Rotary Aktuell
Begegnung im Herzen von Rotary
Die deutsch-französische Freundschaft am Beispiel von Rotary aus französischer Sicht
Die Geburt der zwei Nationen Deutschland und Frankreich verdanken wir dem karolingischen Reich – sie sind also aus dem gleichen Staat hervorgegangen. Dennoch haben die Konfrontationen der jeweiligen Nationalismen bisweilen zu Konflikten zwischen den deutschen und französischen Staaten geführt. Die drei Kriege von 1870, 1914 und 1939 sind ein trauriges Abbild dessen.
Die Rotarier wissen, dass bei RI das Gesamtwerk des Friedens eine der zentralen Referenzen unserer Institution ist und dass es die Völkerverständigung ist, die das Projekt Rotary nährt.
Ein Ort der Begegnung
Diese Referenz zeigt sich auch sehr deutlich, wenn man versucht zu erfahren, womit sich die Beziehungen zwischen den deutschen und den französischen Rotariern charakterisieren ließen. Berücksichtigt man die durchaus von Konflikten zwischen diesen beiden Nationen gekennzeichnete Geschichte, ist es interessant, sich mit einigen Aussagen auseinanderzusetzen, die die Beziehungen bezeugen, die in einem solchen Kontext, im Herzen eines in Europa geborenen Rotary, hätten maßgeblich sein können.
Im Jahr 1930 waren die französischen und die deutschen Rotarier bei der Konferenz von Den Haag im gleichen Hotel untergebracht, jedoch entwickelte sich während der ersten Stunden kein Kontakt unter ihnen.
Allerdings entschied sich Otto Boehler, ursprünglich aus Wien stammend und Governor des Distrikts 73, den Präsidenten des Clubs von Paris namens Bernardot zu treffen. Beide entschlossen sich, die aus den Schwierigkeiten und den Kriegen geborenen Antagonismen zu vergessen, die noch in Geist und Körpern verankert waren. Ihre Bemühungen, im Herzen von Rotary einen Ort der Begegnung zu schaffen, um sich ohne Einschränkungen austauschen und somit zur Annäherung der Rotarier beitragen zu können, wurden unterbrochen. Jenseits der Fragestellung der Nationen ließ sich ein Rahmen der Begegnung und des Verständnisses erahnen.
Dieser wurde durch das „kleine französisch-deutsche Komitee“ formalisiert, das sich abwechselnd in Frankreich und Deutschland traf und hierbei den historischen Schwierigkeiten trotzte und von einem rotarischen Geist beflügelt wurde.
Erfahrungsaustausch und Beiträge zum besseren Verständnis gestatteten Treffen, die bis zur Organisation gemeinsamer Konferenzen reichten. Der Reichskanzler beschloss 1937 die Auflösung dieser Instanz vor dem uns bekannten Kontext. Allerdings haben es diese Begegnungen ermöglicht, eine echte Emanzipation einer anderen Idee der Beziehungen zwischen den Mitgliedern eines Landes zum Ausdruck zu bringen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass über die somit formalisierten Gemeinschaftszeiten hinaus die beiden Rotary-Magazine eine auf Initiative des Clubs von Paris in Besançon organisierte Zusammenkunft nutzten, um die Bedeutung dieser Zeit des Austausches sowie das zu betonen, was er im Hinblick auf den Fortschritt der Verständigung ermöglichte.
So wurde übrigens bei der RI Convention von Nizza der einzige französische Präsident von RI auf Vorschlag der deutschen Delegation gewählt. Die Geschichte berichtet gleichermaßen von einem großen Mittagessen, bei dem sich mehr als 400 Rotarier aus beiden Ländern bei dieser Convention versammelten.
Gemeinsame Überzeugungen
Was wäre aus all diesem geworden, wenn der Distrikt 73 nicht durch politische Entscheidung gestoppt worden wäre? Diese Frage bleibt auch noch heute wichtig. So viele tiefgehende Kontakte hatten es gestattet, über die Debatte der Nationen hinaus, einen Rahmen der Innovation und der Ambition zu schmieden, von dem leider niemand die Wirkungen messen konnte, die hätten erzeugt werden können.
Maurice Minotte musste dies bezeugen, als er an den ehemaligen Governor Otto Fischer vom RC Stuttgart anlässlich dieser Auflösung Folgendes schrieb:
„Soweit dies mich betrifft, so lassen der Edelmut unseres Zieles, unsere realisierten positiven Ergebnisse und ihre sichere Ausweitung in der Zukunft mich das Ereignis mit Bitterkeit betrachten. Mögen unsere Freundschaft und unser Ideal bestehen bleiben und das Ganze nicht verloren gehen.“
Es ist zweifellos dieser Ausdruck, der die gemeinsamen Überzeugungen überliefert und der niemals aufgehört hat, die Bedingungen einer aufzubauenden Freundschaft zu schmieden, die über das hinausgeht, was uns trennt und uns in dem bestätigt, was uns zusammenführt. Ist das nicht das Projekt von Rotary?
Manche werden sicher sagen, dass dieses kleine Komitee die zarten Anfänge dessen bildete, woraus später die länderübergreifenden Komitees werden würden.
Es stimmt, dass im Frühling 1950, so kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die französisch-deutschen Beziehungen wieder aufgenommen wurden und in der Teilnahme einer französischen Delegation an der ersten Konferenz des deutschen Distrikts nach dem Krieg in Baden-Baden mündeten. Im Gegenzug begab sich eine deutsche Delegation nach Straßburg, um gleichermaßen die Konferenz des französischen Distrikts zu unterstützen.
Nichts konnte diejenigen hindern, die wünschten, dass das Zusammentreffen sich wiederholen könne, und die wünschten, auf dem Weg zur Verständigung erfolgreich zu sein.
Wenn Rotary hierfür ein lebendiges und aktives Beispiel ist, verdankt es dies seinen Mitgliedern, die diesen unvergleichlichen Wunsch in sich hegen, „zunächst zu dienen“ und aus dem menschlichen Fortschritt das Terrain zu machen, das es den Frauen und Männern effektiv gestattet, sich zu einer gleichen Gemeinschaft zugehörig zu fühlen: dieser großen Gemeinschaft, die sich Menschheit nennt.
Erfolgreiche Völkerverständigung
Hieran werden wir, Deutsche wie Franzosen, weiterhin glauben, morgen noch stärker als heute, denn es gibt Beweise, die wir einzuordnen, und Widerstände, die wir zu bekämpfen wussten. Dieser Tatsache verdanken wir, dass unsere Freundschaft von nun an in einer nachhaltigen Entwicklung, im Dienste der gemeinsam gewordenen Projekte verankert ist und für die Rotary es auch ermöglicht hat, der Katalysator zu sein.
Denn allein die Menschen können durch einen unverbrüchlichen Willen, der als solcher ausgedrückt wird, und durch vollständige Entschlossenheit, einzeln vorgebracht und gemeinschaftlich kundgetan, die Bedingungen für den Erfolg der Verständigung zwischen den Völkern prägen.
Und daher fürchten wir uns nicht, zu wissen und zu sagen, dass wir die besten Beispiele hierfür sind und die glühenden Förderer bleiben werden.
Régis Allard (RC Chambéry-Challes les Eaux) — beleuchtet die deutsch-französische Freundschaft aus der Perspektive eines französischen Rotariers. Für ihn ist die Völkerverständigung eine der stärksten Quellen des Projekts Rotary. Régis Allard ist Herausgeber und Präsident des frankophonen Regionalmagazins leRotarien.
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