Innerwheel
Moderne und Tradition verbinden – nicht nur in Erfurt
Rund 400 Damen aus allen Teilen der Bundesrepublik trafen sich Ende April zu Austausch und Inspiration in Erfurt – beim 10. Inner-Wheel-Deutschlandtreffen.
Die Sonne meinte es gut mit den rund 400 Gästen, die sich der Inner Wheel Club Erfurt-Gotha nach Thüringen eingeladen hatte – und so glänzte die Thüringische Landeshauptstadt Erfurt mit allem, was sie zu bieten hat: Historie, Kultur, Tradition im Spiel mit Moderne und viel frischem Grün. Das Motto „Auf Luthers Pfaden“ führte die Besucherinnen in die Zeit um 1500, als Luther in Erfurt studierte. Ganz in der Nähe soll er in einem Weltuntergangs-ähnlichen Gewitter versprochen haben: „Wenn ich überlebe, werde ich Mönch!“
So landete Luther im Erfurter Augustinerkloster – wie auch die 400 Inner Wheelerinnen zum Auftakt ihres Treffens. Der junge Mönch spekulierte – wie die Damen – auf Wissenszuwachs, Austausch, Erfahrungsgewinn. Und schon die Gespräche rund um die Anmeldung zum Inner-Wheel-Treffen ließen die Diskussionen losbrechen. „Wir wollen ja weiter Ideen entwickeln“, machte Petra Looft, Präsidentin im IWC Itzehoe, deutlich. „Beim Treffen kann man gut voneinander lernen, sich vernetzen, neue Leute kennenlernen – wir müssen die Zeit dafür nutzen.“
Einem Abendgottesdienst im Kloster ließ Organistin Andrea Malzahn musikalische Eindrücke folgen und der Reformationsbeauftragte der Thüringer Landesregierung, Dr. Thomas Seidel, gab neue Einblicke und Anstöße in Sachen Luther. „Spaltete oder erneuerte Luther die Kirche? Auf jeden Fall ermöglichte er eine Nationalsprache und zeigte deren Vielgestalt auf. – In Sachen Religion bleibt bis heute: Jeder braucht seine Positionsbestimmung.“
Für die 40 Erfurter und Gothaer Inner Wheelerinnen ist Luther im wahrsten Sinne des Wortes ein Weggefährte – nicht nur in Erfurt ist er auf Denkmälern, Bildern, an der alten Universität, im Mariendom oder anderen Kirchen zu spüren, zu sehen. Auch in Gotha und vor allem auf der Wartburg bei Eisenach kommt man dem Reformator näher.
Genau dorthin hatten die Gastgeberinnen lehrreiche und spannende Touren organisiert, neben Luther-Stadtrundgängen in Erfurt. Wer wollte, konnte auch das jüdische Erbe der Landeshauptstadt kennenlernen oder die Klassikerstadt Weimar sowie das Kyffhäuser-Denkmal in Bad Frankenhausen und das Panoramagemälde zur Frühbürgerlichen Revolution besuchen. Dazu gab es natürlich auch auf den Tellern Thüringer Spezialitäten vom Feinsten. „Man konnte sich kaum entscheiden – hier wie da“, mussten viele Gäste zugeben.
Treffen mit Rück- und Ausblicken
Beim Gala-Event an der Erfurter Messe gab vor allem der Impulsvortrag von Professorin Dagmar Schipanski, ehemalige Thüringer Landtagspräsidentin und einst Bundespräsidenten-Kandidatin, weitere Anstöße. Aus den Zeiten, in denen Klöster die Zentren der Geisteswissenschaften waren, habe sich vieles erhalten. „Heute halten uns Luthers Thesen immer noch in Bann. Aus dieser Tradition ist Luther bis in unsere Zeit ‚wirkmächtig’. Und auch wenn nicht alles unkritisch gesehen werden kann: Mit seinen Thesen hat er manches aufgebrochen und angestoßen – möglicherweise bis hin zu heutigen Bürgerbewegungen.“
Beeindruckt diskutierten viele Damen daraufhin auch die Erneuerung bei Inner Wheel. Mittlerweile können auch berufstätige Frauen besser integriert werden. „Wir müssen es auch für die Jüngeren einfacher machen, sonst droht Überalterung. Obwohl – wir nehmen bei uns auch gern frühpensionierte Frauen auf, deren Mann ordentlich mitzieht“, scherzte Gisela Krauss-Zeus aus dem IWC Bonn-Bad-Godesberg – und deutete auf ihren Mann Dieter Krauss, der selbst im RC Bonn-Rheinbach aktiv ist und sie begleitete.
Ein buntes Highlight hielten die Erfurter Gastgeberinnen zum Abschluss des Inner-Wheel-Treffens bereit: einen Besuch auf der Erfurter Gartenbau-Ausstellung ega. Zwischen Blumen, Riesen-Schmetterlingen und frischem Grün nahmen die Vernetzungs-Versuche und Diskussionen erneut Fahrt auf. „Wir dürfen da auch nicht nachlassen, denn die Gesellschaft verändert sich. Ich glaube, wir sind jetzt schon eine Bereicherung – wir brauchen uns nicht zu verstecken. Aber wir wollen doch weiter aktiv sein“, fasst Bärbel Dümcke aus Itzehoe zusammen.
Mehr als 8.600 in Deutschland
Inner Wheel ist bis heute die weltweit größte Frauen-Service-Organisation. In Deutschland engagieren sich derzeit allein 8631 Mitglieder in 226 Clubs. Gegründet wurde die Organisation während des Ersten Weltkrieges in England. Damals wollten die Frauen von Rotariern die sozialen Projekte ihrer Männer fortführen, die als Soldaten dienten. 1924 wurde dann der erste Inner Wheel Club in Manchester gegründet. Der 10. Januar – der Gründungstag – wird seither als der „Tag der guten Tat“ begangen.
Damit hatte die Frauenorganisation Wurzeln bei Rotary, sah und sieht sich jedoch von Anfang an als eigenständige Frauenorganisation. Inzwischen ist sie sogar eine von den Vereinten Nationen anerkannte Non Governmental Organisation (NGO). Inner Wheel darf deshalb auch Beobachter in den Wirtschafts- und Sozialrat der UNO entsenden. Rund 4000 Inner Wheel Clubs sind inzwischen in mehr als 169 Distrikten und mehr als 100 Ländern weltweit aktiv – mit über 103.000 Mitgliedern.
Früher nur Ehefrauen von Rotariern
Deutschland ist seit 1968 mit eigenen Clubs dabei. In den frühen Jahren durften nur Ehefrauen und Witwen von Rotariern Mitglied werden – heute sind auch Frauen ohne Verbindung zu Rotariern dabei. Viele Clubs werben inzwischen sogar kräftig, um neue Mitglieder aus dem nicht-rotarischen Umfeld. "Wir wollen das Potential der Engagierten für uns nutzen", so der Tenor.
Im Fokus der Treffen und der Aktionen stehen vor allem Freundschaft, soziales Engagement und internationale Verständigung. Jeder Club kann aber für sich selbst entscheiden, welche Wege er dabei beschreiten möchte: die Not vor der eigenen Haustür lindern, die Gemeinde stärken oder internationale soziale Projekte anschieben.
Was die Clubs prägt, ist vor allem die Mischung aus Jung und Älter, aus Hausfrauen und Berufstätigen, aus Müttern, Großmüttern und Kinderlosen, aus der Vielfalt der Interessen und Ausbildungen oder Erfahrungen, die jede der Inner Wheelerinnen mitbringt. Attraktiv für Außenstehende scheint auch, dass das Clubleben offensichtlich keinen Profilierungsdruck mitbringt.
Gute Kontakte pflegen die Clubs von Inner Wheel nahezu überall zu Rotary und Lions Clubs. Im Wissen, dass Gemeinsamkeit stärker macht, tun sie sich mit anderen Aktiven zusammen. Ob Schulprojekt oder Vortragsreihe, Benefiz-Veranstaltungen oder Hands-on-Aktivitäten – dient es dem Ziel, sind die Inner Wheelerinnen zur Bündelung der Kräfte gern bereit.
Länderübergreifende Konferenzen und Treffen (wie zum Beispiel die Rallye Charlemagne, die Teilnehmerinnen aus allen kerneuropäischen Ländern zusammenbringt), die Pflege der Freundschaft zu ausländischen Clubs – das alles bringt Internationalität in den Inner-Wheel-Alltag. Wer mag, kann zudem auf Urlaubs- oder Dienstreisen an Clubmeetings in aller Welt teilnehmen.
Persönlicher Einsatz für den Nächsten
Rotarier erkennen in vielem die eigenen Regeln und Vorsätze wieder. Stärker noch ist jedoch unter den Frauen der persönliche Einsatz für den Nächsten verankert. Das zeigt sich vor allem auch in den Projekten.
So half zum Beispiel der gastgebende IWC Erfurt-Gotha (Distrikt 88), einen Spielplatz beim Frauenhaus in Gotha zu erneuern und das Haus zu renovieren. Ein Mutter-Kind-Heim im Erfurter Norden gehört außerdem zu den langjährigen Projekten: Weihnachtsmarkt- und Zoopark-Ausflüge, Ponyreiten, Kinderbetreuung – bei all dem sind die Inner Wheelerinnen mit Engagement und finanzieller Unterstützung immer wieder dabei.
Außerdem helfen sie mit „Springboard to learn“ zahlreichen Grundschülern zu einem Blick in die Welt: Ausländische Studenten der Uni Erfurt stellen in diesem Projekt ihr Heimatland vor. „Ein weiterer Schwerpunkt ist die Unterstützung einer jungen Frau aus Nepal und ihrer Familie in Kathmandu. Sie besucht mit unserer Hilfe eine Schule“, berichtet Angelika Grae. Zusätzlich steht Deutschunterricht für unbegleitete afghanische Jugendliche auf dem Plan.
Im Distrikt 90 engagieren sich zahlreiche Clubs gemeinsam in einem Vorzeige-Projekt: Sie wollen AIDS-Waisen in Nordäthiopien eine Zukunft geben. Das Programm wurde bereits 2002 gemeinsam mit der Evangelischen Kirche und der lutherischen Gemeinde Bad Salzuflen ins Leben gerufen. "Die Kinder bekommen von früh auf ein neues Zuhause, medizinische, soziale und pädagogische Fürsorge. Etwa 800 Kinder konnten so bereits gefördert werden“, berichtet Distriktspräsidentin Christine Hoyer-Nohroudi stolz.
Kinder ganz in der Umgebung stehen dagegen im Fokus eines Projektes im Distrikt 86. Viele Clubs dort liegen nah an der polnischen Grenze und erfuhren: Für junge Leute ist hier nicht viel los. Zusammen mit Partnern aus der Umgebung und der evangelischen Kirche organisieren die Inner Wheelerinnen nun einen blauen Bus - ein mobiles Jugendzentrum für Schüler und Jugendliche, das neben Hausaufgaben-Hilfe, Gesprächen und sozialpädagogischer Betreuung vor allem auch Spiele und Abwechslung mitbringt. Jeden Tag hält der Bus – nach Plan – in einem anderen Ort. In den Sommerferien lädt er zudem zu Freizeiten oder zu Ausflügen. „Dafür legen sich die Inner Wheelerinnen mit jeder Menge Aktionen immer wieder ins Zeug, denn das kostet natürlich“, so Annette Haas, Präsidentin von D86.
NAH DRAN, ENGAGIERT DABEI
„Mein Körper gehört mir“ heißt ein weiteres Vorzeige-Projekt. Der Distrikt 89 geht damit das Thema sexuelle Gewalt an. Da viele Eltern Probleme haben, mit ihren Sprösslingen darüber ins Gespräch zu kommen, vermitteln Schauspieler in Spielszenen die Situationen. „Wie geht man damit um? Wie kann man sich deutlich wehren gegen Übergriffe? Und wie läuft das in Internet-Chats? – All diese Fragen werden dort geklärt, die Kinder bekommen mehr Selbstvertrauen vermittelt und Tipps an die Hand, wo Nettigkeiten aufhören und Missbrauch beginnt“, weiß Imke Liebing, Distriktspräsidentin, die sich im IWC Hamburg-Süd dafür stark macht.
Frauen liegen den Inner Wheelerinnen ebenfalls in Nordrhein-Westfalen am Herzen – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie engagieren sich in einer „Herzkissen-Aktion“. Heißt: Die Damen des IWC Düsseldorf Clara Schumann (D87) nähen Herzkissen, die sie in einem Beratungszentrum für Frauen mit Brustkrebs an Betroffene überreichen. Die flauschigen Herz-Kissen sollen den erkrankten Frauen ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit übermitteln. Und wie eine Ärztin des Zentrums sagt: „Das fühlt sich nicht nur gut an, es ist nach der Operation auch ein ‚Willkommensgruß’ an das Leben."
Wie viel auch kleinere Aktionen bringen, können auch Besucher des Gänseliesel-Marktes in Göttingen jedes Jahr wieder erfahren. Die Göttinger Inner Wheelerinnen (D85) und der örtliche Lions Club veranstalten auf dem Markt mit viel Spaß ein Erdbeerfest: mit Kuchen, Erdbeer-Shakes und Pralinés, Erdbeerkompott und Erdbeermus. Distriktspräsidentin Jutta Czech weiß: „In diesem Jahr konnten damit allein 3.333 Euro an den Verein ‚Haus mit vielen Etagen’ übergeben werden, der Familien mit behinderten Angehörigen versucht zu entlasten."
Ein Hospiz im Bergischen Land bewegt dagegen die Frauen im Distrikt 81. Seit 2012 sammelten die hiesigen Damen zusammen mit anderen Service-Clubs und Institutionen aus der Region eine Million Euro dafür. Ein Baugrundstück ist gefunden, Baupläne erstellt, Gespräche mit dem Betreiber werden bereits geführt. „Jede einzelne Stunde auf Basaren, bei Verkäufen und anderen Projekten hat sich also gelohnt“, so die beteiligten Clubs. Zehn weitere Frauen-Service-Clubs haben sich zudem in Köln für Jugendliche zusammengetan. Sie veranstalten einen Neujahrsempfang zugunsten von "Teach First Deutschland", weiß Distriktspräsidentin Hannelore Wehmeier: "Jugendliche Poetry Slammer entwickeln und präsentieren sich dabei innerhalb dieses Bildungswerkes unter dem Motto 'Unterschiede verbinden - Gemeinsam einzigartig'. Dabei entstanden zum Beispiel auch ein vom Bundespräsidenten prämiertes Fotoalbum und eine Wandmalerei in einer Schule."
Jeden Tag neue Projekte
Ein umwerfendes Portfolio, findet Margareta Momkvist, die Nationale Inner-Wheel-Repräsentantin. Und freut sich besonders, wenn sich viele zusammentun. „Aus jedem dieser kleinen und größeren Projekte können die anderen Clubs gemeinsam mehr machen und etwas lernen – ob Inner Wheelerinnen, Rotarier oder andere Service-Clubs.“ Sie selbst hat sich im vergangenen Jahr für ein Projekt in Nigeria stark gemacht. Wo immer sie war, hat sie dafür geworben, sich für mehr Schwangerschaftsberatung und –begleitung, für medizinische Versorgung und Geburtshilfe in dem Land zu engagieren. Die Rotary Action Group for Population & Development (RFPD) unterstützte schließlich dieses Projekt und verdoppelte die eingeworbene Summe von 19.000 Euro auf 38.000 Euro. „Ein großartiger Erfolg!“
Weitere Informationen über Inner Wheel und die Projekte der einzelnen Distrikte und Clubs finden Sie unter: www.innerwheel.de
Das nächste Inner Wheel Deutschlandtreffen findet im Jahr 2020 in Baden-Baden statt.
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