Marburg
Übernutzt? Abgenutzt? – zur Situation von Welt und Rotary
Auf der Online-Distriktkonferenz in D1820 gab es außer zwei fulminanten Vorträgen auch eine positive Bilanz des Governors.
Zur Einstimmung der rund 100 Teilnehmer der Online-Distriktkonferenz hatte Moderator und Koordinator PDG Bernhard Maisch den "One Voice Children's Choir" aus Kalifornien engagiert, der auf eindrucksvolle Art und Weise demonstrierte, wie Musik auch mit social distancing möglich ist.
Nach dem Grußwort des Marburger Oberbürgermeisters Dr. Thomas Spiess (RC Marburg-Schloss) und der Videobotschaft des künftigen deutschen Präsidenten von RI, Holger Knaack, gab DG Rainer Moosdorf einen Rückblick auf sein rotarisches Jahr. Dabei zog er eine positive Bilanz. So wuchst die Mitgliederzahl im Distrikt 1820 langsam aber stetig mit 2-3 Prozent im Jahr. Die inzwischen 75 Clubs haben fast 4.000 Mitglieder.
Die letzte Neugründung – vom RC Frankfurt Rhein Main - wurde vorbildlich von den Nachbarclubs unterstützt und gefördert. Positiv vermeldete der scheidende DG, dass weitere vier Clubs Frauen aufnehmen. Das rotarische Ziel "Diversity" bedeutet laut Rainer Moosdorf auch, dass Rotary Spiegel der Gesellschaft ist. Das wollte er ebenso wie auf Männer/Frauen auch auf Akademiker/Nichtakademiker bezogen sehen. Rotary sei international; daher dürfe man bei den internationalen Projekten nicht nachlassen, sagte er.
Lobend erwähnte Rainer Moosdorf, dass Clubs dem Transfer der Restmittel der Convention in den Corona Desaster Respond Fonds zugestimmt haben. End Polio Now sei nur ausgesetzt; auch hier dürfe man nicht nachlassen, zumal Polio auch in Europa nach wie vor eine Gefahr darstellt.
Die aktuelle Bedeutung des Mottos "Rotary connects the world" sah Rainer Moosdorf in den vielfältigen Beiträgen der Clubs zur Stabilisierung der Gesellschaft – etwa durch Unterstützung von Tafeln, Altenheimen, notleidenden Künstlern oder auch in den von den Rotaractern angebotenen Einkaufshilfen.
Lobende Worte fand der scheidende Governor auch für verschiedene Global-Grant-Projekte – so für das Hospital im Libanon oder die Kinderversorgung in Kapstadt. Kritisch merkte Rainer Moosdorf indes an, dass einige Clubs nicht für die Rotary Foundation spendeten. Er sieht diese Spende quasi als "Mitgliedsbeitrag" für die Zugehörigkeit zu RI an. Wichtig sei, dass bei EPN, gesundeKids und RFPD-Projekten Kontinuität praktiziert werde.
Sein besonderer Dank ging abschließend an Bernhard Maisch, Andreas Noll, Reinhard Fröhlich und die ADGs. Auch lobte er den Zusammenhalt und Austausch in der Governorstaffel: "Das Miteinander hat einfach Spaß gemacht."
Botschaft von RI
In seinem Vortrag zum Thema "Rotary im Jahr 2019/20" verstand es Bernhard Baumgartner (RC Kitzbühl) als Botschafter des Präsidenten von RI, die 100 Teilnehmer mitzunehmen und zu begeistern. Er stellte gleich zu Beginn Fragen wie "Wer sind wir?", " Wo stehen wir?" Danach der Aufruf: "Wir müssen wieder relevant werden" und die Frage nach dem "Wie können wir wieder relevant werden?"
Bei internationalen Projekten sah Bernhard Baumgartner Rotary in einem Wettbewerb mit 400 Organisationen, in dem auf der Suche nach Kooperationspartnern allein die Evaluierung der Projektergebnisse auf Nachhaltigkeit zähle. Die aktuelle, durch Corona bestimmte Lage sah der Botschafter auch als Chance zur Klärung und Beschleunigung.
Beim Werben um junge Mitglieder seien die Werte wichtiger als die erreichte Position. Er schloss mit einem abgewandelten Zitat von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer WIR tun es."
Finanzen und Col
Schatzmeister Richard Heck stellte anschließend die Bilanz 2018/19 und das Budget 2020/2021 vor. Danach folgte auf Antrag von Bernhard Maisch die Entlastung von DG 2018/19 und Schatzmeister.
Beide von PDG Peter Röder von Diersburg vorgestellten Anträge zum Council of Legislation wurden von der Distriktkonferenz unterstützt. In Antrag 1 wird die Forderung nach einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht von RI gestellt. Nach Antrag 2 soll unter bestimmten Umständen die Durchführung von Global Grants ohne das Mitwirken von Host Clubs möglich sein.
Ehrungen
Anschließend erfolgte die Ehrung von zwölf verdienten Rotariern, meist ausscheidende Amtsträger. Als erstes bekam Peter Enderle, "Graue Eminenz" im RC Wiesbaden, den äußerst selten verliehenen "Service Above Self Award" überreicht. Die Zeremonie fand im Haus von PDG Carlo Link statt und wurde von den Konferenzteilnehmern per Zoom begleitet. Folgende rotarische Freundinnen und Freunde wurden sodann von DG Rainer Moosdorf mit einem "Paul Harris Fellow" ausgezeichnet: Stefan Bucher (Foundation, Grants), Reinhard Fröhlich (DICO, Kommunikation), Jörg Goll (Entwicklung im Distrikt, Leitfaden, Regularien), Robin Haupt (Sekretär von DG Moosdorf), Richard Heck (sechs Jahre Schatzmeister), Edith Karos (Wiesbadener Modell), Michael Klingelhöfer (Rotex), Carlo Link (PDG), Bernhard Maisch (PDG), Charlotte Mori (PDG, Clubdienst) und Bernhard Thoma (ADG).
Festvortrag
Den mit viel Beifall aufgenommenen Festvortrag hielt Prof. Dr. Matthias Glaubrecht (RC Hamburg) zum Thema "Das Ende der Evolution". Die zunehmende Bedrohung der Artenvielfalt auf unserem Planeten ist dem Referenten zufolge zurückzuführen auf die Übernutzung durch den Menschen – weniger auf den Klimawandel.
Auf die Frage aus dem Auditorium "Was kann Rotary hier tun?" kam als erstes die von den meisten unerwartete Empfehlung "Bildung in Afrika fördern!". Denn - so die Begründung - mit jedem zusätzlichen Schuljahr für junge Frauen nimmt die Zahl der Kinder im Durchschnitt um 1 ab.
Jugenddienst
Der Jugenddienst konnte wegen der Ausnahmesituation diesmal nicht mit den gewohnten virtuosen Bühnenauftritten der Austauschschüler glänzen. Stattdessen berichteten die trotz Corona in Deutschland gebliebenen Inbounds in einem mit Scherzen gespickten Video über ganz besondere Erlebnisse.
In einem weiteren Video erzählte Outbound Lene Karhabka ausführlich von ihrer ungewollt vorgezogenen spektakulären Heimreise aus Ecuador und dankte dabei gleich mehrmals der "Taskforce" unter Jugenddienstleiter Kurt Wengenroth. (Wir berichteten - siehe: rotary.de/a15982)
Kurt Wengenroth, im Distrikt verantwortlich für den Jugenddienst, berichtete danach über Rückholaktionen, Absagen und Stornierungen - etwa der Europareise oder des Berlin-Besuchs.
Angesichts der besonderen Lage werden von den Verantwortlichen zurzeit distriktübergreifend viele Optionen diskutiert und geprüft – darunter Aussetzen des Austauschs im nächsten Jahr, Beschränkung auf die Schengen-Länder oder auch Übergang zu einem Halbjahresaustausch.
Amtsübergabe
PDG Bernhard Maisch überreichte "virtuell" einen Blumenstrauß an Inge Moosdorf, Gattin von DG Rainer Moosdorf, und dankte ihr für ihren Einsatz im Hintergrund. Dann folgte die Übergabe der Amtskette von Rainer Moosdorf an Henning von Vieregge, nun DG von D 1820.
Für die Übergabe des Staffelstabes, die "in normalen Zeiten" auf der Bühne in sportlicher Manier stattfindet, hatten sich PDG und DG eine den besonderen Verhältnissen geschuldete Inszenierung einfallen lassen. Die 100 Teilnehmer der virtuellen Disko wurden Zeugen, wie der Stab aus den Händen von Rainer Moosdorf verschwand und nach weniger als einer Sekunde auf einem rund 100 km entfernten Bildschirm in den Händen von Henning von Vieregge wieder auftauchte. Einige der Zeugen vermuteten hinter diesem technischen Wunder den neuen 5G-Standard, der bei Rotary testweise als erstes eingesetzt wird.
Henning von Vieregge beschränkte sich in seiner ersten Ankündigung als Governor auf wenige Themen. Arbeit in Richtung der von Bernhard Baumgartner in seinem Vortrag eingeforderten Relevanz gehört dazu ebenso wie Kontinuität und Nachhaltigkeit. Immer sollte dabei in wohlverstandenem Sinne beachtet werden: "Keep Rotary simple".
Sein Motto "Offene Heimat Rotary" war in Anlehnung an Paul Harris entstanden, der – sinngemäß – sagte, dass man vor dem Aufbruch zu großen Taten erst mit sich selbst im Reinen sein sollte. Mehr über die Pläne von DG Henning von Vieregge können die Leser des Rotary Magazins bald an gleicher Stelle erfahren.
Die Vorträge der DisKo können abgerufen werden unter: https://rocloud.rotary.de/index.php/apps/files/?dir=/RD_1820_Downloads/Distriktkonferenz%2020.06.2020
Christian Kaiser wurde 1942 in Hessen geboren, machte Abitur in Hanau. Studium der Agrarwissenschaften in Göttingen und Bonn mit Promotion. Pächter der Hessischen Staatsdomäne Kinzigheimerhof bis 2004. Öbuv. Sachverständiger. Verheiratet, zwei Kinder. Seit 1981 im RC Hanau. Präsident 1999/2000, PHF+3. 2011 bis 2021 war er Distriktberichterstatter für D 1820.
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