Porträt
Botschafterin für Verständigung
Charlotte Hermelink arbeitet als Institutsleiterin für das Goethe-Institut – und will als Rotarierin weit mehr als Deutschkenntnisse vermitteln.
Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt – diese Lebensweisheit würde Charlotte Hermelink nicht unterschreiben. Denn umgezogen ist Charlotte Hermelink in ihrem Leben schon einige Male. Doch für sie ist das trotz wiederholter Pack-Arien, Möbelverschickerei und stetiger Neuorganisation des Familienlebens kein Nachteil. „Neue Orte begeistern mich. Ich lerne immer wieder so viel, nicht nur die Sprache. Und beruflich kann ich zur Verständigung beitragen. Das ist unheimlich wertvoll.
Charlotte Hermelink arbeitet seit 26 Jahren für das Goethe-Institut – an ständig wechselnden Orten. Für die Frau mit dem blonden Haar und dem sympathischen Lachen kein Problem. „Ich hab’ so ein Fieber, die Fremde kennenzulernen – und das liegt wohl in den Genen. Ich komme aus einer Familie mit protestantischen Missionaren. Schon mein Urgroßvater ging nach Indien, mein Opa wurde dort geboren, mein Onkel arbeitete als Lepra-Arzt in Bhutan. Andere Kulturen habe ich daher schon als Kind aufgesogen – sie begeistern mich bis heute“, erzählt die 60-Jährige.
Diese Faszination trieb sie dazu – nach einigen Semestern Biologie und Chemie –, Italianistik, Philosophie und Psychologie zu studieren. Der von Kindheit an gesäte Lebenstraum, in die Welt hinauszugehen, führte sie nach Jahren in einer Filmfirma schließlich zum Goethe-Institut. Die Aufgabe, anderen die deutsche Sprache, Kultur und Lebensart nahezubringen, findet sie bis heute reizvoll.
Kultur und Werte
Einige Anfangsjahre in Bonn, die Geburt ihrer Zwillinge und zahllose Unterrichtsstunden mit Deutschlernenden später schickte das Goethe-Institut sie zunächst nach Marokko. „Das war ein unglaublich spannendes kulturelles Terrain: Berber und Araber mit ihren unterschiedlichen Traditionen, dazu großartiges Kunsthandwerk: Keramik, Stoffe, Teppiche … Als „Souvenir“ brachte Charlotte Hermelink nach fünf Jahren französische und arabische Sprachkenntnisse aus Rabat und Casablanca mit. Und die Erkenntnis: dass viele ihrer Kursteilnehmer eine fast märchenhafte Sicht auf Deutschland haben.
Aber auch dafür gibt es das Goethe-Institut: Wir wollen nicht nur Kultur präsentieren, sondern vor allem einen realistischen Eindruck von unserem Land vermitteln und gemeinsam mit den Partnern im Ausland Fragen und Themen identifizieren, die sowohl das Gastland als auch Deutschland interessieren. Damit Verständigung zwischen beiden Ländern möglich wird.
Ein paar Jahre später erwog Charlotte Hermelink, auch die Zentrale des Goethe-Instituts in München kennenzulernen. Und nach einer weiteren Station in Turin landete sie mit der Familie in Hamburg. Die Kinder waren fast erwachsen, sie hatte mehr Zeit und spürte vermehrt den Drang, sozial aktiv zu werden. Sie machte eine weitere Ausbildung, half in der Telefonseelsorge, unterstützte die Buchtage und andere Kultur-Events.
Neues Terrain eröffnete sich später mit dem Ruf nach Bosnien, nach Sarajevo. „Der Balkan ist für uns gefühlt ganz weit weg. Doch es ist direkt vor unserer Haustür, wo eine Region quasi auseinanderfiel. Land und Leute sind vom Krieg noch immer gezeichnet“, berichtet sie. „Und das in einer wunderschönen Landschaft … Wie wichtig Verständigung und Verständnis auch abseits von Vokabeln sind, war für mich tagtäglich spürbar.“
Die Arbeit brachte ihr auch den Kontakt zu internationalen Rotariern. Schon in Hamburg hatte ein Club um sie und ihr Engagement geworben. Wegen Zeitmangels musste sie passen. Doch in Bosnien fand der RC Sarajevo International Delta, dass man Engagement und Mitgliedschaft nicht mehr verschieben sollte. Die gut 25 Clubmitglieder sind bei diplomatischen Vertretungen, EU-Institutionen oder Hilfsorganisationen tätig und initiieren vor allem soziale Projekte, zum Beispiel ein Haus für Behinderte. Außerdem hoben sie das Forum Rotaricum aus der Taufe, das gesellschaftliche Themen wie Aussöhnung oder Annäherung zwischen den früheren jugoslawischen Teilrepubliken diskutiert. Und Charlotte Hermelink steckte fortan mittendrin. „Ich wollte nicht warten, bis staatliche Stellen etwas tun. Ich wollte selbst aktiv werden.“
Neue Herausforderung
Nach vier Jahren Bosnien gab es für Charlotte Hermelink im Frühjahr einen erneuten Wechsel – ins Goethe-Institut nach Krakau. „Seither versuche ich, in dieser schönen Stadt neben dem Job Neues über das Land, seine Geschichte und die Kultur zu lernen – spannend“, lacht sie. Und klingt dabei längst nicht nur wie eine Reisende.
All das Neue nimmt derzeit viel Zeit in Anspruch, sodass sie noch keinem rotarischen Club in Krakau beitreten konnte. Zumal der Kontakt zu den Rotariern in Sarajevo noch sehr intensiv ist. Doch im Herbst wird die Recherche intensiviert. „Vielleicht kann ich ja wieder einen englischsprachigen, internationalen Rotary Club finden?
Die quirlige Frau lächelt und gibt noch einen weiteren Ausblick: „Wenn es geht, möchte ich mit dem Goethe-Institut noch nach Indien oder in den Iran. Mich fasziniert, wie dort das Thema Religion den Alltag bestimmt. Außerdem könnte man dort Frauenprojekte anstoßen und so einen unglaublich sinnvollen Beitrag leisten.
Zur Person
Charlotte Hermelink (RC Sarajevo International Delta) arbeitete seit 1993 als Institutsleiterin für das Goethe-Institut in Marokko, Italien, Deutschland und Bosnien-Herzegowina und ist nun in Krakau (Polen) tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.
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