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Titelthema: Abschied von der Weltpolitik

Eine historische Herausforderung

In Zeiten nationaler Alleingänge steht die deutsche Außenpolitik vor der Aufgabe, gegenüber den USA und innerhalb der EU initiativ zu werden und zu führen.

Klaus Naumann01.03.2017

Schon wenige Tage nach der Amtseinführung Donald Trumps waren sich die meisten Beobachter darin einig, dass seine Präsidentschaft den Beginn einer neuen Ära markiert. Trumps Botschaft sowohl in seiner Rede am 20. Januar als auch in den ersten Tagen seiner Regentschaft ist eindeutig: „Von heute an gilt: America first. Jede Entscheidung im Handel, zu Zöllen, zur Einwanderung und in der Außenpolitik wird nur ein Ziel haben: Sie muss dem amerikanischen Arbeiter und den amerikanischen Familien Vorteile bringen.“

Mit Präsident Trump scheinen sich die USA endgültig von ihrer Rolle als Hüter und Garant der globalen Ordnung zu verabschieden. Die internationalen Organisationen, freier Handel, offene Beziehungen, das Zusammenstehen westlich-liberaler Demokratien gegen Extremismus und Totalitarismus sowie eine enge und vertrauensvolle transatlantische Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Werte und die Errungenschaft des Völkerrechts waren dem US-Präsidenten in seiner Antrittsrede keinen Kommentar wert, die NATO erwähnte er noch nicht einmal. Dafür bezeichnete er in einem Interview mit der Bild-Zeitung die nordatlantische Allianz zunächst als „obsolet“ und dann im letzten Satz als „sehr wichtig“. Der Vizepräsident, der Außenminister, der Verteidigungsminister und die UN-Botschafterin gaben dagegen Signale der Verlässlichkeit und Kontinuität; doch man wird warten müssen, wie der Präsident sich festlegt.

Sicherheitspolitische Zeitenwende
Mit einer Rückkehr zum Nationalismus und der Abkehr von ihren Bündnissen würden die USA ihre Führungsrolle in der Welt aufgeben und sich selbst, genau 100 Jahre nach dem Beginn ihres Aufstiegs zur Weltmacht durch ihren Eintritt in den Ersten Weltkrieg, zu einer Regionalmacht machen, allerdings einer mit globalen Handlungsmöglichkeiten. Damit gäbe es nun zwei Führer von Weltmächten, die in unserer globalisierten Welt in den nationalistischen Kategorien des 19. Jahrhunderts denken und noch dazu ihre Länder als Opfer sehen, zu ihrem Handeln aber über die Instrumente des 21. Jahrhunderts verfügen: Donald Trump und Wladimir Putin.

Das alles geschieht in einer Welt, die unsicherer und weniger kalkulierbar ist als je zuvor seit Ende des Kalten Krieges. Das Wertemodell des Westens, die beste und freiheitlichste Lebensordnung, die es je gab, ist unter Beschuss der Nationalisten und Populisten, hier in Europa. Aber auch in anderen Teilen der Welt und in Asien erzeugt der Rückzug der USA ein konfliktträchtiges Vakuum; er stärkt China, obwohl Trump es eindämmen möchte. Wir erleben also eine Zeitenwende, möglicherweise eine Abkehr der USA von ihrer Rolle als Garant europäischer Sicherheit.

Konkret wurde Trump bisher nur mit der Aussage, den radikalen islamischen Terrorismus ausrotten zu wollen, also den IS und Al Quaida. Dazu wird er wahrscheinlich neue Allianzen schmieden wollen und zugleich eine stärkere Rolle der NATO fordern. Für Deutschland mit seiner nach wie vor noch immer nicht erwachsen zu nennenden Haltung zu Kampfeinsätzen kann das in einem Wahljahr Unangenehmes bedeuten, denn mit einem „Weiter wie bisher“ wird Trump sich nicht zufriedengeben.

Eine neue Allianz gegen den Terror kann natürlich auch bedeuten, dass Trump einen „Deal“ mit Russland im Auge hat. Sollten Trump und Putin eine Absprache treffen, die zum Rückzug der USA aus dem Sanktionsregime führt, würde Deutschland die Europäische Union in dieser Frage nicht zusammenhalten können. Die gesamte EU-Politik in Osteuropa geriete ins Wanken. Bleibt es bei der Haltung, die die US-Botschafterin im Sicherheitsrat zeigte, dann ist das wohl kaum zu erwarten, obwohl die Zukunft der EU für Trump keinen Vorrang hat, aber einen Rechtsbruch wie ihn Putin beging, scheint auch für Trump zu weit zu gehen. Trump wird vermutlich sehr schnell erkennen, dass jeder „Deal“ mit Putin – etwa bei den für Russland schmerzhaften Ukraine-Sanktionen oder bei dessen Ziel, bestimmenden Einfluss vom Nahen Osten bis zum Persischen Golf zu gewinnen – die Gefahr in sich birgt, den Einfluss der USA aufzugeben. Ein amerikanischer Präsident, der die gestaltende und ausgleichende Rolle der USA in Europa aufgibt, macht Amerika nicht groß, sondern klein. Das Ende amerikanischen Einflusses in Europa wäre das Ende der globalen See- und Handelsmacht USA, also der Weltmacht USA. Eine solche zur Regionalmacht abgestiegene USA würde auch im asiatisch-pazifischen Raum nach der China in die Hände spielenden Kündigung von TTP nicht mehr Gestalter, sondern Getriebener sein.

Klaus Naumann
General a. D. Dr. Klaus Naumann (RC München-Schwabing)

war von 1991 bis 1996 Generalinspekteur der Bundeswehr und danach bis 1999 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses. Zu seinen Schriften gehören „Die Bundeswehr in einer Welt im Umbruch“ (Siedler, 1994) und „Frieden – der noch nicht erfüllte Auftrag“ (Mittler, 2002).

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