Bröckedde

Zürcher Verhältnisse

von Alexander Hoffmann |
| Lesezeit: 3 Minuten

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

Präsident Pröpke atmete durch. Nach großen Mühen war es ihm endlich gelungen, den Vorstand für das neue rotarische Jahr komplett zu besetzen. „Einige Freunde musste ich zum Jagen tragen, ehe sie sich engagierten“, seufzte er im Meeting.

„Wir brauchen im Club Zürcher Verhältnisse“, meinte dazu Freund Zorngiebel, ein Rotarier alter Schule, dessen Klagen über den allgemeinen Niedergang bei Rotary gefürchtet waren.

„Wie bitte? “„Ich las kürzlich einen Bericht darüber, wie es in den 1920er Jahren beim RC Zürich zuging. Sehr nobler Club übrigens, eine Zierde unserer Gemeinschaft“, erwiderte Zorngiebel. Pröpke vertiefte sich in die Abhandlung, die auf historischen Wochenberichten basierte, und war sehr angetan. So bewarben sich in Zür ich zeitweise zwei Drittel aller Mitglieder um einen Sitz im Vorstand – die mit den meisten Stimmen erhielten dann die begehrten Ämter. Streng waren die Präsenzregeln. Wer ein Meeting versäumte, musste sich schriftlich unter Angabe der Gründe entschuldigen. Wer unentschuldigt fernblieb, wurde namentlich im Wochenbericht genannt.

Pröpke ernannte Zorngiebel zum „Zürich-Beauftragten“ mit der Vollmacht, ein paar der alten Gepflogenheiten wieder einzuführen: „Fegen Sie mal im RC Bröckedde so richtig durch.“ Und Zorngiebel fegte, die Präsenzen stiegen fulminant.

Angesichts dieser erfreulichen Entwicklung machte sich Pröpke entspannt zu seinem Sommerurlaub auf Norderney auf. Kaum saß er dort in seinem Strandkorb auf der Weißen Düne, summte sein Smartphone.

„Wo sind Sie?“, bellte Zorngiebel ins Telefon.

„Auf Norderney, im verdienten Urlaub, lieber Freund.“

„So geht das aber nicht, Herr Präsident!“, monierte Zorngiebel.

„Was geht nicht?“

„Dass Sie einfach so in Urlaub fahren und dann verstummen. Sie haben offenbar das Dokument aus Zürich nicht komplett gelesen. In der guten alten Zeit waren Vorstandsmitglieder strikt gehalten, auch in den Ferien Verbindung mit dem Club zu halten. Lesen Sie bitte mal nach, wie damals der Clubsekretär einen Präsidenten in den Senkel stellte – der hatte eine Woche lang aus seinem Urlaubsort St. Moritz nichts von sich hören lassen.“

Pröpke erschrak, gelobte Besserung und meldete sich fortan jeden Morgen bei Zorngiebel zum Strand ab, abends folgte ein ausführlicher Rapport über seinen Tag auf der Insel.

Nach der Rückkehr studierte er erneut den Bericht aus Zürich. Ein wirklich bemerkenswerter Club, der früh auch weibliche Referenten einlud. Einmal jedoch war das nicht von Erfolg gekrönt, denn das Bulletin des RC Zürich verzeichnete: „Heute hätte Greta Garbo über ihren Beruf sprechen sollen. Sie ist aber nicht erschienen.“

Kassierer Knödler meinte erleichtert: „Wenigstens in dieser Hinsicht sind wir auf Augenhöhe mit dem RC Zürich. Wir hatten mal Jenny Elvers, die Heidekönigin, eingeladen. Die erschien auch nicht.“

Alexander Hoffmann

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