Neues aus Bröckedde - Folge 72
Die Bibel
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Eine schicksalhafte Verkettung von Pleiten, Pech und Pannen hatte dazu geführt, dass der RC Bröckedde im letzten Rotary-Mitgliederverzeichnis, der „Bibel“, nicht aufgeführt wurde. „Das darf uns nicht wieder passieren“, forderte Präsident Pröpcke und bat die Freunde um die rechtzeitige Meldung ihrer Daten für die neue Bibel.
„Ob das mal gut geht?“, sagte Kassierer Knödler. In seinen Vorahnungen fühlte er sich bestätigt, als Freund Zangen vorschlug, die Mitglieder nicht einfach per Alphabet aufzuführen: „Da kommt ja Freund Aalborg als erster und der ist gerade mal 187 Tage im Club. Ich bin schon seit 21 Jahren dabei.“
Was tun? Nach langem Streit verkündete Sekretär Dr. Bommert die Lösung. Die Freunde wurden in einer Reihenfolge aufgeführt, die auf einem komplexen Schlüssel aus Clubzugehörigkeitsdauer, Nettoeinkommen, der Wohngegend (deluxe, gehoben, mittel, prekär), der Spendenaktivität und der Präsenz beruhte, multipliziert mit der Zahl der Kinder.
Zusätzliche Farbe erhielt die Debatte durch den Vorschlag von Freund Müller, die Liste etwas persönlicher zu gestalten, mit Porträtfotos und interessanten Details wie den persönlichen Hobbys. Und so erhielt Müller den Vermerk „Besitzer der größten privaten Märklin-Modellbau-Anlage Deutschlands“, während Freund Munzinger mit „27 Kreuzfahrten auf der MS Europa“ dagegen hielt.
Dergestalt schwoll die Mitgliederliste des RC Bröckedde mächtig an, sie würde in der Bibel 23 Seiten beanspruchen. „Das haben wir uns verdient“, meinte Freund Dr. Krümelein, der zum „Bibel-Beauftragten“ ernannt wurde, schon allein wegen seiner klassischen Bildung. Dr. Krümelein war das Verzeichnis ein besonderes Anliegen: „Seit Urzeiten werde ich bei Rotary mit dem falschen Namen geführt, das muss sich ändern.“
Frohgemut schickte er das komplette Datenpaket per E-Mail an den Rotary-Verlag in Hamburg. Doch die erste Sendung verschwand im elektronischen Nirwana. Der zweite Versuch scheiterte, weil das Datenpaket zu dick war. Er rief in Hamburg an und sagte, er werde die Unterlagen per Post schicken. „Sehr gerne, Herr Dr. Kümmerling“, hieß es dort. „Ich heiße Krümelein!“
„Oh Verzeihung, Herr Dr. Krammerling“
Das Postpaket kam zurück, weil unterfrankiert. Nun drängte die Zeit und Dr. Krümelein wollte einen ICE nehmen, um das Konvolut höchstpersönlich im Verlag abzuliefern. Leider hielt der ICE in Bröckedde nur alle drei Tage und auch das war nicht sicher. Schließlich erwischte er einen Zug und lief erschöpft, aber zufrieden in Hamburg ein. Er hastete zum Verlag und übergab das Bröckedde-Mitgliederverzeichnis. Die Dame am Empfang schüttelte traurig den Kopf: „Vielen Dank, Herr Dr. Knörrlein, leider sind Sie einen Tag zu spät.“
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