Neues vom RC Bröckedde
Nur keine Umstände!
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Freund Dünnschlegel war kaum in den Club eingetreten, als ihm für den anstehenden Kaminabend drei Rotarier als Gäste zugelost wurden. Dünnschlegel schluckte, denn darunter war auch Freund Königsborn, ein Premiumrotarier, mindestens eine halbe Milliarde schwer, ein Pfeiler der Bröckedder Gesellschaft.
„Das muss ein perfekter Abend werden“, sagte Dünnschlegel zur Gattin. Sie belegte umgehend einen Kurs bei einem Drei-Sterne-Koch im Schwarzwald. Für das Esszimmer kaufte Dünnschlegel neue Stühle und einen Designertisch, das leere Regal an der Wand im Wohnzimmer ließ er von einem Bröckedder Buchhändler mit drei laufenden Metern anspruchsvoller Literatur bestücken, farblich schön sortiert.
Einen Tag vor dem großen Ereignis inspizierte Dünnschlegel sein Haus von außen und erschrak. Die Fassade hätte dringend einen neuen Anstrich gebraucht. Doch Dünnschlegel tröstete sich mit dem Umstand, dass die Gäste erst in der abendlichen Dämmerung erscheinen würden. Dabei fiel Dünnschlegel sein Auto vor dem Haus ins Auge, ein elf Jahre alter Toyota. Kurzerhand parkte er den Wagen in einer Seitenstraße, der Chauffeur von Königsborn würde auch sicher Platz benötigen für die standesgemäße Vorfahrt.
Es kam der Tag X. Die Gattin mühte sich in der Küche mit ihrem Hummer und den Wachtelbrüstchen, ihre Stoßseufzer waren im ganzen Haus zu hören – „nie wieder Kaminabend!“, rief sie dem Gatten zu. Dünnschlegel selbst prüfte Wein und Champagner. Mit mildem Entsetzen dachte er an die Rechnung für den Château Pétrus und den Dom Pérignon – dafür würde er einen neuen Toyota kriegen. „Doch da müssen wir jetzt durch“, sagte er sich. Er putzte noch einmal das Tafelsilber, rubbelte die Gläser blank und setzte den Blumenschmuck ins rechte Licht. Mit dem Staubsauger ging er ein letztes Mal durch alle Räume.
Noch zehn Minuten. In fliegender Hast rasierte er sich und warf sich in den neu gekauften Anzug, unter dem feinen weißen Hemd war er in Schweiß gebadet.
Es klingelte. Die halbe Milliarde war als erster Gast pünktlich da. Königsborn trug beulige Cordhosen und ein legeres Jackett. Dünnschlegel fragte: „Haben Sie gut hergefunden?“
„Kein Problem, die Straßenbahn hält ja vor Ihrer Haustür. Ich hoffe, ich mache Ihnen keine Umstände?“
Dünnschlegel strahlte: „Ich bitte Sie, wir lieben es, Gäste zu haben. Wir wäre es zum Start mit Champagner?“
Königsborn entgegnete: „Tja, ein Bier wäre mir lieber.“
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