Kolumne Peter
von Peter Peter |
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Jeder kennt sie, jeder liebt sie, jeder Spanientourist schwärmt von den Appetithappen, die zum Glas Cava, Cerveza oder Vino im Stehen verzehrt werden.

Wieso hat gerade Spanien diese lässige Form des schnellen Aperitifs zum Kult erhoben? Erklärungen gibt es viele, am einleuchtendsten finde ich die praktische Idee, gefüllte Gläser gegen Fliegen zu schützen, indem man sie mit einem Tellerchen abdeckt, auf dem der Wirt einen Bissen platziert. Und Tapas können sehr preisgünstig sein, schließlich war Spanien auch eine Nation armer Feldarbeiter.

Letzten Endes entspricht die Tapas-Kultur, die den iberischen Alltag so wunderbar taktet und Menschen im Gedränge am Tresen zusammenbringt, mediterraner kulinarischer Weisheit. Während in deutschen Kneipen oder englischen Pubs Alkoholika meist pur geschluckt werden, werden die Drinks im Süden mit kleinen Leckerbissen entschärft und abgepolstert.

Die können verschiedene Formen annehmen: In andalusischen Bodegas ist ein Würfel „Queso manchego“, ein Rad scharfe Chorizo oft Gratis-Dreingabe zum Gläschen Vermouth, Sherry oder Malaga. Im Norden haben sich Tourismusmagneten wie San Sebastián zu wahren Tapas-Meilen entwickelt – Pardon, im Baskenland heißen die Leckerbissen eigentlich „Pintxos“. Barcelona wartet mit einer gewaltigen Auswahl fantasiereich aufgetürmter „Tapas ornamentales“ auf – kulinarische Designerkreationen, die instagramfreudig aussehen, aber irgendwann zum Weißbrotschock führen, da alles auf bleichen Baguettescheiben drapiert ist. Auch muss der Tourist aufpassen, dass er nicht mächtigere „Raciones“ hingestellt bekommt – da ist der Appetit zu schnell gestillt. Besser ein Gilda-Spießchen mit Oliven, Sardelle und saurer Paprika ordern oder grüne „Pimientos de Padrón“ mit Meersalz, benannt nach dem galicischen Städtchen südlich von Santiago de Compostela.

Der Rhythmus des Tapas-Hoppings

Mein Tapas-Tipp ist Logroño. Die architektonisch mäßig attraktive Hauptstadt des Rioja verwandelt sich mittags und in den frühen Abendstunden in ein preisgünstiges Gourmet-Paradies. 80 Tapas-Bars auf den 300 Metern der Calle Laurel locken mit MiniPortionen von Entenleber, Albondigas, Stockfischcreme, Spargeltörtchen auf russischem Salat, dazu Crianza oder offener Tempranillo.

Bleibt die Frage: Was unterscheidet Tapas von ähnlichen Häppchen, was macht sie so einzigartig? Der Berliner Hungerturm mit Solei und Bulette scheidet wegen Kargheit aus – hessische Tapas mit Spundekas und Grüne-Sauce-Dip in der Rüdesheimer Drosselgass sind eine nette Innovation, aber werden wie traditionsreiche griechische „Mezedes“ zum Ouzo im Sitzen konsumiert. Am ehesten könnte man die Atmosphäre spanischer „Convivialidad“ mit venezianischen „Bàcari“ vergleichen, winzigen Weinstuben, wo die letzten Venezianer gerne dicht gedrängt „Cichetti“ – Zahnstochersnacks – verzehren.

Auch wenn die malerische Tradition, alle Papierservietten auf den Boden zu werfen und gegen Mitternacht mit Sägespänen auszukehren, am Verschwinden ist und das vertrauensvolle Zahnstocher-Zählen für die Rechnung selten wird, so bleibt das lockere Tapas-Zeremoniell etwas Einzigartiges. Das liegt an der Selbstverständlichkeit, mit der Spanier und Spanierinnen den geselligen Ritus des „Tapear“ zelebrieren. Tapas-Hopping ist keine Erfindung britischer Billigflugtouristen, sondern einheimischer Rhythmus. Man zieht weiter, nascht, weiß, wo die Miniportion „Jamon de Jabugo“ am zartesten, der „Pulpo“ am frischesten ist. Señoritas und Señores beherrschen die Kunst, zu kosten. Schließlich ist das Ganze für viele nur ein Aperitif, um die Zeit vor dem Abendessen, das nicht vor 21 Uhr serviert wird, zu überbrücken.

Peter Peter

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