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Peters Lebensart

Quarantäneküche als Chance

Peters Lebensart - Quarantäneküche als Chance
© Jessine Hein/Illustratoren

Sechs Kilo Fusilli, Penne und Spaghetti gehamstert – und nun? Zumindest haben wir alle jetzt genug Zeit für Rezepte jenseits von „Nudeln mit Tomatensauce“ ...

Peter Peter01.04.2020

Zu Hause bleiben. Können wir das überhaupt noch? Wir müssen, wir sind dazu verdonnert. Um nicht vollkommen häuslichem Handy- oder Computergedaddel zu verfallen, könnten wir uns einige Strategien einfallen lassen. Zum Beispiel die Kunst der Konversation und des Tischgesprächs wiederbeleben, auch wenn dabei mancher Streit programmiert ist. Gründlich einen der Klassiker lesen, für die wir bisher nie Muße fanden: Thomas Manns „Zauberberg“ oder Boccaccios „Decamerone“, in dem es darum geht, in Seuchenzeiten sich lieber spannende Geschichten zu erzählen, als in krank machende Dauerhysterie zu verfallen.

Oder uns an Rezepte wagen, die uns schon immer gereizt haben, aber zu umständlich schienen. Im Homeoffice-Modus haben wir auf einmal Zeit, viel Zeit für Homecookin. Wir können einen Sauerbraten tagelang in Essig marinieren, eine Lammkeule stundenlang bei Niedertemperatur garen, ein Risotto sorgfältig all’onda einköcheln, wozu man am Herd mit gezücktem Kochlöffel stehen bleiben sollte. Wir dürfen endlich einmal den aufwendigen Hefeteigkuchen von Tante Hilde ausprobieren, wo die Masse lange ruhen muss. Wir wollen Gemüse einwecken und gemeinsam am Küchentisch im Familienkreis Spargel schälen und junge Erbsenschoten auspalen, statt auf den Pizza-Lieferservice oder gebunkerte Tiefkühlvorräte zurückzugreifen.

Apropos, was machen wir mit denen? Was machen wir mit all den Dosenravioli, Spaghettipackungen und Kartoffelsäcken, mit denen wir uns prepperartig eingedeckt haben? Warten, bis das Verfallsdatum abläuft? Auch wenn jetzt Kollektivängste mit Erinnerungen an Mangelzeiten, an Hamsterkäufe und Schlangestehen geweckt werden, wir gehören alle nicht mehr zur Generation, die mit Schmalz, Mehl und Eiern glücklich und zufrieden ist. Deswegen ist der Blick in Notkochbücher aus Kriegs- und Nachkriegszeiten auch nur bedingt hilfreich – unsere Wünsche nach Frischekost und gesunder Ernährung spielten damals eine untergeordnete Rolle, es ging eher um Ersatzprodukte und genügend Kalorienzufuhr.

Aber Einkaufen kann angesichts etwaiger Ausgehsperren schwierig werden, die Produktauswahl radikal eingeschränkt sein. Deswegen können Vorratstipps hilfreich sein, das Essen abwechslungsreich zu gestalten. Jeder muss selber entscheiden, wonach ihn gelüstet. Ich halte es für eine gute Idee, frisch gepressten Zitronensaft in Tiefkühlwürfel einzufrieren und Kräuter und Sprossen auf dem Fensterbrett zu ziehen, um damit eine selbst gekochte Kartoffelsuppe zu würzen. Da die Urlaubsreise ans Mittelmeer vorerst entfällt, werde ich mir ein Riesenstück Parmesan besorgen und mich mit Knoblauchknollen eindecken, um jederzeit einfache italienische Klassiker wie spaghetti aglio olio oder mit Pfeffer und Reibekäse angemachte pasta cacio pepe genießen zu können. Und es mag ja sein, dass der bloße Anblick von Raviolidosen bei manchen nostalgische Erinnerungen an WG-Verpflegung oder Lagerfeuerromantik aufkommen lässt, aber in dem Fall gebe ich den alten Kochbüchern aus der Pionierzeit der Lebensmittelindustrie recht. Vorgefertigte Produkte erleichtern das Leben enorm, aber sie schmecken einfach besser, wenn man sie individuell ergänzt, sei es durch gewürfelte Tomaten, geröstete Pilze, gehackte Nüsse, einen Spritzer Olivenöl, einen in die Sauce gerührten Löffel Wein, Pfeffer aus der Mühle. Oder durch Grünes aus der Natur: zum Beispiel ein Pesto aus frisch gepflückten Bärlauch- oder Brennesselblättern. Sofern man uns ins Freie lässt. Gesunde Ostern und: Abstand halten beim Eiersuchen!

Peter Peter

Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.

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