Evanston
Mehr Möglichkeiten für das Clubleben
Seit Beginn des rotarischen Jahres 2016/17 können Rotary Clubs flexiblere Mitgliedschaftsformen und Meeting-Formate einführen. Die Bandbreite an Möglichkeiten ist groß, aber nicht verpflichtend. Wer möchte, kann weitermachen wie bisher.
Als der Gesetzgebende Rat (Council on Legislation) im April in Chicago tagte, fassten die 534 Abgeordneten aus aller Welt weitgehende Beschlüsse, die seitdem für Diskussion sorgen. Mit diesen Beschlüssen zu den gesetzlichen Grundlagen von Rotary International (RI) stellten sie neue Weichen im Hinblick auf mehr Flexibilität und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten für die Clubs. Sie reagierten damit auf abnehmende Mitgliedschaftszahlen und ein weiter steigendes Durchschnittsalter der Mitglieder in einigen Teilen der Welt.
„Pilotversuche haben gezeigt, dass die alten Regeln kaum praktiziert werden“, sagt Peter Iblher (RC Nürnberg-Reichswald), Beauftragter des Deutschen Governorrates als Abgeordneter für den Council on Legislation (CoL). „Wir brauchten Erleichterung, auch im Hinblick auf jüngere Mitglieder, sonst machen die nicht mit.“
Innovativ
In den vergangenen 15 Jahren hatte RI Pilotprojekte durchgeführt, um Innovationen bei Mitgliedschaft, Klassifikationen etc. zu testen. Immer wieder hätten die Ergebnisse und Erfahrungen der Mitglieder gezeigt, dass Clubs, die mehr Freiheit bei der Bestimmung ihrer Treffen, bei der Einladung von Mitgliedern und der Definition von Clubengagement hätten, lebendiger, dynamischer und wachstumsfreudiger gewesen seien, heißt es aus Evanston.
Auf dem Bildschirm präsent: Mithilfe einer Meeting-Software und einer einfachen technischen Ausstattung im Clublokal können Gäste, Referenten oder Mitglieder online am klassischen Meeting teilnehmen © Sasan Saidi
Diese Erfahrungen haben ganz konkret auch die Mitglieder des RC Weiz gemacht, die beim Pilotprojekt „Flexibilität und Innovation“ mitgemacht hatten. Sie ergänzten während der Pilotphase unter anderem ihre wöchentlichen Abendmeetings um zusätzliche Treffen am Wochenende, um die Freundschaft zu pflegen und auch, um den Kontakt zu Rotaract zu intensivieren. Präsidentin Irmgard Prassl fasst ihre Erfahrung zusammen: „Das Plus vom Pilotprojekt? Einfach mehr Entscheidungsfreiheit. Wir haben es sehr begrüßt, weil Präsenzen anders definiert werden konnten.“ Die erprobte Flexibilität möchte ihr Club auch über die Pilotphase hinaus weiterleben.
Auf dem CoL gossen RI-Board und Ratsteilnehmer durch ihre Beschlüsse genau diese Freiheiten in ein neues Regelwerk, das die Clubs eigenständig in ihrer Club-satzung festlegen können. Die gegenwärtigen Regeln der Einheitlichen Verfassung für Rotary Clubs werden dadurch nicht berührt. Die allgemeinen rotarischen Ziele und der Servicegedanke werden weiterhin groß geschrieben. Das geht schon bei der Aufnahme los. Wer sich als Mitglied qualifizieren will, muss einen guten Charakter, Integrität und Führungsfähigkeiten bewiesen haben. Außerdem muss er über einen guten Ruf im Beruf und in der Gemeinde verfügen und bereit zum Gemeindienst und internationalen Dienst sein. „Die Mitgliedschaftskriterien richten sich viel stärker an Persönlichkeitsmerkmalen und Einsatzbereitschaft aus als an erreichter Position“, sagt Peter Iblher.
Durch Änderung ihrer Satzung haben Clubs die Möglichkeit, die Umsetzung des Clublebens künftig freier zu gestalten. So können sie von nun an etwa Änderungen oder Absagen von Meetings vornehmen, Serviceprojekte oder soziale beziehungsweise gesellige Veranstaltungen als Meetings anrechnen, Anpassungen der Satzung zur Lockerung oder Verschärfung der Anwesenheitspflichten und Regelungen für Ausschüsse wegen Nichtpräsenz vornehmen. Außerdem können Clubs ihre Meeting-Häufigkeit bestimmen, solange sie sich mindestens zweimal im Monat treffen. Und das Format der Treffen können sie individuell festlegen: Möglich sind persönliche Meetings, Online-Meetings oder eine Kombination aus beiden Formaten. Auch eine Unterscheidung zwischen E-Clubs und traditionellen Clubs gibt es nun laut RI-Verfassung nicht mehr. Ob der Club weiterhin sein „E“ im Namen trägt, bleibt ihm überlassen.
Weit weg und doch mittendrin: Wer physisch nicht anwesend sein kann, hat die Möglichkeit, virtuell am Clubleben teilzunehmen © Sasan Saidi
„Das Beste aus zwei Welten“, nennt Jan Mittelstaedt aus dem RC Konstanz-Mainau die sogenannten Hybrid-Meetings, die er seit eineinhalb Jahren in seinem traditionellen Club erfolgreich durchführt. Mithilfe einer Meeting-Software können sich Teilnehmer von außen online dazuschalten. „Es ist von der Basis ein klassisches Meeting mit zusätzlicher E-Komponente“, sagt Jan Mittelstaedt. So kann zum Beispiel ein Clubfreund mit Erkältung von zu Hause teilnehmen, ein anderer kann sich auf Geschäftsreise vom Hotelzimmer dazuschalten und selbst der Referent hat auf diese Weise ein unbegrenztes Einzugsgebiet.
Das kann Jan Mittelstaedt am eigenen Beispiel bestätigen. Ob in Bad Nenndorf, Baden-Baden oder Achern-Bühl – seinen Vortrag über Hybrid-Meetings hat er schon mehrfach vom heimischen Computer am Bodensee aus an diversen Orten in Deutschland gehalten und damit gleich live gezeigt, wie es funktioniert. Im RC Konstanz-Mainau finden Hybrid-Meetings nur selten und bei Bedarf statt. Denn: „Sie können klassische Treffen im Clublokal nicht ersetzen. Sie sind ein zeitgemäßer Weg, die Qualität der Mitgliedschaft zu optimieren“, sagt Jan Mittelstaedt.
„Es ist im Grunde genommen so, als ob Sie dabei sind“, sagt Christian Reindl aus dem RC Konstanz. Er ist Ehrenmitglied im RC Konstanz-Mainau, 80 Jahre alt und hat mit Computern grundsätzlich wenig zu tun. „Es war denkbar einfach und ich war mittendrin.“ Der einzige Unterschied sei, sagt er augenzwinkernd über seine Erfahrung als zugeschalteter Teilnehmer, „dass ich mein Bier alleine trinken muss“. Vor zehn Jahren lag er für mehrere Monate im Krankenhaus. Die Möglichkeit, dass er auf diese Weise damals hätte dabei sein können, kann er sich heutzutage „als ganz wunderbar“ vorstellen.
Flexible Gestaltung
Eine weitere Änderung ist die neue Flexibilität bei Mitgliedschaftsformen. So können Clubs zum Beispiel außerordentliche Mitgliedschaften, Firmen- oder Familienmitgliedschaften einführen. Clubs und Distrikte legen zu diesen Mitgliedergruppen ihre individuellen Richtlinien und Bestimmungen in ihren Satzungen fest. Wer solche Mitgliedschaftsformen lieber nicht ausprobieren möchte, lässt alles beim Alten.
Von Erfahrungen zum Thema außerordentliche Mitgliedschaft (Associate Membership) können die Mitglieder des RC Quickborn berichten. Sie nahmen an einem RI-Pilotprojekt dazu teil und erprobten diese Form der Mitgliedschaft, die während der Pilotphase als ein zeitbegrenztes Gästeprogramm definiert wurde, um Rotary und den Club vorzustellen. Das Fazit nach etwa einem Dreivierteljahr: „Für uns ist es keine Option, um mehr Mitglieder zu bekommen“, sagt Past-Präsident Heinz Wiedemann. Es habe sich immer schnell ergeben, dass die Aspiranten Mitglieder geworden seien oder aber direkt wieder Abstand genommen hätten.
Im Hinblick auf eine flexiblere Gestaltung des Clublebens konzentriert sich der RC Quickborn inzwischen auf andere Möglichkeiten. So hat sich der Club erst kürzlich mit der passenden Technik ausgestattet und führt nun Hybrid-Meetings durch. „Wir haben viele junge Leute, die viel in der Welt unterwegs sind und nicht am Meeting teilnehmen können“, so Wiedemann. Flexibel im Hinblick auf die Mitgliedschaft neuer Generationen reagierte der Gesetzgebende Rat beim Thema Rotaract. Rotaracter, die die Qualifikationen zur Mitgliedschaft in einem Rotary Club erfüllen, können darin aufgenommen werden und zeitgleich weiterhin Rotaract-Mitglied bleiben. Verbunden ist damit auch das Ziel, dass mehr Rotaracter den Weg in Rotary Clubs finden.
© Sasan Saidi
Auf eine oft hohe Diskrepanz zwischen Altersdurchschnitt im Club und der nachfolgenden Generation potenzieller Kandidaten für einen Rotary Club reagierte auch der RC Osnabrück-Süd und gründete mit Wirkung zum gerade angelaufenen rotarischen Jahr mit zurzeit 26 Mitgliedern den RC Osnabrück-Süd Satellitenclub. Durchschnittsalter: 33 Jahre. Einbezogen in die Mitgliedersuche wurden der Rotaract-Distriktsprecher, der Alumni-Beauftragte des Distrikts sowie die bestehenden Rotary Clubs der Region Osnabrück, Emsland, Grafschaft Bentheim und Vechta-Diepholz. Die Mitglieder treffen sich einmal im Monat in Osnabrück zum regulären Meeting.
Dazwischen bereichern ein Plauder-Meeting sowie Hands-on-Projekte das Clubleben. Auf dem Programm steht außerdem das „organisierte Ausschwärmen“ in andere Clubs aus der Region. Auch digitale Netzwerke wollen die Mitglieder gezielt zur Kommunikation nutzen. „Mit dem Satellitenclub sollen im Rahmen des von RI vorgegebenen Rahmens neue Strukturen bezüglich der Präsenzen und des Clublebens erprobt werden, die der familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit der Generation 30+ Rechnung tragen“, sagt der Gründungsbeauftragte Past-Gov. Erhard Mielenhausen. Nach drei Jahren soll eine Zwischenbilanz gezogen werden, um gegebenenfalls über Anpassungen hinsichtlich Struktur- und Rahmenbedingungen zu entscheiden.
„Wenn wir die Clubs weiterentwickeln wollen, brauchen wir die neue Generation. Wir müssen ihr in ihrer Work-Life-Balance entgegenkommen“, sagt auch Peter Iblher. Die CoL-Beschlüsse mit ihren vielfältigen neuen Möglichkeiten sind auch eine Reaktion auf eine sich stetig wandelnde Gesellschaft, um als Organisation innerhalb dieser Gesellschaft auch in Zukunftrelevant zu bleiben.
Satellitenclubs sind vorübergehend eingerichtete Clubs, die eine Vorstufe zu einem regulären, unabhängigen Rotary Club bilden. Die Mitglieder sind bis zur Aufnahme ihres Satellitenclubs als regulärer Rotary Club von RI gleichzeitig Mitglieder ihres Sponsor-Clubs.
Nähere Infos bei der Club- und Distriktunterstützung:
www.rotary.org/de/contact/representatives
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