Mehr als Liebermann

Salon Möller: Eine beeindruckende Ausstellung zum deutschen Impressionismus ist jetzt in Baden-Baden zu sehen. Eine etwas differenziertere Betrachtung hätte ihr gutgetan
Wer sich an einigen der schönsten Werke der impressionistischen Malerei einfach nur sattsehen möchte, der sollte in die opulente Ausstellung über „Max Liebermann und seine Zeit“ gehen, die unter dem etwas vollmundigen Titel „Impressionismus in Deutschland“ derzeit im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen ist und dann im kommenden Jahr ins Museum Barberini nach Potsdam weiterwandert, wo sie ab dem 28. Februar unter dem präziseren Titel „Avantgarde. Max Liebermann und der Impressionismus in Deutschland“ zu sehen sein wird.
In dieser Ausstellung sind viele der ganz großen Namen vertreten, die man heute unter dem Begriff der impressionistischen Malerei in Deutschland zusammenfassen würde. Natürlich dominiert Max Liebermann. Aber auch viele andere bedeutende Künstler seiner Zeit sind vertreten. Fritz von Uhde etwa oder Friedrich Kallmorgen; Christian Rohlfs, Lovis Corinth, Max Slevogt, Wilhelm Trübner, Lesser Ury und auch Dora Hitz oder Sabine Lepsius. Es ist ein, um ganz bewusst dieses abgegriffene Wort zu verwenden, bunter Reigen jener Maler, die sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aus der Zwangsjacke der etablierten Kunsthochschulen und ihrer akademischen Malerei befreiten und ihre Motive in der freien Natur oder dem Alltagsleben fanden.
Ohne Zentrum, dafür mit Heimat
Das große Vorbild waren die berühmten Maler von Barbizon, deren Künstlerkolonie am Wald von Fontainebleau zum Mekka der jungen Freilichtmaler wurde. Soweit jedenfalls die übliche Betrachtungsweise, von der man glaubt, dass sie vor allem noch in den Werbeprospekten des Stadtmarketings oder in Kunstführern nach Stichworten eine Daseinsberechtigung hätte. Wozu auch die beliebte Erzählung gehört, dass in Deutschland erst der schreckliche Wilhelminismus mit seinem reaktionären Kunstverständnis überwunden werden musste, bevor die impressionistische Malerei nach französischem Vorbild zum Durchbruch kam. Das ist freilich eine sehr schlichte Art der Betrachtung. Gewiss, die deutsche Entwicklung zur Freilicht- und Landschaftsmalerei setzte später ein als die französische, und sie besaß auch kein eigentliches Zentrum. Aber es ist keineswegs verwunderlich, dass die erste Ausstellung französischer Impressionisten in Deutschland im Jahr 1890 in Weimar stattfand, einer der damals wichtigsten Ausbildungsstätten der neuen Landschaftsmalerei.

Der deutsche Impressionismus war, wenn man diesen Sammelbegriff verwenden will, durch viele regionale Entwicklungen und Vorbilder geprägt, drückte sich in unterschiedlichen Sezessionsbewegungen aus, entwickelte sich an verschiedenen Orten und Künstlerkolonien und war eng mit der jeweiligen Heimat der Maler verbunden, die in ihren Regionen gesammelt und wertgeschätzt wurden. Man hat diese Künstler lange in die zweite oder gar dritte Reihe verbannt, und man kann bei Wolf Jobst Siedler nachlesen, wie lange es dauerte, bis die Berliner Secession in der Kunstwelt nach dem Krieg wieder ernst genommen wurde. Selbst Liebermann erfuhr lange Zeit nicht mehr die Wertschätzung, die ihm heute wieder zuteilwird.
Ihn jetzt als Leitfigur eines deutschen Impressionismus zu präsentieren, wird weder ihm und den unterschiedlichen Schaffensperioden seines Werkes gerecht noch den Malern, die man um ihn herum versammelt. Von Baden-Baden aus hätte sich schon einmal der Blick ins benachbarte Karlsruhe gelohnt; auch nach Stuttgart und nicht nur nach München und ins Erdinger Moos. Auch hätte gerade im Falle Liebermanns der Einfluss der Haager Schule stärkere Beachtung verdient, zumals das kooperierende Museum Barberini vor noch gar nicht so langer Zeit unter dem Titel „Wolken und Licht“ eine großartige Ausstellung zu den holländischen Landschaftern gemacht hat.
Aber natürlich versucht die Ausstellungspolitik heutiger Museen lieber mit der Wurst nach dem Schinken zu schmeißen. Und ein Name wie Max Liebermann lockt eben die Besucher. 10.000 sollen es immerhin in den ersten zwei Wochen schon gewesen sein. Anschauen lohnt in jedem Fall.
Ausstellung: Impressionismus in Deutschland –Max Liebermann und seine Zeit
Bis zum 8. Februar 2026. Der Katalog ist
im Prestel Verlag erschienen, 288 Seiten,
in der Ausstellung kostet er 39 Euro

Eleonora
Wie wenig man über eine so berühmte Dynastie wie die der Mendelssohns weiß, wird einem bewusst, wenn man die Ahnengalerie der Familie abschreitet, die sich in der Mendelssohn-Remise in der Berliner Jägerstraße nahe dem Gendarmenmarkt befindet. Dort also, wo einmal das berühmte Bankhaus stand. Die berühmten Vertreter der Familie fallen einem in der Regel sofort wieder ein, die großen Bankiers, der Aufklärer Moses Mendelssohn; und selbstverständlich Felix Mendelssohn-Bartholdy, dem wir nicht nur ein musikalisches Werk von Weltgeltung verdanken, sondern auch die Wiedergewinnung Johann Sebastian Bachs.
Weniger bekannt sind die Kinder des Privatbankers Robert von Mendelssohn, das Geschwisterpaar Eleonora und Francesco, obwohl beide zu den funkelnden Stars am Berliner Gesellschaftshimmel der 1920er Jahre zählten. Eleonora war so schön, erinnert sich später ihre Schauspielkollegin Elisabeth Bergner, „dass einem die Augen übergingen“. Sie war „gebildet wie eine ganze Universität; und so intelligent wie sechs Teufel“. Aber sie war auch „der unglücklichste Mensch, den ich jemals getroffen habe“.
Hubert Nowak: Eleonora
Braumüller Verlag 2025,
384 Seiten, 26 Euro

Diese verzweifelte Seite und ihr tragisches Ende im Selbstmord bildet die Klammer eines neuen, wunderbar lesbaren Romans, den der Wiener Publizist und renommierte Autor Hubert Nowak jetzt im Wiener Braumüller Verlag veröffentlicht hat. Das Ende liege immer schon im Anfang, heißt es an einer Stelle dieser glänzenden Lebensbeschreibung. Und dennoch mache man weiter. „So ist der Mensch.“ Dazwischen entfaltet sich das Leben einer vom Schicksal so begünstigten wie zerrissenen Frau, die den berühmten Max Reinhardt verehrte, mit dem Pianisten Eugen Fischer verheiratet war, mit Rilke und Hoffmanns-thal korrespondierte und am Morphium zugrunde ging.
„Man kann nicht Mendelssohn heißen und keine Jüdin sein“, ist ein selbstbewusster Satz, den sie den Nazis entgegenschleuderte. Am Ende blieb auch ihr nur die Emigration. Sie hat es nicht zur Bekanntheit einer Greta Garbo, Asta Nielsen oder Marlene Dietrich gebracht, zählte aber gleichwohl zu den großen Diven einer an solchen Ausnahmefrauen nicht armen Epoche. Ein Roman, den man am liebsten in einem Caféhaus wie dem berühmten Berliner Moka Efti lesen möchte.
Johann Michael Möller
RC Berlin-Brandenburger Tor, ist Publizist und Herausgeber des Rotary Magazins.Unseren Autor erreichen Sie unter moeller@rotary-verlag.de
Foto: privat

























