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Reportage aus Hagen

Spuren der Flutkatastrophe sind noch immer sichtbar

Reportage aus Hagen - Spuren der Flutkatastrophe sind noch immer sichtbarFotostrecke: Rotarisches Engagement in Hagen
Thomas Spruth (RC Hagen, ganz links) im Gespräch mit Dietmar Gebhard (TuS Volmetal), Thomas Meier-Vehring (Distrikt-Governor von 1900) und Hermann Backhaus (ebenfalls RC Hagen). Mit einem Klick auf das Foto werden weitere Bilder aus Hagen sichtbar. © Florian Quanz

Auch Monate nach der Flutkatastrophe sind Rotarier im Dauereinsatz und ein Ende ist nicht in Sicht – Ihre Hilfe wird dringend benötigt.

Florian Quanz01.12.2021

Kaum stehen Hermann Backhaus und Thomas Spruth vom RC Hagen mit ihrem Governor Thomas Meier-Vehring vor ein paar Reihenhäusern in der Straße Laake im Hagener Stadtteil Delstern, kommen von links und rechts Anwohner dazu. Matthias Adolphs, einer der Anwohner, hatte den Nachbarn über eine WhatsApp-Gruppe bescheid gegeben: der Rotary-Club ist da. Plötzlich bildet sich ein größerer Menschenkreis. Ein älterer Herr ergreift das Wort: „Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um einmal Danke zu sagen.“ Zustimmendes Klatschen in der Runde. Die versammelten Anwohner haben Unterstützung von Rotary erhalten.

Hermann Backhaus und Thomas Spruth wollen an diesem Freitag schauen, es ist der 5. November, wie weit die Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten nach der verheerenden Flut sind. Sie nutzen die Gelegenheit, Governor Thomas Meier-Vehring ein paar von Rotary unterstützte Familien sowie einen Verein vorzustellen.

Mehr als 150 Anträge auf rotarische Hilfe wurden beziehungsweise werden vom RC Hagen geprüft. Vor allem Backhaus und Spruth sowie ihr Clubpräsident Christoph Purps sowie etwa zehn weitere Clubfreunde übernehmen diese zeitaufwendige Aufgabe. Gewissenhaft wird jeder einzelne Fall vor Ort begutachtet. Hilfe gibt es erst, wenn der Rotary Club die Bedürftigkeit auch bestätigt sieht. Verantwortungsvoll gehen die Rotarier hier mit den Spendengeldern um. „Die finanzielle Hilfe der Rotarier soll dort Lücken füllen, wo der Staat oder die Versicherungen nicht ausreichend zahlen“, erklärt Backhaus. Neben einem Geldbetrag gibt es noch einen Gutschein vom Einrichtungshaus Zurbrüggen in Unna.

In der Straße, wo die Rotarier nun mit den Anwohnern stehen, ist auf den ersten Blick sichtbar, dass Hilfe benötigt wird. An den Hauswänden sind noch immer Spuren der Flutkatastrophe zu sehen. Im Erdgeschoss der Häuser stand das Wasser mehr als eineinhalb Meter hoch. Elementarversicherung? Hat niemand hier. „Der Beitrag für diese wurde vor drei Jahren so stark angehoben, dass ihn keiner mehr bezahlen konnte oder wollte“, berichtet Matthias Adolphs.

An eine Flutkatastrophe wie die vom Juli dachte vor drei Jahren keiner der Anwohner. Die Volme, einer von vier Flüssen, der durch Hagen fließt, war noch nie so stark angestiegen. Wassermassen, die Möbel und Mauern mit sich reißen, daran kann sich niemand hier erinnern. Hinter einem Haus ist noch das Fundament einer Mauer zu sehen – stummer Zeuge dieser Katastrophe. Nur wenige Meter davon entfernt fließt die Volme ruhig in ihrem Flussbett. „Wer noch einen Bautrockner benötigt, kann sich gerne bei mir melden“, bietet Thomas Spruth an. Sofort hebt sich eine Hand. Rotarische Hilfe ist nicht nur zielgerichtet, sondern auch unkompliziert. Mit den Anträgen für finanzielle Hilfe vom Land hätten viele Anwohner hingegen zu kämpfen, berichtet Adolphs. „Wir müssen einen 30-Seiten-Antrag durcharbeiten, um Hilfe zu erhalten.“

Martin Müller zeigt nach der Gesprächsrunde mit seiner Frau Kerstin das Reihenhaus, indem seine Mutter lebte. Im Erdgeschoss steht ein Bautrockner, der unaufhörlich läuft. „Meine 81-jährige Mutter lebt jetzt bei meinem Bruder in Köln. Die hat es nervlich hier nicht mehr ausgehalten“, berichtet er. Die Möbel seien fortgerissen worden, aber ersetzbar. Unersetzbar seien all die Erinnerungsstücke wie Fotoalben, die mit der Flutwelle davon schwammen. Betroffen hören die Rotarier ihm zu. „Wir wollen unsere Spendengelder zielgerichtet ausgeben, das gelingt uns hier“, erklärt Thomas Meier-Vehring, der sichtlich bewegt ist.

Beim Verlassen des Hauses stößt eine Nachbarin zur Gruppe. Gabi Trilus hat die Flut genauso getroffen wie ihre Nachbarn. Gerne würde sie rotarische Hilfe in Anspruch nehmen. Sofort begutachten Hermann Backhaus und Thomas Meier-Vehring ihre Wohnung. Wieder das gleiche Bild: Nackte Wände, laufender Bautrockner und keine Möbel mehr im Erdgeschoss. Bis diese Etage wieder bewohnbar ist, werden noch Wochen, vielleicht Monate vergehen. Die Not in Hagen ist weiter groß, rotarische Hilfe sehr willkommen.

So auch ein paar Kilometer weiter beim TuS Volmetal. Es ist inzwischen später Nachmittag. Die drei Rotarier stehen gemeinsam mit dem Zweiten Vorsitzenden Dietmar Gebhard vor dem Vereinsheim samt Turnhalle. „Das sieht doch hier draußen schon ganz gut aus“, eröffnet Thomas Spruth das Gespräch. „Der Eindruck täuscht“, erwidert Gebhard. „Da hinten sind noch Schotterhaufen, die hier auf dem Parkplatz-Gelände verteilt werden müssen.“

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Völlig durchnässte, alte Urkunden des TuS Volmetal ©Florian Quanz

Dennoch, auf den ersten Blick ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, dass sich hier einmal Wassermassen über den Parkplatz und durch die Turnhalle den Weg bahnten. Was draußen vor der Turnhalle erst beim zweiten Blick erkennbar ist, wird beim Betreten der Halle sofort sichtbar. Im Flur steht eine Umkleidebank zur Wand geschoben, eine ausgehängte Tür lehnt an der Wand gegenüber. Der Blick in der Halle verdeutlicht die Wucht, mit der das Wasser kam, denn als Turnhalle ist sie nur noch schwer erkennbar. Der Hallenboden musste komplett entfernt werden, die erst fünf Jahre alte Heizung muss ersetzt werden. In der Mitte der Halle stehen die Reste, die gerettet werden konnten: Kaum noch zu identifizierende Urkunden, zwei Sprungkästen und ein Turnbock. Die Reste eines Handballtores stehen angelehnt an einer Wand.

„Wir sprechen hier von einem Schaden in sechsstelliger Höhe“, erklärt Dietmar Gebhard. Wann hier mal wieder eines der 500 Mitglieder, davon allein 190 Kinder, Sport betreiben wird, steht in den Sternen. Den Verein hat es gleich doppelt getroffen, denn auch das angeschlossene Vereinsheim muss umfassend saniert werden. „Das war hier im Stadtteil der Treffpunkt, um gemeinsam bei einem Alt einen netten Abend zu verbringen.“

Damit das Sport- und Sozialleben nicht zu lange brach liegt, engagiert sich auch hier Rotary. „Die Bedürftigkeit ist groß, aber auch der Wille, anzupacken und wieder aufzubauen“, sagt Backhaus. Beides sei Voraussetzung, um Spendengelder gut zu investieren.


 

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