Editorial
Das Phänomen Stuttgart
Ambivalenz zwischen Weltstadt und Provinz
Stuttgart ist keine Stadt wie jede andere. Sie beherbergt ein Ballett und ein Schauspielhaus von Weltrang, eine bedeutende Architektenschule und mit Daimler und Porsche gleich zwei Automobilkonzerne, deren Namen auf der ganzen Welt klingen. Sie ist aber auch Heimat von Menschen, die außerhalb Schwabens als stur, eigensinnig, kontrollwütig, verhockt und als Kehrwochenfetischisten gelten. Umso erstaunlicher ist es, wie aus dieser Stadt, die immer pflichtbewusste, fleißige Menschen beherbergte und kaum auffiel, das werden konnte, was sie heute ist. Spätestens seit den Debatten um den Bahnhof „Stuttgart 21“ hat sich die Stadt aus dem Nebel erhoben, gebar den Wutbürger und wurde plötzlich über die Landesgrenzen hinaus sichtbar. Dann wurde das ewig schwarze Ländle plötzlich grün und in den vergangenen anderthalb Jahren auch noch zu einer Querdenker-Hochburg. Was ist da eigentlich los?
Die Autoren unserer Titelgeschichte dringen von ganz unterschiedlichen Seiten in die schwäbische Seele vor, beschreiben aber immer wieder dasselbe Phänomen: diese Ambivalenz zwischen Weltstadt und Provinz, internationaler Ausrichtung und Eigenbrötlerei. Die Autorin Elisabeth Kabatek bezeichnet ihre Stuttgarter Mitbürger als bieder und begnadet, der Kabarettist Mathias Richling schreibt: „Auf Stuttgart muss man eingehen, sonst geht man ein. Seine Bewohner sind im Denken konservativ und im Machen fortschrittlich“. Und der schwäbische Fernsehjournalist Dietrich Krauß erklärt, warum ausgerechnet in der Heimat der Kehrwoche der Protest gegen die Coronamaßnahmen kulminierte.
Der Literaturkritiker und Fernsehmoderator Denis Scheck knöpft sich seine Landsleute in feinster schwäbischer Mundart vor und gibt zu: Schwaben gibt es überall, doch beliebt sind sie nirgends. Und er fragt: „Schwabe sein heißt, aus der Defensive leben. Woher nimmt man die Kraft dafür?“ Mehr Selbstvertrauen als anderswo brauchten Schwaben in Berlin, wo die schwäbische Community von Prenzlauer Berg mit Parolen wie „Kauft nicht bei Schwaben“ und „Tötet Schwaben“ konfrontiert wurde. Der schwäbische Autor Achim E. Ruppel, selbst seit über 40 Jahren in Berlin, gründete daraufhin die Initiative „Schwaben in Berlin“, um schnodderige Berliner und pietistische Schwaben auszusöhnen. Er schreibt über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und die große schwäbische Sehnsucht nach der Ferne.
Nicht nur in Schwaben, in ganz Deutschland und Österreich ist es so eine Sache mit dem lieben Geld. Offen darüber reden will kaum jemand. Gut, dass es Menschen gibt wie Rüdiger Götz (RC Uffenheim) und Chrissy Klinke-Götz (RC Rothenburg ob der Tauber), die heute schon verkünden, dass sie nach ihrem Ableben 1,9 Millionen Dollar der Rotary Foundation hinterlassen werden. Oder Herbert Ederer (RC District 1910 First Austrian Passport) und seine Ehefrau Andrea, die sich dazu entschlossen, einen guten Teil ihres Vermögens an den Stiftungsfonds der Foundation zu übertragen. Ederer ist das einzige österreichische Mitglied der Legacy Society – seine Stiftungszusage beträgt also mindestens eine Million Dollar. Was ihre sieben Kinder dazu sagen? Die hätten alle eine Hochschulausbildung oder die Möglichkeit dazu und könnten ihre eigenen Wege gehen, sagen die Ederers. Unsere Redakteurin Insa Fölster sprach mit den Großspendern sowie mit Major Gift Officer Peter Schnell, Ansprechpartner für Spenden ab 10.000 Dollar. Lesen Sie mehr über seine spannende Aufgabe und die Wichtigkeit von Großspendern.
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht
Björn Lange
Chefredakteur
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