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Eine Geschichte von Hermann Karosser (RC Mühldorf-Waldkraiburg)

Es ist Aufgabe des 1. Sekretärs, das Protokoll zu führen. Aber weil der noch am selben Abend eine Dienstreise antreten musste, drückte man mir, dem 2. Sekretär, die Niederschrift über das Meeting am Dienstagabend aufs Auge. Ein Gast war angekündigt, ein junger Gynäkologe aus dem Nachbarclub, der einen Vortrag mit dem harmlosen Titel "Präventivmedizin" halten wollte.

 

 

Ein Gynäkologe also, aus einem sehr jungen Club, in dem die Damen beziehungsweise Partnerinnen im Schnitt so um die 40 Jahre alt waren. Bei uns dürfte der Mittelwert mindestens zehn Jahre mehr betragen haben. Er hatte den Vortrag bei den eigenen Leuten schon einmal gehalten und dafür sehr viel Lob und Anerkennung erfahren. Dieses Mal stellten also wir die Zuhörerschaft und es waren ungewöhnlich viele Damen anwesend.

 

Ich weiß nicht, was den Referenten geritten hat, jedenfalls streifte er sein Thema "Präventivmedizin" eigentlich nur am Rande und gab dem Vortrag kurzerhand den Untertitel "La femme meurt deux fois" – "Die Frau stirbt zweimal".

Ich zitiere wörtlich aus dem von mir verfassten Protokoll: "Ungeahnte Schwierigkeiten bereitet es, kurz niederzuschreiben, was mir jungem Mann doch unglaublich fern ist, 'Klimakterium', 'Menopause', 'Verlust der Fruchtbarkeit der Frau' und Altern schlechthin. Der Referent behandelte diese Themen in einem nicht nur medizinischen Fachvortrag, sondern er belegte mit ausgewählten Zitaten aus Literatur und Kirchengeschichte, dass nicht nur die betroffenen Frauen, sondern auch Dichter und Denker in vielfältiger Weise beschäftigte, dass die Keimdrüsen der Frau als einzige Organe lange vor dem Tode des Individuums ihre Funktion einstellen."

So fern wie mir, dem damaligen Enddreißiger, waren wohl auch den jungen Frauen des eigenen Clubs des Referenten die hier angesprochenen Fakten, weshalb ihm dort seinerzeit ungeteilter Beifall gespendet worden ist.

Geradezu niederschmetternd dagegen die Reaktion auf das Gesagte bei uns, wo so mache Zuhörerin schon betroffen und dabei war, ihren, nach seinen Worten "ersten Tod zu sterben". Betretenem Schweigen am Anfang folgte eine sehr emotional geführte Diskussion, in der die Damen sich heftig gegen die Thesen des Vortrages und die von ihm gewählten Zitate wehrten. Befremdlich fanden sie vor allem, mit Abrahams Frau oder gar der Hexe aus Hänsel und Gretel verglichen zu werden. Wie wäre wohl dieser Abend zu Ende gegangen, hätte nicht ein männliches Clubmitglied, ebenfalls Mediziner, das Wort ergriffen und humorvoll darauf hingewiesen, dass auch das Klimakterium des Mannes längst anerkannte Tatsache sei?


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