda (D1940) sei stolz und glücklich, als zweite Frau dem Distrikt 1940 zu dienen, erstmalig unter einer Weltpräsidentin: "Freut Euch auf das neue Jahr mit Jennifer und Jessika."
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