Bröckedde

Das Old Boys Network

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 3 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

Freund Wurmnickel saß mit der Gattin auf dem heimischen Sofa und meinte versonnen: „Seit heute bin ich zehn Jahre beim RC Bröckedde, nun gehöre ich wohl richtig dazu.“

Wenn er sich da mal nicht irrte. Beim nächsten Meeting im Salon Hindenburg klopfte ihm Ehrenpräsident Papke leutselig auf die Schulter: „Junger Freund, haben Sie sich schon ein bisschen eingelebt bei uns?“

„Ich bin seit einem Jahrzehnt dabei und außerdem schon 40“, erwiderte Wurmnickel.

Papke winkte ab. „Zehn Jahre – das ist so gut wie nichts, das ist gerade mal ein Lidschlag für uns.“

Papke gehörte zum sagenumwobenen OBN, dem Old Boys Network des Clubs. Das Netzwerk war eine Art Schattenreich und durchaus mächtig. Die Old Boys hielten die Tradition hoch, bei drohenden Veränderungen erlitten sie regelmäßig einen kollektiven allergischen Anfall. Danach entwickelten sie professionelles Geschick darin, betreffenden Projekten den Garaus zu machen.

Tragende Pfeiler des Netzwerks waren Kassierer Knödler, der Herr des Geldes, und Clubsekretär Sauerpfote, der Herr der Wochenberichte. Beide übten ihre Ämter seit über 30 Jahren aus und dies völlig unangefochten. Der Rest des Clubs war heilfroh, dass jemand diese Arbeit machte. Und so konnte Freund Knödler fröhlich verkünden: „Mir ist es egal, wer unter mir Präsident ist.“

In diese Gemengelage hinein platzierte Wurmnickel unter dem Titel „Aufbruch“ ein Thesenpapier zur Zukunft des RC Bröckedde. Die Thesen waren hochherzig und anspruchsvoll, es ging um neue Formen der Meetings, um mehr Präsenz in der Gesellschaft, um die Aktivierung der Freundinnen und Freunde und vieles mehr.

Zu Wurmnickels Überraschung zeigte sich Freund Knödler höchst erfreut über das Papier. „Das ist ein großartiges Papier“, erklärte er Wurmnickel und fuhr fort: „Angesichts des komplexen Themas sollten wir eine Grundsatzkommission bilden, die sich damit befasst.“

„Und dann?“, fragte Wurmnickel.

„Dann wird sie einen Zwischenbericht vorlegen. Schätze, so um 2040 herum.“

Zu Hause klagte Wurmnickel gegenüber der Gattin: „Die Old Boys machen aus meinem Aufbruch einen Abbruch.“ Doch er wusste sich zu wehren. Tags darauf erzählte er einem anderen rotarischen Freund unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass sich ein YBN, das Young Boys Network, gebildet habe. Es werde den Old Boys die Stirn bieten. Das war frei erfunden, aber wie erwartet wusste 24 Stunden später der gesamte Club davon.

Die Old Boys erfasste Panik. Freund Sauerpfote lud Wurmnickel zur Taufe seines neunten Enkels ein, Freund Knödler gar zu seinem exklusiven herbstlichen Golfturnier, das bislang den Premiumrotariern vorbehalten war. Am zehnten Loch nahm Knödler den Young Boy zur Seite und meinte: „Jung und Alt müssen zusammenhalten. Ich denke, der Zwischenbericht zu Ihrem Papier könnte schon 2035 fertig sein.“

Alexander Hoffmann

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