Neues vom RC Bröckedde - Folge 20
Freund Computer
Freund Dr. Krümelein war ein altmodischer Mensch. Er schrieb noch Briefe, per Hand mit seinem edlen Füller. Er hasste Mobiltelefone. Und er war einer der Letzten im R.C. Bröckedde, der noch keinen Computer hatte. „So ein Elektronengehirn kommt mir nicht ins Haus", pflegte er zu sagen.
Da stand nun der Kasten im Arbeitszimmer und glotzte ihn an. Dr. Krümelein schlich um ihn herum. „Ich mag dich nicht", dachte er. Und der Kasten mochte Dr. Krümelein auch nicht.
Nach und nach wurde Dr. Krümelein ein Profi. Er entdeckte das World Wide Web 2.0, wo er sich als Avatar niederließ. In der virtuellen Welt von Second Life war er der junge Alain Delon, der vergnügliche Stunden mit Romy Schneider an der Côte d'Azur verbrachte. Frau Krümelein blieb er natürlich irgendwie seelisch zugetan.
Für unterwegs legte sich Dr. Krümelein ein superflaches, superteures Subnotebook im Platinlook zu, um stets im Netz zu bleiben. Im Meeting speiste er am liebsten mit Freund Müller, der das gleiche Subnotebook mit sich trug. Da saßen sie sich gegenüber, und beim Hauptgang tippte Dr. Krümelein rasch eine E-Mail an Müller ins Gerät: „Kann ich bitte mal den Salzstreuer haben?"
Doch auch er konnte dem Fortschritt nicht entkommen. Der R.C. Bröckedde legte sich eine eigene Website zu, die Wochenberichte, die Vorträge und die Einladungen kamen nun ganz prosaisch auf elektronischem Wege. Zähneknirschend kaufte sich Dr. Krümelein einen PC.
Da stand nun der Kasten im Arbeitszimmer und glotzte ihn an. Dr. Krümelein schlich um ihn herum. „Ich mag dich nicht", dachte er. Und der Kasten mochte Dr. Krümelein auch nicht.
Jedenfalls funktionierte erst einmal gar nichts, weder beim Schreiben noch im Internet. „Unfassbar, dass ich mit einer toten Maus in der Hand an meinem Sekretär sitzen muss!"
Mickey, der Enkel von Präsident Pröpcke, wurde alarmiert. Er kam, spielte mit der Tastatur wie mit einem Bechstein-Flügel und meinte dann: „War ein Problem mit dem Browser. Ich down loade jetzt was, dann upspeeden wir das Ganze. Ist ganz easy." Browser, Downloaden, Upspeeden - Dr. Krümelein, der Schöngeist, konnte lange Passagen der Ilias auswendig vortragen, und zwar auf Altgriechisch, aber das überstieg seinen Horizont. Doch er musste durch das Tal der Tränen und arbeitete sich ein. Unmerklich gewann er den Kasten lieb, dieses unglaublich dumme, aber hilfreiche Gerät. Bald schaltete er ihn frühmorgens ein und drückte erst spät abends auf den Ausknopf. Die schon lange geplanten Lebenserinnerungen nahmen elektronisch Gestalt an, und dieses E-Mail war ja eine praktische Sache. Allerdings fand er es sehr ungehörig, dass ihm auch wild- fremde Menschen schrieben. Sie boten Potenzmittel und Rolexuhren für 99 Euro an. Völlig verwirrt war er über eine Mail, in der es hieß: „Tina ist heiß auf Dich. Anruf für nur 3 Euro/min."
Nach und nach wurde Dr. Krümelein ein Profi. Er entdeckte das World Wide Web 2.0, wo er sich als Avatar niederließ. In der virtuellen Welt von Second Life war er der junge Alain Delon, der vergnügliche Stunden mit Romy Schneider an der Côte d'Azur verbrachte. Frau Krümelein blieb er natürlich irgendwie seelisch zugetan.
Für unterwegs legte sich Dr. Krümelein ein superflaches, superteures Subnotebook im Platinlook zu, um stets im Netz zu bleiben. Im Meeting speiste er am liebsten mit Freund Müller, der das gleiche Subnotebook mit sich trug. Da saßen sie sich gegenüber, und beim Hauptgang tippte Dr. Krümelein rasch eine E-Mail an Müller ins Gerät: „Kann ich bitte mal den Salzstreuer haben?"
Alexander Hoffmann (RC Frankfurt/Main-Römer) ist korrespondierendes Mitglied des RC Bröckedde. Nach langen Jahren als politischer Redakteur bei namhaften Tageszeitungen (zuletzt "Süddeutsche Zeitung") ist Hoffmann heute als Unternehmensberater tätig. Daneben zahlreiche Sachbuchveröffentlichungen zu den Themen Zeitgeschichte und Medizin sowie satirische Beiträge für den Rundfunk. Dem satirischen Düsseldorf-Roman "Der Wolkenschieber" folgten 2019 der Krimi "Hopfen, Malz & Blut" und 2020 der Krimi "Phantom im Wiehengebirge". 2021 erschienen der Krimi "Bommfördes Erbe" und der Roman "Brillanter Abgang". 2022 folgte der Wirtschaftskrimi "Mainopoly". 2023 erschienen der Krimi "Tödliche Eisernte" und die Katzennovelle "Der Chef bin ich".
Copyright: privat www.hoffmannschreibt.de
Copyright: privat www.hoffmannschreibt.de
Weitere Artikel des Autors
12/2024
Im Himmel
11/2024
Der erschöpfte Rotarier
10/2024
Großgreifer entkommt keiner
9/2024
Der zweite Lebensbericht
8/2024
Dinner for One
7/2024
Auf dem Boden der Tatsachen
6/2024
Fossilien-Runde
5/2024
Das Alphatier
4/2024
Die Bardolino-Affäre
3/2024
Der Knopflochrotarier
Mehr zum Autor