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von Martin Hoffmeister |
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Fluch und Segen der Lagunenstadt liegen eng beieinander. Zum einen lebt Venedig von den Besuchern aus aller Welt, zum anderen evo zie ren die Menschenströme Abwehr …

… und der Mythos mutiert zum Monster. Unter den zahllosen touristischen Solitären nimmt Venedig eine Sonderstellung ein. Keine zweite Stadt erfuhr über die Jahrhunderte bis heute vergleichbaren Widerhall in Musik, bildender Kunst, in Film und Literatur. La Serenissima fungiert gleichermaßen als Bühne und überdimensionierte Projektionsfläche des Menschlich-Allzumenschlichen und Kreativen, zumal als überbordendes Theatrum Mundi.

So liegt es nahe, Annäherungen an die Stadt nicht gänzlich den einschlägigen Tourismusführern zu überlassen, sondern Erkundungen entlang der Künste vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund zeitigt insbesondere Lothar Müllers „Reisetagebuch“ im Zeichen Casanovas dramaturgisches Raffinement. Denn obwohl der gebürtige Venezianer Casanova, der Abenteurer, Erotomane und Schriftsteller sich lebenslang seiner Heimat eng verbunden sah, so zwangen ihn die Umstände, die Folgen fortwährender Skandale, gleich zweimal zur Flucht. Seine Reisen führten ihn durch ganz Europa. Die Sehnsucht nach Lagune, Palazzi, Kanälen, Brücken, Kirchen und Farbenzauber blieb. Seinen letzten Wohnsitz fand Casanova in Böhmen. Dort skizzierte er sein Leben, erinnerte Fluchten, amouröse Abenteuer, Maskenbälle, Theaterbesuche, Spielsäle, architektonische und landschaftliche Szenerien. Dank Müllers kuratierter Textauswahl folgen wir dem streitbaren Lebemann mit Genuss und Erkenntnis auf seinen Wegen.

Dass Reiseschriftsteller Zauber und Strahlkraft der Stadt erliegen, liegt auf der Hand. Viele Beschreibungen klingen, als habe der Ort selbst die Feder des Autors geführt, überdies dessen Sprache veredelt. In besonderem Maße scheint das auf einen Reisebericht des österreichischen Dichters Joseph Kreil zuzutreffen, der Norditalien und Venedig in den Jahren 1815/16 besuchte. Die beweglich-eindringliche Stimme des Schauspielers Udo Samel verleiht diesem frühen Beispiel der Venedig-Romantik hohe Suggestivitätswerte. Singuläre Hörbuchkunst!

Augen auf bei der Wahl der Unterkunft. Denn nicht immer spiegeln sich spezifische Aura, Kunstsinn und Grandezza der Stadt auch im Hotelambiente. Überschaubare Preise, Komfort und authentischen Venedig-Genuss verspricht das Hotel La Residenza im Sestiere Castello nahe dem Markusplatz. Die behutsam modernisierten Zimmer in einem ehemaligen Dogenpalast aus dem 15. Jahrhundert und das Hotelinterieur mit Mobiliar und Gemälden aus dem 18. Jahrhundert und filigranen Stuckarbeiten erinnern den zugewandten Gast an die Blütezeit der Metropole.

Bildhauer, Architekt, Maler: El Greco, Protagonist des spanischen Manierismus, war griechischer Provenienz. Nach seiner Ausbildung zum Ikonenmaler verließ er Kreta, um sich in Venedig, Rom, schließlich im spanischen Toledo niederzulassen. Die Ausstellung im Dogenpalast nimmt, ausgehend vom Schaffen El Grecos, die venezianisch-kretische Malschule in den Blick und damit eine Kunstepoche, die byzantinische Traditionen mit den Stilistiken der italienischen Renaissance vereint. El Greco, ein frühes Bindeglied zwischen den Kulturen von Ost und West.


Die Juli-Tipps:

  1. Buch: Lothar Müller, Casanovas Venedig – Ein Reisetagebuch, Wagenbach, 144 S., 22 Euro
  2. Hörbuch: Venezianische Reise von Joseph Kreil – Ein Reisetagebuch aus dem Freundeskreis Franz Schuberts, Literarisch-musikalische Höredition gelesen von Udo Samel, TyxArt, 156 Min., 24,99 Euro
  3. Ausstellung: Dogenpalast – El Greco, bis 29.9.2025, dogenpalast.com
  4. Hotel: Hotel La Residenza, venicelaresidenza.com
Martin Hoffmeister

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