Frau Zink und ihre Schützlinge

Rotary Clubs werden auch bei der Finan-zierung tiergestützter Therapien für Kinder aktiv. Zum Beispiel im Kinderhospiz Lichtblickhof in Österreich. Hier geben die hofeigenen Tiere den kleinen Bewohnern – und ihren Familien – Halt und Trost. Ein Besuch vor Ort von Claus Bruckmann
Ich betrete das Areal des Lichtblickhofs und schaue mich erstaunt um. Ich bin auf einem Hügel am Rande der Millionenstadt Wien und von Natur umgeben. Ganz in der Ferne höre ich die Geräusche der Stadt, viel näher höre ich aber den Wind und Vögel, und ich rieche Tiere. Roswitha Zink, die Geschäftsführerin, hat mich schon entdeckt und begrüßt mich herzlich: „Willkommen auf dem Lichtblickhof! Darf ich Ihnen unsere Anlage zeigen?“ – „Sehr gerne“, erwidere ich. In ihrer Begleitung ist eine junge Dame im Rollstuhl, Bettina. Ich merke, dass sie Schwierigkeiten beim Sprechen hat, doch kann ich sie gut verstehen. Sie möchte bei der Führung dabei sein, am liebsten würde sie die Führung gleich selbst übernehmen. Ich werde später von ihrem Schicksal erfahren. Das zentrale Gebäude ist eine riesige Reithalle. Eigentlich besteht diese aus zwei Stockwerken, denn das Gelände des Lichtblickhofs hat eine Hanglage. Die Pferde haben auf jedem Stock einen Stall und können sich auf einem großen Teil des Geländes frei bewegen. Warum in der Reithalle auch ein Rollstuhl und ein Krankenbett stehen, wird mir ebenfalls später erklärt.
Begonnen hat alles vor 25 Jahren. Vier junge Frauen – die Älteste war gerade 20 Jahre alt – wollten etwas für schwer traumatisierte oder unheilbar kranke Kinder tun, und zwar mit Pferden. Sie erhielten einen Grund von zwei Hektar von der Gemeinde Wien zur Verfügung gestellt.
Es war mühsame Kleinarbeit, getragen von Freiwilligkeit und Enthusiasmus, den Lichtblickhof aufzubauen. Frau Zink und Bettina zeigen mir den Garten, wo Kräuter und Gemüse angebaut werden, auch als Futter für die Tiere. Ein neues Pferd ist dazugekommen. Bettina muss es sofort streicheln. „Sie liebt Pferde“, flüstert Frau Zink mir zu. Wir gehen weiter, mühsam mit dem Rollstuhl auf nicht immer ebenen Wegen im hügeligen Gelände, vorbei an einem Glashaus zu den Schafen. Sofort kommen sie gelaufen und erwarten Futter, denn normalerweise ist um diese Zeit die Fütterung. Sie müssen sich noch ein wenig gedulden. Wir kommen bei einem Pavillon vorbei. Frau Zink erklärt mir, dass hier einmal die Gärtner des Spitals gewohnt haben. Das Gebäude ist heute unbenutzt und feucht, steht aber unter Denkmalschutz. Für eine Renovierung fehlen „nur ein paar Millionen Euro“.
Daneben steht ein kleiner Pferdestall, angeschlossen ist ein großzügiger Raum mit einem Tisch, Sesseln, Spielzeug und einem Bällebad. Das Krankenbett kann von hier in den Stall geschoben werden, ebenso kann das Pferd direkt zum Krankenbett kommen – ein Lichtblick für die schwer kranken Kinder. Frau Zink erzählt mir, dass dieser Raum manchmal von Familien genutzt wird, die mit ihrem Kind seine letzten Stunden verbringen möchten. Überhaupt wünschen sich Familien oft, dass ihr Kind nicht in einem Spital, sondern am Lichtblickhof stirbt, in einer Umgebung, die ihm viel bedeutet hat. Diese Familien bekommen die Ruhe, die sie brauchen. Das Thema Sterben und Tod darf hier Raum haben, dennoch strahlt das Gelände Leichtigkeit und Lebensfreude aus.



Daneben steht ein modernes Haus mit einigen behindertengerechten Wohnungen. Bettina zeigt mir eine. Hier braucht sie keine fremde Hilfe. In diesen Wohnungen können Familien mit schwer kranken Kindern zwei bis vier Wochen verbringen, bis zu zweimal pro Jahr. Hier können Eltern, aber auch Geschwister aus oft sehr beengten Wohnverhältnissen ein bisschen Kraft tanken und aufatmen. Alle Wohnungen haben extrabreite Türen, sodass in alle Räume auch ein breites Krankenbett geschoben werden kann, ebenso auf die Balkone. Dadurch kann auch ein Familienmitglied im Krankenbett an allen Aktivitäten der Familie teilnehmen.
Jetzt erfahre ich von Bettinas Schicksal. Sie ist heute 34 Jahre alt, sieht aber bedeutend jünger aus. Als sie 16 war, wurde sie von einem Auto überfahren. Ihr Traum, Floristin zu werden, war mit einem Schlag dahin. Sie lag monatelang im Koma, es war nicht klar, ob sie überleben würde. Doch sie ist eine Kämpferin. Sie kann weder gehen noch ihre rechte Hand benutzen. Sie erzählt: „Hier fühle ich mich als Mensch. Wenn ich im Rollstuhl durch ein Einkaufszentrum fahre, schauen alle Leute weg.“ Wenn sie über die anderen Schützlinge im Lichtblickhof spricht, sagt sie: „Die anderen haben es nicht so leicht wie ich.“ Dieser Satz drückt mir die Tränen in die Augen.
Bettina fährt nun mit ihrer Mutter wieder nach Hause. Sie ist – wie alle Gäste – nur ein- oder zweimal pro Woche für eine oder zwei Stunden im Lichtblickhof. Bettina ist verheiratet mit einem Mann, der ebenfalls im Rollstuhl sitzt. Die beiden leben in einer kleinen Wohnung und meistern ihr Leben so gut es eben geht.
Tierparadies
Der Lichtblickhof ist ein Tierparadies mit 18 Pferden, zehn Schafen, zwei Katzen, fünf Hunden und acht Kaninchen. Die Therapien stehen nicht nur den kleinen Patienten selbst, sondern auch ihren Geschwistern zur Verfügung. Auch sie haben ein Recht auf Einzeltherapie, wenn sie es möchten, erzählt Frau Zink. Es geht darum, den Familien in dieser extrem belastenden Situation psychische und emotionale Stabilität zu geben. So etwas prägt für das ganze Leben. Viele dieser Geschwisterkinder studieren später Psychotherapie oder Psychologie. Ich muss zweimal nachfragen, als Frau Zink mir erzählt, dass 90 Prozent der freiwillig geleisteten Therapiestunden von ehemaligen Geschwisterkindern umgesetzt werden. Sie wollen etwas zurückgeben.
Generell wird fast die gesamte Arbeit am Lichtblickhof durch Freiwillige erbracht. Es gibt kaum öffentliche Förderungen, man ist auf Spenden angewiesen. Hier kommt auch Rotary ins Spiel. Der RC Perchtoldsdorf unterstützt den Lichtblickhof seit 15 Jahren. Es war und ist dem Club wichtig, bei einem nachhaltigen Projekt zu helfen. Rotarier Klaus Stochl berichtet, zunächst waren die Clubfreunde beeindruckt von der ungeheuren Empathie, mit der hier gearbeitet wird. Dann finanzierte der Club Therapiestunden, auch für Bettina, dann ein neues Pferd, und so geht es immer weiter.
„Die anderen haben es nicht so leicht wie ich.“ Dieser Satz drückt mir die Tränen in die Augen
Auch der RC Vienna-International ist ein Förderer. Der Club ist begeistert von der Arbeit, die die Freiwilligen in der Palliativbegleitung und mit den Geschwisterkindern leisten. Laut Rotarierin Susanne Kraus-Winkler ist ein Ziel des Clubs, den Druck der Geldsorgen, der auf den Verantwortlichen lastet, ein wenig zu lindern. Frau Zink ist dem Club heute noch dankbar, weil er dem Lichtblickhof vor einigen Jahren in einer prekären Situation sehr geholfen hat.
Seit 2001 hat der Lichtblickhof noch ein zweites Standbein 60 Kilometer westlich von Wien. Diese Anlage liegt auf einem Hügel. Umgeben von Natur blickt man auf Wald, Wiesen und Felder. Ich besuche auch diesen Standort. Hier finden in der warmen Jahreszeit auch längere Feriencamps statt. Heute ist ein besonderer Tag, denn es gibt ein kleines Fest. Nach jahrelangem Tauziehen ist es gelungen, eine befestigte Straße und eine Wasserleitung zum Lichtblickhof fertigzustellen. Ehrengast ist Karl Wilfing, der Landtagspräsident von Niederösterreich. Er sagt mir, ohne das beeindruckende Engagement der Mitarbeiter hätte die öffentliche Hand nie diese Projekte umgesetzt, immerhin sind Straße und Wasserleitung je einen Kilometer lang.
Doppelter Schicksalsschlag
Hier lerne ich eine Familie kennen. Der siebenjährige Elias leidet an Neurofibromatose, einem Gendefekt, bei dem immer wieder Wucherungen an Nervenenden entstehen. Eine solche Wucherung am Sehnerv hat den Buben 30 Prozent seiner Sehkraft gekostet. Außerdem hat er eine Trichterbrust, eine Deformität des vorderen Brustkorbs, bei der das Brustbein auffällig nach innen steht, wodurch die vordere Brustwand die Form eines Trichters annimmt. Er trägt über die gesamte Brust eine Saugglocke, die die Brust nach außen drücken soll. Heute drückt es besonders, die Mutter lässt etwas Luft ab. Elias ist so gerne bei den Pferden, ebenso wie seine 20-jährige Schwester Maria. Sie hat bis vor vier Jahren ein völlig normales Leben geführt und an Landesmeisterschaften im Sportklettern teilgenommen. Nach der Corona-Impfung bekam sie das Guillain-Barré-Syndrom, das selten als Impfschaden auftritt. Hierbei greift das Immunsystem fälschlicherweise das periphere Nervensystem an, was zu Muskelschwäche und Gefühlsstörungen führt. Typischerweise beginnt es mit Kribbeln und Schwäche in Füßen und Beinen, die dann im Körper unaufhaltsam aufwärts wandern. Genauso war es bei Maria, sie konnte kurz vor einer Lähmung der Atemmuskulatur gerettet werden. Sie musste unter anderem wieder Schlucken lernen und sitzt heute im Rollstuhl. Der gesamte Verdienst der Mutter fließt in Therapien für die beiden Kinder. Leidtragender ist auch ihr drittes Kind, der zehnjährige Simon. Er bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit. Maria hat einen eisernen Willen. Sie studiert vom Rollstuhl aus Ergotherapie und im Fernstudium Sportmanagement in Köln. Die Nähe zu den Pferden ist für alle drei Kinder eine Kraft-Tankstelle, sagt mir Maria.


Nicht nur die Familien, auch die Wissenschaft profitiert von der Arbeit am Lichtblickhof. Es gibt gemeinsame Projekte mit Universitäten zu Psychotherapie, Palliativbetreuung und zu Trainingsmethoden in der Veterinärmedizin.
Übrigens, alle vier Damen, die den Lichtblickhof gegründet haben, sind heute noch dabei. Roswitha Zink ist die Chefin, will aber nicht so genannt werden. Wann sie zuletzt auf Urlaub war, weiß sie nicht, „es werden wohl ein paar Tage gewesen sein“. Sie kann mit Schützlingen, ihren Angehörigen und den vielen Tieren in den beiden Höfen genauso umgehen wie mit Traktor, Betonmischer und Bagger. Zum Schluss sagt Frau Zink noch, sie möchte mindestens noch weitere 25 Jahre hier arbeiten, denn die Natur und die Tiere können helfen, dem Tod Stunden und Glücksmomente abzuringen und das Sterben in so liebevoller Umgebung wie möglich geschehen zu lassen. Zu Weihnachten übernimmt sie alljährlich das Füttern der Tiere, denn sie möchte all ihren Mitstreiterinnen ein ruhiges Fest bei ihren Familien gönnen. Als sie das sagt, sieht sie wirklich glücklich aus.
Rotary-Mitglieder fördern tiergestützte Therapien
RC Voitsberg-Köflach: Epilepsiewarnhund hilft Linda
Der Rotary Club Voitsberg-Köflach unterstützt die acht-jährige Linda aus St. Stefan ob Stainz bei der Finanzierung eines Epilepsiewarnhundes.
Linda leidet an dem seltenen und schweren Dravet-Syndrom, einer unheilbaren Form der Epilepsie, die mit häufigen, gefährlichen Anfällen einhergeht. Ein speziell ausgebildeter Assistenzhund kann Linda frühzeitig vor Anfällen warnen, ihr Sicherheit geben und sie emotional stärken. Die Ausbildung und Eingliederung des Hundes kostet rund 24.500 Euro. Um die Familie bei den Anschaffungskosten unterstützen zu können, hat Patric Koch, Präsident des RC Voitsberg-Köflach, eine ungewöhnliche Idee geboren: Die Clubmitglieder stellen sich selbst beziehungsweise das, was sie besonders gut können, für eine Auktion zur Verfügung. Partnerin für den guten Zweck ist dieVersteigerungsplattform ÖVG.

Die Vielfalt der Exponate kann sich sehen lassen und reicht von einer Zeichnung der aus der Weststeiermark stammenden Aurelia Meinhart, einer Tonne Steierpellets über eine Biofeedback-Stressanalyse bis zu einem „Death Dinner“ – nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls angebotenen „Candlelight Dinner“. Bis Mitte Dezember kann noch mitgesteigert werden.
RC München Hofgarten: VR-Brillen lenken vom Schmerz ab
Delfine springen aus dem Wasser, in türkisblauem Meer ziehen Fischschwärme ihre Bahnen, und hoppla – der Oktopus bekommt eine andere Farbe. Das Zentrum für schwerbrandverletzte Kinder der München Klinik setzt Virtual-Reality-Brillen (VR) ein, mit deren Hilfe die Kinder mitten in die Welt der Natur teleportiert werden. „Durch die VR-Brillen wird uns die Behandlung der Verbrennungen bei den Kindern enorm erleichtert“, sagt Dr. Carsten Krohn, Leitender Oberarzt in der Schwabinger Kinderchirurgie und Leiter des Zentrums für schwerbrandverletzte Kinder. „Sie sind durch die visuelle Ablenkung entspannter und kooperativer und geben weniger Schmerzen an. Das ist eine große Hilfe, sowohl für die Kinder als auch für uns als Behandler, und es ist auch für die Eltern stressfreier.“

Dass die VR-Brillen den schwer verletzten Kindern nun vier Jahre zur Verfügung stehen, war mithilfe einer Spende über 15.000 Euro des Rotary Clubs München-Hofgarten möglich.
RC Wels: Neues Pferd für Hippotherapie
Der Reiterbund Wels begrüßt herzlich seinen Neuzugang „Rotary Stakkartoon“, der durch eine Spendenaktion des Rotary Clubs Wels finanziert werden konnte. Der 13-jährige braune Wallach wird das Team der Hippo-therapiepferde vergrößern. Die Hippo-therapie ist Physiotherapie am Pferd fürbeeinträchtigte Kinder und wird seit 2006 beim Reiterbund Wels angeboten. Die Kinder erfahren diese Einheiten nicht als Form der Therapie, sondern hauptsächlich als nicht alltägliches Abenteuer und eine besondere Form der Bewegung. Der Kontakt mit dem Tier wird durch Fühlen, Tasten und Spüren zu einem besonderen Erlebnis.

Claus Bruckmann
RC Wien-Gloriette, ist Journalist in der ORF-Parlamentsredaktion und Autor. Für das Rotary Magazin berichtet er jeden Monat aus dem Distrikt 1910
Foto: Lukas Grafleitner

























