Die Gaudi geht weiter

Das Skifahren sei nicht mehr zeitgemäß, ökologischer Wahnsinn und zu teuer, heißt es. Doch die Fakten zeigen: Der Skitourismus ist noch lange nicht am Ende
Die Faszination des Skifahrens ist zeitlos. Bereits vor mindestens 5000 Jahren fuhr der Mensch Ski – das beweisen Moorfunde und Felsgravuren in Skandinavien und im Altai-Gebirge in Asien. Von jeher fasziniert uns das beinahe mühelose Gleiten auf Schnee und die Geschwindigkeit, die man auf Skiern erreichen kann. Die ersten Zwecke des Skifahrens waren das Fortbewegen im (tiefen) Schnee, die Jagd, aber auch der Krieg. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts hat sich das Skifahren als Freizeitaktivität und Sport etabliert. Seither befindet sich das Zentrum des weltweiten Skisports in den Alpen.
Globaler Status quo
Der Schweizer Forscher Laurent Vanat ist auf die Verbreitung des Skifahrens auf der Welt spezialisiert und bietet diesbezüglich eine der wenigen wissenschaftlich fundierten Quellen. Laut Vanat gibt es derzeit weltweit 150 Millionen Skifahrer. Das ist die bisher größte Anzahl in der Geschichte der Menschheit. Zwar ist auch die Erdbevölkerung auf ihrem Höchststand, aber der aktuelle Zenit bei der Skifahrerzahl ist trotzdem bemerkenswert. Vor allem im deutschsprachigen Raum könnte man beim Beobachten der öffentlichen Diskussion zum Schluss kommen, dass bald gar keiner mehr Ski fährt. Global stieg in den letzten 20 Jahren vor allem die Anzahl der Skifahrer aus China stark an, aber auch die USA verzeichneten zuletzt einen Ski-Boom wie nie zuvor in ihrer Geschichte. In Europa konnten Märkte wie Tschechien und Polen zulegen. Andere klassische Quellmärkte des Skitourismus wie Deutschland und die Niederlande stagnierten.
Der globale Skitourismus wird aktuell auf 366 Millionen Skifahrertage oder „Skier Visits“ beziffert. Davon finden knapp 45 Prozent in den Alpen statt. Das liegt an ihrer günstigen Lage in der Nähe vieler kaufkräftiger Märkte, vor allem Deutschland: Die größte Wirtschaftsmacht Europas war und ist zugleich die wichtigste Skifahrernation auf dem Kontinent sowie der größte Quellmarkt für den Skitourismus und die Alpen. Vor allem Österreich profitiert vom Wohlstand und von der nach wie vor ungebremsten Skifahrlust der Deutschen. Aber auch Südtirol und das restliche Italien sind gewichtig, welche in der Saison 2023/24 gut 32 Millionen Skier Visits verzeichnen konnten. Damit hat Italien ein Allzeithoch erreicht und ist in der globalen Rangliste auf Platz vier vorgestoßen, hinter den USA (60,5 Millionen), Frankreich (51,9 Millionen) und Österreich (50,1 Millionen). Die Schweiz hingegen ist mit 23,1 Millionen Skifahrertagen auf den siebten Platz zurückgefallen.
Viel wurde in den letzten zehn Jahren davon gesprochen, dass die Skipisten der Alpen in naher Zukunft von chinesischen Touristen überrannt werden könnten. Was spektakulär klingt und viel Aufmerksamkeit in den Medien bringt, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich: Skifahren findet seit je intrakontinental statt, nur sehr wenige Menschen verlassen dazu ihren Erdteil. Viel spricht also dafür, dass in den Alpen auch zukünftig vor allem Deutsche, Niederländer, Italiener und Briten anzutreffen sind, während sich die Chinesen ihre eigenen Skigebiete errichten und diese frequentieren.
Skifahren ist teuer. Was wie eine altbekannte Geschichte klingt, hat sich in den letzten Jahren zur „Luxurisierung“ zugespitzt – sowohl in den Alpen als auch weltweit. Wie in vielen anderen Bereichen der Tourismus- und Serviceindustrie hat die Preisinflation im Skitourismus hart zugeschlagen. Betrachten wir einen Preiskorb von elf österreichischen Skigebieten – von mittelgroß bis zu den sogenannten Premiumskigebieten: Die Preissteigerung zum Vorjahr beträgt 4,4 Prozent, während der Verbraucherpreisindex (VPI) in Österreich während der vergangenen zwölf Monate um lediglich 3,6 Prozent gestiegen ist. Geht man vier Jahre zurück, bis zur Saison 2021/22, ergibt sich folgendes Bild: Die Preise sind um 31,1 Prozent gestiegen, der VPI jedoch um lediglich 24,9 Prozent. Somit sind die Preise für Tageskarten in den vergangenen vier Jahren um ein Viertel schneller angestiegen als der VPI. Der Preistrend bei den Sechs-Tages-Karten ist ähnlich, während die Preiskurve bei Saisonkarten deutlich flacher ist.

Nun könnte man meinen, dass bald gar niemand mehr Ski fahren wird. Aber weder in Österreich noch alpenweit ist ein Rückgang des Skitourismus bemerkbar. Stattdessen sehen wir seit mehr als 25 Jahren eine Seitwärtsbewegung bei den Skifahrertagen. Etwa 160 Millionen Skifahrertage werden jährlich alpenweit generiert – etwa 50 Millionen davon in Österreich, was etwa 31,1 Prozent des Skitourismus in den Alpen entspricht. Im Verhältnis zur Größe des Landes und zur Bevölkerungsanzahl könnte man Österreich als unangefochtenen „Skitourismusweltmeister“ titulieren.
Wachstum gibt es im Skitourismus in den Alpen längst nur noch in der Qualität. Dieses qualitative Wachstum äußerst sich in stark steigenden Preisen aufgrund hoher Kosten für Investitionen in Seilbahnen, Lifte, Beschneiung, Pistenpräparierung, Digitalisierung und Gastronomie.
Werfen wir einen kurzen Blick auf den teuersten Skitourismusmarkt der Welt. Die USA bestechen durch ein Preisniveau, das man sich in den Alpen kaum vorstellen kann. Eine Tageskarte in einem Premiumskiresort kann zur Hauptsaison bis zu 350 Dollar kosten. Trotzdem erlebte das Land seit der Coronapandemie einen regelrechten Ski-Boom. Noch nie zuvor in den USA war das Skifahren teurer, und noch nie zuvor fuhren mehr Menschen Ski.
Ist Skifahren ökologisch vertretbar?
Die öffentliche Diskussion über das Skifahren ist im deutschsprachigen Raum sachlich wenig ausgewogen. „Darf man das noch?“, fragt die Zeit zum ökologisch zweifelhaften Skivergnügen. „Wo bleibt die Ski-Scham?“, titelt Deutschlandfunk Kultur. „Ist Skifahren noch zeitgemäß?“, fragt die FAZ. Und Die Presse in Österreich berichtet vom „sich dafür schämen, dass man Ski fahren geht“. Kritisiert werden dabei hauptsächlich die technische Beschneiung, ihr Wasser- und Strombedarf, der Einfluss auf die alpine Flora und Fauna sowie ihr Beitrag zur globalen Erwärmung. Sehen wir uns dazu aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse an.
Im Rahmen eines Vortrages bei der International Mountain Conference (dem weltweit größten wissenschaftlichen Kongress für Gebirgsforschung) im September 2025 sind für ein Sample von 30 österreichischen Skigebieten folgende gerundete Kennzahlen für die technische Beschneiung präsentiert worden: Eine durchschnittliche österreichische Schneekanone läuft knapp unter 200 Stunden pro Jahr, das ist etwas mehr als eine Woche. Pro Hektar Pistenfläche werden weniger als 20.000 Kilowattstunden Energie und mehr als 2500 Kubikmeter Wasser eingesetzt. Hochgerechnet auf ganz Österreich werden weniger als 300 Gigawattstunden Strom und mehr als 45 Millionen Kubikmeter Wasser eingesetzt. Die Kohlendioxid-Emissionen belaufen sich auf etwa 7000 Tonnen. Der Strombedarf und die Kohlendioxid-Emissionen pro Skifahrertag (knapp sechs Kilowattstunden und knapp 150 Gramm Kohlen-dioxid) entsprechen einer Autofahrt von etwa 25 Kilometern mit einem Elektroauto oder einer Fahrt von einem Kilometer mit einem Dieselauto.
40 Arten pro Quadratmeter sind möglich, bei einem Rasen im Garten sind es durchschnittlich nur sieben
Die globale Erwärmung wird demnach weder von den Schneekanonen noch von den Seilbahnen und Liften befeuert, die mit demselben günstigen Strommix angetrieben werden. Es sind die An- und Abreise, die den Fußabdruck eines Skiurlaubs in die Höhe treiben. Neue Studien beziffern den Anteil der An- und Abreise an den Treibhausgas-Emissionen eines Skiurlaubs auf 66 bis 75 Prozent, also auf zwei Drittel bis drei Viertel. Hier muss angesetzt werden: Eine Anreise mit der Bahn muss von den Destinationen forciert und von den Skifahrern angenommen werden. Es gilt, eine Bring- und eine Holschuld einzulösen. Dann klappt es mit der Dekarbonisierung des Skiurlaubs.
Was aber ist nun mit dem Einfluss der technischen Beschneiung auf die Flora und Fauna der Skipisten und Almwiesen? Das Narrativ, dass sich die technische Beschneiung negativ auf die alpine Tier- und Pflanzenwelt auswirkt, ist in unserer Gesellschaft weitverbreitet. Aber auch hier gibt es interessante neue Erkenntnisse aus der Forschung. Die Ökologin Ulrike Pröbstl-Haider von der Universität für Bodenkultur in Wien schreibt: „Generell kann man sagen, dass die eigentliche Umweltbelastung beim Skifahren nicht von der Beschneiung kommt, sondern von den Pistenbauarbeiten im Vorhinein.“ Große Schäden entstanden in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch die Vernichtung des Oberbodens durch Schubraupen, was zum Glück seit vielen Jahren nicht mehr praktiziert werden darf.
Die Skiliftbetreiber in Zell am See und in Lech am Arlberg haben von unabhängigen Wissenschaftlern Studien der Tier- und Pflanzenwelt erstellen lassen – auf und neben ihren Pisten, auf beschneiten wie unbeschneiten Pistenflächen. Untersucht wurden Pflanzen, Wildbienen, Heuschrecken und Schmet-terlinge. Das sind Gruppen, die gut bekannt sind, einen hohen Anteil an gefährdeten Arten enthalten und daher sehr gute Indikatoren für den naturschutzfachlichen Wert von Lebensräumen darstellen. Die Ergebnisse sind überraschend. So schreibt der Ökologe Helmut Wittmann zum praktisch nicht nachweisbaren Einfluss der technischen Beschneiung auf die alpine Vegetation: „Der Einfluss des ‚Pistenregimes‘, insbesondere durch künstliche Beschneiung und regelmäßige Präparierung, ist im Hinblick auf die untersuchten Organismengruppen und Vegetationseinheiten gering. Nach derzeitigem Erkenntnisstand dominiert der Einfluss des Dünge- und Mähregimes derart, dass nicht sichergestellt ist, ob sich Faktoren wie künstliche Beschneiung und Präparierung mit den verwendeten Methoden überhaupt indizieren lassen.“ Pröbstl-Haider betont: „Das Vorurteil, dass eine beschneite Skipiste eine ökologische Katastrophe sei, stimmt nicht. Eine Skipiste kann bei abgestimmter Sommernutzung ein besonders vielfältiger Lebensraum sein.“ Sie propagiert eine Biodiversitätsförderung auf den sommerlichen Skipisten. Dann seien über 40 Arten pro Quadratmeter möglich, bei einem Rasen im Garten seien es hingegen durchschnittlich nur sieben.
Zuletzt noch ein Blick auf den Klimawandel: Bis 2050 soll laut den „Österreichischen Klimaszenarien aus dem Jahr 2015“ (ÖKS15) die winterliche Nullgradgrenze um (weitere) rund 200 Höhenmeter ansteigen. Trotz dieser Erwärmung – abgefedert durch die Effekte der technischen Beschneiung – werden laut dem Innsbrucker Forscher Robert Steiger im Jahr 2050 weiterhin 80 Prozent der heute bestehenden Skigebiete schneesicher sein. Die Geschichte des Skifahrens hat also ihr Ende noch nicht erreicht.
Günther Aigner
RC Kitzbühel, zählt zu den führenden Forschern zur Zukunft von Skifahren und Skitourismus im deutschsprachigen Raum. Seine Arbeit dient als Bindeglied zwischen dem akademisch-wissenschaftlichen Denkraum und den alpintouristischen Praktikern.
Foto: Michelle Hirnsberger

























