Ravensburg
Himmlische Backstube
Seit 12 Jahren betreiben die Mitglieder des RC Ravensburg in der "Himmlischen Backstube" auf dem Christkindlesmarkt ein einzigartiges Projekt: Backen mit Kindern. In diesem Jahr sind auch Flüchtlingskinder eingeladen.
Donya kann es kaum erwarten. Das zehnjährige Mädchen läßt Hermann Brucker nicht aus den dunklen Augen. Endlich klappt der alte Bäckermeister die Klappe des großen Backofens auf. Auf heißem Blech liegen sie, gut gebräunt, duftend und heiß: Donyas erste Plätzchen. Brucker schaufelt das Weihnachtsgebäck in eine Papiertüte und das Mädchen rennt durchs Backzelt zu ihrer Schwester Filan. Die 18jährige erzählt, dass es so etwas in ihrer syrischen Heimat nicht gibt. Auf Neujahr werden in Aleppo, wo sie herkommen, große Zopfbrote gebacken. Donya knabbert derweil an einem Plätzchen und strahlt.
„Das ist eine ganz tolle Aktion“ sagt Asli Erköseoglu von der Bildungsinitiative Bodensee- Oberschwaben. Die gebürtige Ravensburgerin hat vor Wochen einen Vortrag bei den Ravensburger Rotariern über die Situation der Flüchtlinge in der sogenannten Burachhalle, der Flüchtlingsunterkunft, gehalten. Daraus wurde die Idee, Flüchtlingskinder ins „Himmlische Backzelt“ am Ravensburger Marienplatz einzuladen. Seit 12 Jahren steht das große weiße Zelt drei Wochen lang auf dem Christkindlesmarkt gleich neben dem historischen Waaghaus und hat sich längst zum Anziehungspunkt für Kinder aus der ganzen Region entwickelt. Kindergärten bewerben sich schon im Sommer beim Großbäcker und „Erfinder“ der Aktion, Ferdinand Hamma, für einen Vormittagstermin. Auch in der übrigen Zeit sind Plätze an den kindgerechten Tischen heiß begehrt. Die Kinder, im Alter zwischen vier und acht Jahren, bekommen weiße Mützchen auf den Kopf, eine Schürze umgebunden. Dann kann es losgehen. Weißer und brauner Teig muss gewalzt werden. Dann werden die Plätzchen mit den Blechförmchen ausgestochen und die Teiglinge aufs Blech gelegt. Je nach Kenntnisstand und Geschick helfen die Rotarier den Vier- bis Achtjährigen, während die Mütter und Väter, Opas und Omas, nebenan im angegliederten Cafe´ Zeit zum Stressabbau oder Plaudern haben. Den Service leisten auch hier Rotarier und ihre Angehörigen. Über 350 Schichten müssen besetzt werden. Eine Herausforderung für den Rotary Club mit derzeit 74 Mitgliedern. In der Backstube werden in den drei Wochen rund zwei Tonnen Teig von den rund 3000 Kindern „verschafft“.
Asli Erköseoglu sitzt jetzt mit den Müttern der Flüchtlingskinder im Cafe´ bei Kaffee, Kuchen und Schokolade. Die Aktion hat sich längst in der Burachhalle herumgesprochen. „Wann bin ich dran“ hört die ehrenamtliche Helferin ständig. Vier Termine wurden mit dem Rotary Club vereinbart. „Und uns war wichtig, dass die Flüchtlingskinder nicht isoliert backen, sondern mit anderen Kindern aus Ravensburg und Umgebung“, sagt Präsident Martin Oswald. Die Einnahmen aus dem Cafebetrieb und den Spenden im Backzelt kommen seit Jahren Sozialeinrichtungen wie dem Frauenhaus, Brennnessel e.V. oder Kindern psychisch kranker Eltern zugute.
Dann müssen die Kinder zurück in die Burachhalle. Zu den Tüten mit dem selbst gefertigten Weihnachtsgebäck gibt es die Mützchen und die Schürzen als Erinnerung und Buntstifte und kleine Büchlein. Donya, die bereits in die Ravensburger Kuppelnauschule geht und eifrig Deutsch lernt, schaut ein bißchen traurig. Aber spätestens nächstes Jahr will sie wieder kommen, ins Himmlische Backzelt am Marienplatz…
(Walter Rundel, RC Ravensburg)
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